I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 48

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Doktor Graesler, Badearzt
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1. Beiblatt.
Berliner Tageblatt.
Druck und Verlag von Rudolf Mosse in Berlin.
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Felt alngestel war, wikde vor kurgen mter dem Ber¬
aufgefunden. Der Knabe war in schwarzweißen Kleiderstoff und
daan verhaftet, daß er einer in dem Hotel wohnhaften Dame ein
g“ veröffentlicht folge# i
schwarzen Futterstoff gehüllt und wurde dem Krankenhause in der
mit Brillanten besetztes Medaillon gestohlen hatte. Bei der Haus¬
ralstabes des Feld¬
Hubertusstraße in Lichtenberg übergeben. Wer das Kind ausgesetzt
suchung wurde auch ein Amtssiegel des Landgerichts vorgefunden,
hat, konnte bisher nicht festgestellt werden.
das er gelegentlich einer Vernehmung in einer Zivilsache aus dem
r königlich württembergische
Der Schneefall hat gestern gegen abend aufgehört; auch die Tem¬
Amtszimmer gestohlen hatte. Ferner soll er Militärpersonen, die
suite Seiner Majestät des
peratur hat eine weitere Zunahme erfahren. Sie bewegte sich in den
in dem Hotel wohnten, die Ausweispapiere gestohlen haben. Er
Trauer des deutschen Volkes
hatte sich auch einen gefälschten Militärpaß angefertigt und unbefugt
Abendstunden um den Nullpunkt. Auf den stärker befahrenen Straßen
das Eiserne Kreuz getragen. Gestern war er vor der ersten Straf¬
steilt in tiefstem Schmerze
löst sich der Schnee bereits in Schmutzhaufen auf. Dank der
kammer des Landgerichts I angeklagt und wurde zu einem Jahre
dankbar der langen Jahre
fleißigen Arbeit der freiwilligen Helfer konnte der Verkehr ziemlich
sechs Monate Gefängnis und sechs Wochen Haft verurteilt. Die
schlafenen schöpferischer Geist
unbehindert von statten gehen. Aus Thorn meldet uns ein
Haftstrafe und fünf Monate wurden ihm auf die Untersuchung an¬
huf, aus dem uns Deutschen
Privat=Telegramm, daß bei orkanartigem Sturm und abnehmender
gerechnet.
sttel erstand. Und wie sein
Kälte im Weichselgebiet starke Schneemassen niedergingen. Infolge
21 700 Mark Geldstrafe. Der Teppichfabrikant Heinrich Nie
urde, so ward sein ganzes
der großen Schneeverwehungen sind viele Verkehrsstockungen ein¬
aus Grünberg wurde von der Glogauer Strafkammer wegen
aber merkte er, daß sie ihn aufmerksam und traurig betrachtete.
wohl noch eine Woche in der Stadt zu bleiben gedenke. Frau
„Was hast du?“ fragte er. Sie schüttelte nur den Kopf und
Sommer lächelte: „Wie gut begreif' ich, daß Ihnen der Ab¬
Badearzt
versuchte zu lächeln. Und er sah mit Rührung und Staunen,
schied von Ihrer kleinen Freundin schwer wird. Was für ein
wie ein paar kleine Tränen aus ihren Augen rollten. „Du
reizendes Geschöpf! Und wie sie gar in dem chinesischen
weinst“, sagte er leise und war in diesem Augenblick Sabinens
Schlafrock aussieht, den Sie ihr geschenkt haben.“ — Der Dok¬
sicherer als ie zuvor. — „Was du nicht denkst". erwiderte
[Nachdruck verboten.)
tor runzelte die Stirn, dann beschäftigte er sich mit der kleinen
Katharina, sprang auf, machte ein lustiges Gesicht, öffnete die
Fanny, die ihre blonde Puppe mit Kinderernst frisierte. Vor
tler.
Türe zum Speisezimmer und wies auf den freundlich gedeckten
einigen Tagen hatte er begonnen, dem Kinde von den wilden
Tisch. „Und erlauben der Herr Doktor auch, daß ich im
essel und legte die Hände
Tieren zu erzählen, die einst, für einen Zirkus bestimmt, auf
Schlafrock bleibe?“
dem gleichen Schiff mit ihm von Australien nach Europa ge¬
die erwachend. „Ich war
Da fiel ihm ein, daß er ihr wieder etwas vom Boden her¬
aber du warst so vertieft,
reist waren; und seither ließ ihn die Kleine nie fort, ohne daß
untergebracht hatte, er suchte nach dem Bernsteinkettchen, das
h auf die Uhr. Es war
er die Geschichte wiederholen und ihr eine genaue Schilderung
auf dem Schreibtisch zwischen die Briefe geglitten war, und als
rer in jenes abgelaufene
der Löwen, Tiger, Panther, Leoparden geben mußte, deren
er es gefunden, legte er es ihr um den Hals. „Schon wieder?“
Fütterung in den unteren Schiffsräumen er zuweilen beige¬
hhabe alte Briefe meiner
sagte sie. — „Nun ist es aber auch das letzte“, erwiderte er,
er, Katharina auf seinen
wohnt hatte. Heute faßte er sich kürzer als sonst, denn vor der
doch gleich bedauerte er die Bemerkung, die schwerer klang, als
nmerkwürdiges Wesen.“
für morgen früh geplanten Abfahrt hatte er noch allerlei Vor¬
sie gemeint war. Er wollte sich verbessern. „Ich meine näm¬
ktharinen einiges aus dem
bereitungen zu treffen. Er stand plötzlich auf zur großen Un¬
lich“ — Sie erhob leicht die Hand als wollte sie ihm Schweigen
#r fühlte gleich, daß er das
zufriedenheit der Kleinen, wurde aber noch in der Tür von
gebieten. Sie setzten sich zu Tische. Plötzlich nach einigen
würde, wenn er sich ein¬
Frau Sommer mit einem Dutzend Fragen hinsichtlich der
Bissen fragte sie: „Wirst du manchmal an mich denken dort
Geschöpf auszubreiten,
weiteren Pflege des Kindes aufgehalten, die er schon hundert¬
unten?“ Es war das erstemal, daß sie auf die bevorstehende
mis dafür fehlen und das
mal beantwortet hatte. Seine Ungeduld entging ihr nicht,
Trennung anspielte, so daß Gräsler etwas betroffen war, was
ewisse Aehnlichkeiten her¬
aber sie versuchte, ihm das Scheiden schwer zu machen, indem
sie ihm wohl anmerkte, denn sie setzte rasch hinzu: „Sag nur
de keineswegs vorhanden
sie gewohntermaßen sich nah, fast bis zur Berührung, an ihn
ja oder nein“. — „Ja,“ erwiderte er, mühsam lächelnd. Sie
eHandbewegung, mit der
herandrängte und ihn mit dankbar zärtlichen Augen anblickte.
