I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 60

Badearz
raesler
Doktor
box 4/8
29.
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1. Beiblatt.
Druck und Verlag von Rudolf Mosse in Berlin.
Berliner Tageblatt.
Seeer uh Nüchers Beirimimungen über
während des Krieges anvertraue.
meie.
die Außgabe von Tuchen der bezeichnetin Art durch die Kriegs= und
Am Anfang des Krieges war Vollmöller über dem Feinde im
Reservebekleidungsämter, sowie über die Verpflichtungen, deren
sches Erben in Breslau
Westen geflogen. Dus Glück blieb ihm treu. Ausgezeichnet mit dem
Uebernahme von den Verarbeitern vor der Ausgabe solcher Tuche
der neuen Kriegsanleihe.
Eisernen Kreuz kehrte er infolge von Herzstörungen in die Heimat
in Zukunft gefordert wird. Die Bekanntmachung wird in vollem
Schuckert=Werke in
zurück. Nunmehr wandte er sich neuen Maschinen besonderer Kon¬
Wortlaut in den Regierungsamtsblättern veröffentlicht.
tschaft Lothringen in
struktion zu. Seine ganze Erfahrung, sein Wissen und seine Un¬
Die Stadt Berlin als Erbin. Die am 22. Februar vorigen
herungsanstalt Braun¬
erschrockenheit stellte er in den Dienst der großen Sache. Abermals,
Jahres verstorbene Frau Auguste v. Heigel geb. Gerstmann hat die
nbau=Anstalt und Eisen¬
wie vor sechs, sieben Jahren wurde er zum Vorkämpfer und Pionier
Stadt Berlin zur Erbin eingesetzt. Die Zinsen des Nachlasses sollen
ssen 1200000 Mark; die
des deutschen Flugwesens und seiner neuesten und kühnsten
Verwendung finden, um verwaisten oder unbemittelten jungen
ion Mark; die Oelfabrik
Probleme. Aus naheliegenden Gründen kann heute nicht ausführlich
Männern eine höhere Ausbildung zu ermöglichen. Bevorzugt werden
kkasse in Preetz 1½ Mil¬
darüber gesprochen werden, aber die Zeit wird kommen, da die
solche junge Leute, die Juristen oder Aerzte werden oder in
fnir 3 Millionen Mark;
Verdienste Vollmöllers um Flugwesen und Vaterland jene hohe
einem anderen akademischen Beruf sich ausbilden wollen. Die Unter¬
in Gaggenau 1 Mil¬
Würdigung erfahren, die ihnen gebührt. In geduldigen, mühsamen
stützung soll nicht nur während der Studienzeit gewährt werden,
ielitz 1 Million Mark;
und gefahrvollen Versuchen arbeitete er hingegeben und treu Tag
sondern auch darüber hinaus, bis sie sich selbst zu erhalten imstande
ses Köln 10 Millionen
für Tag auf dem Flugplatz, bis ihn, den Meister des Fluges, ein im
sind. Der Berliner Magistrat hat die Annahme der Erbschaft, die sich
Wege stehender Schuppen am Steuer der Maschine tötete. Die
auf etwa 850 000 Mark beläuft, beschlossen.
Auslaufstrecke war zu kurz....
Schwerer Unfall eines Landgerichtsrats. Von einem
such des Domgottesdienstes
Hans Vollmöller starb im Range eines Vizefeldwebels. In seinem
schweren Unfall wurde gestern der Landgerichtsrat, Geheimer Justiz¬
ichen Domchors Professor
Fache war er General. In der Geschichte des Flugwesens wird sein
rat Karl Fehmer aus der Hildegardstraße 21 in Wilmersdorf be¬
eraladjutanten v. Chelius
troffen. Beim Ueberschreiten der Straßenkreuzung Uhland= und
Name für alle Zeiten verzeichnet stehen:

