I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 47

Badearzt
29. Doktor Graesler
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Lekterardesien, Badcurzt
Nr. 126.
Sonnabend, den 10. März 1917.
Berliner Tageblatt.
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aufgesunden. Der Knabe war in schwarzweißen Kleiberstöff unddache verhaftet, dal
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht solge##
schwarzen Futterstoff gehüllt und wurde dem Krankenhause in den
mit Brillanten bes
Nachruf des Chefs des Generalstabes des Feld¬
Hubertusstraße in Sichtenberg übergeben. Wer das Kind ausgesetzt
suchung wurde au
heeres:
hat, konnte bisher nich #estgestellt werden.
das er gelegentlich
Am 8. März verschied zu Berlin der königlich württembergische
Der Schneefall hat gestern gegen abend aufgehört; auch die Tem¬
Amtszimmer gesto
General der Kavallerie, General à la suite Seiner Majestät des
in dem Hotel woh
peratur hat eine weitere Zunahme erfahren. Sie bewegte sich in den
hatte sich auch einen
Königs, Graf v. Zeppelin. Die Trauer des deutschen Volkes
Abendstunden um den Nullpunkt. Auf den stärker befahrenen Straßen
das Eiserne Kreuz
um den Heimgang seines großen Sohnes teilt in tiefstem Schmerze
löst sich der Schnee bereits in Schmutzhaufen auf. Dank der
kammer des Land
der deutsche Generalstab. Wir gedenken dankbar der langen Jahre
fleißigen Arbeit der freiwilligen Helfer konnte der Verkehr ziemlich
sechs Monate Gef#
unermüdlicher Arbeit, in denen des Entschlafenen schöpferischer Geist
unbehindert von statten gehen. Aus Thorn meldet uns ein
Haftstrafe und fün
und seine kühne Hand das Werkzeug schuf, aus dem uns Deutschen
Privat=Telegramm, daß bei orkanartigem Sturm und abnehmender
gerechnet.
im Deseinskampfe ein starkes Kriegsmittel erstand. Und wie sein
Kälte im Weichselgebiet starke Schneemassen niedergingen. Infolge
21 700 Mark
Werk dem Heere zur stolzen Waffe wurde, so ward sein ganzes
der großen Schneeverwehungen sind viele Verkehrsstockungen ein¬
aus Grünberg w
Sn
1
8
aber merkte er, daß sie ihn aufmerksam und traurig betrachtete.
wohl noch eine B
„Was hast du?“ fragte er. Sie schüttelte nur den Kopf und
Son
chelte¬
Doktor Gräsler, Badearzt
versuchte zu lächeln. Und er sah mit Rührung und Staunen,
hrer
wie ein paar kleine Tränen aus ihren Augen rollten. „Du
rei
Erzählung
weinst“, sagte er leise und war in diesem Augenblick Sabinens
Sch
sicherer als je zuvor. — „Was du nicht denkst", erwiderte
Son
tor
(Nachbruck verbolen.)
(24. Fortsetzung.)
Katharina, sprang auf, machte ein lustiges Gesicht, öffnete die
Fan
Arthur Schnitzler.
Türe zum Speisezimmer und wies auf den freundlich gedeckten
einig
Tisch. „Und erlauben der Herr Doktor auch, daß ich im
Katharina stand hinter seinem Sessel und legte die Hände
Tier
Schlafrock bleibe?“
dem
um seine Stirn. „Du?“ fragte er wie erwachend. „Ich war
Da fiel ihm ein, daß er ihr wieder etwas vom Boden her¬
reist i
schon zweimal herinnen“, sagte sie, „aber du warst so vertieft,
er die
ich wollte dich nicht stören.“ Er sah auf die Uhr. Es war ntergebracht hatte, er suchte nach dem Bernsteinkettchen, das
der Löw
auf dem Schreibtisch zwischen die Briefe geglitten war, und als
halb neun. Vier Stunden lang war er in jenes abgelaufene
er es gefunden, legte er es ihr um den Hals. „Schon wieder?“
Fütterung
Schicksal eingesponnen gewesen. „Ich habe alte Briefe meiner
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sagte sie. — „Nun ist es aber auch das letzte“, erwiderte er,
armen Schwester durchgesehen“, sagte er, Katharina auf seinen
wohnt hatte. Heu
doch gleich bedauerte er die Bemerkung, die schwerer klang, als
für morgen früh
Schoß niederziehend. „Sie war ein merkwürdiges Wesen.“
sie gemeint war. Er wollte sich verbessern. „Ich meine näm¬
Einen Augenblick dachte er daran, Katharinen einiges aus dem
bereitungen zu ir