nickte, wie vollkommen befriedigt, schenkte für sie beide Wein
an, daß sie das Ver¬
Endlich gelang es ihm, sich loszureißen, und rasch eilte er die
ein, und nun plauderte sie weiter in ihrer Art, harmlos, lustig,
Treppe hinunker.
Ton eines Menschen, der
als gäbe es kein Abschiednehmen oder doch, als läge ihr wenig
ichten Gegenwart empor¬
Katharina hatte von ihm nur so viel erfahren, daß er
daran, wenn es einmal dazu kommen mochte. Später wickelte
esich indes die Zeit ver¬
heute allerlei in der Stadt besorgen und endlich einmal auch
sie sich fest in den chinesischen Schlafrock, dann wieder ließ sie
weiter gelesen, berichtete
wieder im Spital vorsprechen wolle, so daß sie nicht ungeduldig
ihn, der ihr viel zu weit war frei um ihre Glieder wallen, zog
nToilettetisch wieder ein¬
werden und er zu seinen Reisevorbereitungen genügend Zeit
ihn über den Kopf, ließ ihn sinken, dann tanzte sie im Zimmer
ten chinesischen Hauskleid
haben mochte. Er fuhr ins Krankenhaus, verabschiedete sich
auf und ab, in der einen Hand das geraffte Hauskleid mit den
der mußte sie auch einge¬
vom Chefarzt, machte einige Einkäufe in der Stadt, gab Auf¬
goldgestickten Drachen, in der andern das Weinglas; lachte
im Treppenhaus mit der
trag wegen Fortschaffung und Verladung seines Gepäcks und
hell mit verschwimmenden süßen Augen; endlich nahm Gräsler
doch eine recht brave,
sprach endlich bei Böhlinger vor, mit dem er noch allerlei Ge¬
sie in die Arme und trug sie mehr, als er sie führte, in Friederi¬
nige Herr Doktor sie auch
schäftliches zu bereden hatte. Jener schien seine Unruhe kaum
kens halbdunkles Gemach, wo er sie mit einer Lust umfing,
s freilich weder recht, daß
zu bemerken und gab ihm, mit einigen klugen Ratschlägen,
auf deren geheimem Grund er den dumpfen Groll gegen die
o untergeordneten Person
die besten Wünsche für einen günstigen Abschluß des Anstalts¬
Dahingeschiedene, die Schwester, die Lügnerin zittern und ver¬
lem chinesischen Schlafrock
kaufes auf die Reise mit. Er enthielt sich mit Absicht offenbar
glühen fühlte.
war, aber nun dauerte es
jeder naheliegenden Anspielung, und Gräsler fiel es erst auf
XIV.
ngen war er weit fort, in
der Treppe ein, daß er soeben mit einem Liebhalter seiner ver¬
ig, würde Katharina nie¬
Am nächsten Morgen, noch während Katharina schlief, er¬
storbenen Schwester gesprochen hatte. Nun a'
rieb es ihn
auf Stunden und Tage,
hob sich Gräsler von ihrer Seite, um seine kleine Patientin,
nach Hause zum letzten gemeinsamen Mittag u mit Katha¬
hoffentlich das ganze
rina. Diese letzten Stunden wollte er ungest## mit ihr ver¬
die sich längst vortrefflich befand, aber das Bett noch nicht ver¬
dseine Tätigkeit erfordern
lassen durfte, ein letztes Mal zu besuchen. Doch daß von seiner
bringen, ohne sich das Geringste merken zu lassen, und morgen
beiter, während er Katha¬
so nahe bevorstehenden Abreise nicht etwa auf dem Umweg
früh, während sie noch schlief, mit Hinterlassung eines Briefes.
lt und mechanisch mit der über die Buchdruckersgattin die Kunde zu Katharina dringe,
der auch eine kleine Geldsumme enthalten sollte, von ihr Ab¬
Hals streichelte. Plötzlich versicherte er die freundliche Mutter seiner Kranken, daß erl schied nehmen.
(Fortsetzung folgt.)