I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 45

29. Doktor Graesler
Badearzt
box 4/8
Jekter ardesien Badcaiut
Nr. 124.
Berliner Tagehlatt.
Freitag, den 9. März 1917.
Sen See ee

ir Orstanpiestichtane
neisten (Fhmrzer4
14000 Mark zur Ausführung von Kriegslieferungen erschwindelt zu
bewegen, obgleit
haben. Diesen Betrag hat sie aber für sich und ffür ihre Mutter
Die Verlin
von Schuhmaren.
zum Lebensunterhalt verbraucht. Im Februar 1916 unternahm sie im
ziemlich Silflos
Auf Grund der Bekanntmachung der Reichsbekleidungsstelle vom
Auftrage von großen Berliner Damenkonfektionshäusern mehrere
Bahn schaffen k5
28. Februar 1917 findet am 1 2. März 1917 eine Bestands¬
Reisen nach Konstantinopel, um dort eine Konsektionsausstellung zu
Anzahl vorhanden
veranstalten. Die Firmen sind ebenfalls um einige tausend Mark ge¬
aufnahme von Schuhwaren statt, die ganz oder zum Teil
Schippe und Bes
schädigt. Weihnachten 1916 verreiste sie mach Wien, vermutlich um
aus Leder=, Web=, Wirk= oder Strickwaren, Filz oder filzartigen
Hauptstraßen Ge
Stoffen bestehen. Auf welche Waren sich die Anzeigepflicht erstreckt,
sich Rat zu schaffen, und hinterließ 30 000 Mark Verbindlichkaiten.
nach Möglichkeit
geht im einzelnen aus den dabei zu benutzenden Meldelauten hher¬
Eine Trauerfeier für den verstorbenen Geheimen Regierungs¬
Aufruf des Oherk
vor, die unterscheiden; 1. Arbeitsschuhwerk (einschließlich Schaft¬
rat Professor Dr. Oskar Ulbrich fand gestern nachmittag in der
der Julytdämme
Kapelle des Kaiser=Wilhelm=Gedächiniskirchhofes am Fürstenbrunner
stiefel), 2. Kräftiges Lederstraßenschuhwerk, 3. anderes Leder¬
sich möglich schne#
Weg statt. In der Trauerversammlung sch man u. a. mehrere Mit¬
straßenschuhwerk (soweit nicht unter 2 und 4 genannt), 4. Straßen¬
Der staule
glieder der Wissei schaftlichen Prüfungskommission
schuhwerk aus Lackleder, 5 Reitstiefel, 6. Tanzschuhe, Gesellschafts¬
für die Kandidaten des höheren Schulamts und Vertreter des Lehrer¬
der Feuerweh
schuhe, Luxushausschuhe und Luxuspantoffeln, 7. Sandalen,
kollegiums vom Dorotheenstädtischem Real gymmssiiam,
Füllen handelte
8. Hausschuhe und Pantoffeln (soweit nicht unter 6 genannt),
dessen Direktor der Verstorbene viele Jahre hindurch gewesen ist,
müsssem und um
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Anen Bezug auf seine Schwester haben könnte. Und er war
hatte sschicn i
schon nahe daran zu glauben, daß diese Briefe an jemanden
Doktor Grasler, Badearzi
ob nicht die ####
andern, vielleicht an eine Freundin Friederikens. gerichtet und
seine scheinbar
dieser nur zur Aufbewahrung übergeben wonden waren, #is
Erzählung
anscheete,
ihm eine der Schriften plötzlich bekannt vorkam, und bald,
von
[23. Fortsetzung.]
Ende
ereitet ha
(Nachdruck verboten.)
auch nach anderen Anzeichen kein Zweifel mehr übrig blieb,
daß sie ihn des
Arthur Schnitzler.
daß sie von Böhlinger herrührten. Nun entwirrten sich bald
eander
auch, wie
die ineinander geflochtenen Fäden des sanderharen Ran
Als er eintrat, saß sie auf dem Lehnstuhl, ganz
tteter
und es wurde Gräsler klar, daß seine Schwester vor mehr als
eingewickelt, in einen rötlichbraunen, mit
sein mochte, wir
goldgesticktem,
zwanzig Jahren, also schon als ziemlich wei##s Mädchen, mit Verstorhenen
drachendurchwirkten chinesischen Schlafrock, den er
Böhlinger im gehrienen verlobt gewesen wer, daß id
neulich geschenkt hatte, eine illustrierte Romanlieferung
Rücksicht auf irgendeine früher vorgefallene Herzen
sichte
auf dem Schoß, wie sie sie gerne zu lesen pflegte, und war
hr Leben
Friederikens die Heirat hinausgezögert, daß Fried
ihn
eingeschlummert. Gräsler betrachtete sie gerührt, vermied
dann mit irgend jemandem aus Ungaduld, Laune uder Nache
es, sie aufzuwecken, ging zurück in sein Arbeitszimmer, setzte
#uß sie, dwür
betrogen und daß sie endlich eine Versöhnung angestrebt,
sich an seinen Schreibtisch und spielte halb gedankenlos mit
war, das ihr
welche Versuche Böhlinger nur mit Ausbrüchen des Hohns
den lockeren Fäden, die das Päckchen umschlangen, bis die
nossen, nicht me
und der Verachtung beantwortet hatte. Der Ton seiner letzten
Siegel knackten und brachen. Er zuckte die Achseln. Warum
einmal betrachte
Briefe war jeder Mäßigung, ja jedes Anstands so har, daß
nicht sagte er sich dann. Sie ist tot, an eine persönliche Un¬
da und dort
Gräsler nicht recht begreifen konnte, wie sich allmählich doch
sterblichkeit glaube ich nicht, und sollte es wider mein Er¬
Du
wieder eine leidliche Beziehung, am Ende sogar eine Art von
warten eine geben, so wird mir Friederikens Seele die nun
men und 2a
Freundschaft, zwischen den beiden hatte entwickeln können #
in so hohen Regionen schwebt, nichts übel nehmen. Allzu
Mancherlei, o
war mehr Spannung als Staunen, was Gräsler während des
düstene Geheimnisse werden da dwin wohl nicht enthalten sein.