lich' — Sie erhob leicht die Hand als wollte sie ihm Schweigen
Inhalt der Briefe mitzuteilen, aber er fühlte gleich, daß er das
aufriedenheit der
gebieten. Sie setzten sich zu Tische. Plötzlich nach einigen
Andenken der Toten nur verletzen würde, wenn er sich ein¬
Frau Sommer
Bissen fragte sie: „Wirst du manchmal an mich denken dort
weiteren
fallen ließe, ihre Geschicke vor einem Geschöpf auszubreiten,
unten?“ Es war das erstemal, daß sie auf die bevorstehende
mal bea
dem notwendig das tiefere Verständnis dafür fehlen und das
Trennung anspielte, so daß Gräsler etwas betroffen war, was aber
sich am Ende einfallen ließe, hier gewisse Aehnlichkeiten her¬
sie ihm wohl anmerkte, denn sie setzte rasch hinzu: „Sag nur
auszuspüren, die in höherem Sinne keineswegs vorhanden
sie
ja oder nein“. — „Ja,“ erwiderte er, mühsam lächelnd. Sie
waren. So deutete er denn durch eine Handbewegung, mit der
herc
nickte, wie vollkommen befriedigt, schenkte für sie beide Wein
Ent
er die Briefe zugleich zur Seite schob, an, daß sie das Ver¬
ein, und nun plauderte sie weiter in ihrer Art, harmlos, lustig,
gangene sollten ruhen lassen und im Ton eines Menschen, der
als gäbe es kein Abschiednehmen oder doch, als läge ihr wenig
aus dunklen Träumen zu einer lichten Gegenwart empor¬
daran, wenn es einmal dazu kommen mochte. Später wickelte
taucht, fragte er Katharina, wie sie sich indes die Zeit ver¬
sie sich fest in den chinesischen Schlafrock, dann wieder ließ sie
trieben. Sie hätte in ihrem Roman weiter gelesen, berichtete
beie
ihn, der ihr viel zu weit war frei um ihre Glieder wallen, zog
sie, das Silber und das Glas auf dem Toilettetisch wieder ein¬
werd
ihn über den Kopf, ließ ihn sinken, dann tanzte sie im Zimmer
mal sorgfältig geputzt, an dem weiten chinesischen Hauskleid
habe
auf und ab, in der einen Hand das geraffte Hauskleid mit den
einige Knöpfe versetzt; schließlich aber mußte sie auch einge¬
vom C
goldgestickten Drachen, in der andern das Weinglas; lachte
stehen, daß sie ein halbes Stündchen im Treppenhaus mit der
trag wegen Fortsch
hell mit verschwimmenden süßen Augen; endlich nahm Gräsler
Buchdruckersgattin geschwatzt, die doch eine recht brave
sprach endlich bei
sie in die Arme und trug sie mehr, als er sie führte, in Friederi¬
tüchtige Frau sei, wenn der gestrenge Herr Doktor sie auch
schäftliches zu ber
kens halbdunkles Gemach, wo er sie mit einer Lust umfing,
nicht wohl leiden möge. Ihm war es freilich weder recht, daß
zu bemerken und
auf deren geheimem Grund er den dumpfen Groll gegen die
sie an der Unterhaltung mit einer so untergeordneten Person
die besten Wünsch
Dahingeschiedene, die Schwester, die Lügnerin zittern und ver¬
Gefallen fand, noch daß sie mit dem chinesischen Schlafrock
kaufes auf die Rei
glühen fühlte.
angetan im Treppenhaus gestanden war, aber nun dauerte es
jeder naheliegende
XIV.
ja nicht mehr lange, in wenigen Tagen war er weit fort, in
der Treppe ein, da
einer würdigeren, reineren Umgebung, würde Katharina nie¬
Am nächsten Morgen, noch während Katharina schlief, er¬
storbenen Schweste
mals, auch die Heimatstadt nur auf Stunden und Tage,
hob sich Gräsler von ihrer Seite, um seine kleine Patientin,
nach Hause zum #
wiedersehen, da ja das Sanatorium hoffentlich das ganze
die sich längst vortrefflich befand, aber das Bett noch nicht ver¬
rina Diese letzten
Jahr hindurch seine Anwesenheit und seine Tätigkeit erfordern
lassen durfte, ein letztes Mal zu besuchen. Doch daß von seiner
bringen, ohne sich
dürfte. So liefen seine Gedanken weiter, während er Katha¬
so nahe bevorstehenden Abreise nicht etwa auf dem Umweg
früh, während sie
rina noch immer auf dem Schoße hielt und mechanisch mit der
über die Buchdruckersgattin die Kunde zu Katharina dringe,
der auch eine klein
einen Hand ihre Wangen und ihren Hals streichelte. Plötzlich versicherte er die freundliche Mutter seiner Kranken, daß erl schied nehmen.