vielen J#
Lesens empfunden hatte, und so forschte er denn nur in ge¬
Das Umschlagpapier war bald entfaltet, und was nun vor
französischen Ka
steigerter Neugier, ohne tiefere Erschütterung, was für Ge¬
ihm lag, waren Briefe in großer Zahl, geschichtet, und einzelne
gelesenen Billets
heimnisse aus Friederikens Leben ihm die nächsten Blätter ver¬
Schichten durch weiße Blätter gekrennt, im ganzen, wie bald
fretlich ahr
raten würden. Es blieben nicht mehr viele übrig, doch da die
zu bemerken war, sorgfältig geordnet. Der erste, den Gräsler
berechtigt
Handschriften nun sehr rasch zu wechseln begannen, so durste
aufnahm, war über dreißig Jahre alt und von einem jungen
Dreißigjährigen
Gräsler vermuten, daß Friederike immer nur einzelne Proben
Menschen geschrieben, der den Vornamen Robert trug und
Böhlinger schon
zur Aufbewahrung ausgewählt hatte. Da lagen vorerst ein
offenbar die Berechtigung hatte, Friederike in sehr zärtlichen
Neigung sich an
paar Briefe, die nichts enthielten als Buchstaben und Zahlen,
Worten anzureden. Der Inhalt ließ erkennen, daß dieser
blieben, wenn ih
offenbar Zeichen geheimer Verständigung. Nun gab es eine
Robert im Elternhause
verkehrt hatte, doch konnte
entgehen mußte.
Pause von Jahren, dann erschienen Briefe aus der Zeit, da
sich Gräsler durchaus nicht besinnen, wer es ge
baren Blicke, die
Friederike sich mit dem Bruder zusammengetan hatte, auch
wesen sein mochte. Es waren wohl ein Dutzend Briefe
auf ihm hatte
französische, englische waren darunter und zwei in einer ver¬
von ihm da, verliebtes, aber doch im ganzen recht unschuldiges
Klage und Vom
mutlich slawischen Sprache, von der er gar nicht gewußt hatte,
Geschreibsel, das den Lesenden nicht sonderlich fesselte. Es folg¬
Verzeihung bed
daß sie seiner Schwester bekannt war. Es gab Briefe, die war¬
ten ändere Briefe, aus der Zeit,da Gräsler als Schiffsarzt in
vor ihm verschl
ben andere, die dankten, es gab achtungsvoll-vorsichtige und
der Welt herumgesegelt war und'nur alle zwei Jahre auf kurze
gegangen war.
höchst unzweideutige; in einem oder dem anderen Falle tauchte
Frist die Heimat besucht hatte. (Doch wechselten hier ver¬
all der Zeit erleh
vor Gräsler die verblaßte Erscheinung irgendeines seiner
schiedene Schriften miteinander ab und Gräsler vermochte
gelesen zu verbre
Patienten auf, dem er wohl selbst, ein ahnungsloser Kuppler,
aufangs nicht klug zu werden, was all diese leidenschaftlichen
die Bekanntschaft mit Friederike vermittelt haben mochte. Der
bedenklich ausge
Versicherungen, Treueschwüre, Anspielungen auf schöne Stun¬
letzte Brief aber, glühend, wirr und voll Todesahnungen, ließ
teuer, ihr gerade
den, Wallungen von Eifersucht, Warnungen, unklare Drohun¬
keinen Zweifel übrig, daß ihn der brustkranke neunzehnjährige
er sich nicht ber
gen, ungeheuerliche Beschimpfungen eigentlich zu bedeuten; Jüngling geschrieben, den Gräsler vor zehn Jahren etwa als schwiegenheit na
hatten, ja, was diese ganze wüste Angelegenheit überhaupt für einen beinahe Sterbenden aus dem Süden nach der Heimat'l gewußt hatte.
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