S
S

schweren Schlaf verfiel. Böhlinger breitete eine Decke über ihn,
raschen, aber völlig unbeherrschten Blick des Hasses; und jedes
dann öffnete er für eine Weile die beiden Fenster, brachte seine
Grußes vergessend an Mutter und Kind vorbei, trat er unters
Badearzt
Akten in Ordnung, schloß die Fenster wieder zu und ließ den
Tor. Böhlinger aber merkte, daß die Frau, ihre Kleine immer
ruhenden Freund allein.
an der Hand, stehen geblieben war und seinem Freund ver¬
Als Grasler erwachte, stand Böhlinger vor ihm teilnahms¬
ständnislos, ja wie verzweifelt nachschaute. Mit unzufrie¬
[Nachdruck verboten.)
voll lächelnd: „Guten Morgen“, sagte er mit einem guten Blick,
denem Kopfschütteln folgte er Gräsler über die Treppe, zu
wie ein Arzt, so dachte Gräsler, dem ein #nkes Kind aus
einer Frage entschlossen; doch kaum hatte sich die Wohnungs¬
er.
einem Genesungsschlummer erwacht. Ein
ale Herbstsonne
türe hinter ihnen zugetan, so stieß Gräsler schon die Worte
schien ins Zimmer herein. Gräsler spürte, daß er sehr lange
daß ihre Vergangen¬
hervor: „Das war das Kind. Das war die Mutter und das
geschlafen haben mußte, und fragte: „Wie spät ist es denn?“
Kind. Dieses Kind ist schuld daran! Katharina hat sterben
Da begannen eben die Mittagsglocken zu läuten.
ich weiß, die mit der
müssen, und dieses Kind hab’ ich gesund gemacht.“
Gräsler erhob sich und reichte dem Freunde die Hand. „Ich
zuziehen. Und er sah
„Von Schüld kann hier wohl nicht die Rede sein, er¬
danke dir für deine Gastfreundschaft. Nun ist es Zeit nach
widerte Böhlinger. „So beklagenswert die Sache auch sein
Hause zu gehen.“
Gräsler und indem er
mag, die Kleine kann doch nichts dafür — und die Mutter
Was ich dir übrigens
„Ich begleite dich,“ sagte Böhlinger, „es ist Sonntag, ich
gewiß nicht. Dein Benehmen dürfte ihr kaum recht verständ¬
habe in der Kanzlei nichts zu tun. Vor allem aber wirst du
lich gewesen sein.“
frühstücken, auch ein Bad ist für dich bereit gemacht.“
det: „Was meinst du?“
„Sie weiß ja auch nicht, was indes vorgefallen ist,“ sagte
Gräsler nahm alles mit Dank an. Nach dem Bad, das ihn
Gräsler.
sehr erfrischte, begab er sich in das Speisezimmer, wo das
gelesen, deine und auch
„Du hast sie angestarrt wie ein Gespenst. Und erst das
Frühstück wartete. Böhlinger saß neben ihm, teilte ihm vor
Kind
! Du hättest das Gesicht der Mutter sehen sollen. Sie
und plauderte indes, in der offenbaren Absicht, den Freund
ert und lächelte trüb.
war zu Tod erschrocken.“
von traurigen Gedanken abzuziehen, von allerlei gleich¬
„Das tut mir leid. Aber sie wird sich schon wieder fassen.
gültigen politischen und städtischen Neuheiten. Was ist mir
bräsler. Und in einem
Ich will es ihr bei Gelegenheit aufklären.
die Welt, dachte Gräsler, der Staat, die Menschen? Ja, wenn
Angelegenheit in Kürze
„Das solltest du gewiß tun,“ und in einem unangemessen
man Sabine wieder zum Leben auferwecken könnte — er ver¬
zu: „Es ist mir natür¬
heiteren Ton fügte er hinzu, „um so mehr, als es eine sehr
besserte sich sofort innerlich
geworden, warum ihr
Katharina! Die andere lebt
hübsche und appetitliche kleine Frau ist.“ Gräsler runzelte die
ja ... gewissermaßen. Er lächelte und wußte selbst nicht
Stirn und machte eine abwehrende Handbewegung. Dann
recht warum.
indnislos an. Dann,
bat er Böhlinger um Entschuldigung: er wollte nur rasch die
„Ach so, du denkst —
Die Freunde verließen das Haus, Spaziergänger, sonntäg¬
Post der letzten Tage durchsehen, um die er sich nicht ge¬
n's ja wohl. Herrgott,
lich angetan, belebten die Straßen, und Böhlinger hatte viele
kümmert hatte. Eine leise Hoffnung, daß Sabine ihn rufen
in jungen Jahren. In
Leute zu grüßen. Sie kamen an dem Handschuhladen in der
könnte, vermochte er nicht völlig zu unterdrücken, trotzdem er
ich
Wilhelmstraße vorbei. Gräsler betrachtete die herabgelassenen
mich betrogen!
die Unsinnigkeit eines solchen Gedankens empfand. Es war
wohl zu spät.“ Und
Rolläden feindselig und mit Grauen. Endlich standen sie vor
keine Zeile von ihr, noch irgend anderes von Bedeutung ein¬
dem Hause, in dem Gräsler wohnte. „Wenn's dir recht ist,
gelangt.
ann noch einmal, aber
begleite ich dich hinauf,“ sagte Böhlinger. In diesem Augen¬
attung hatte ihn plötz¬
blick trat aus dem Tor eine hübsche rundliche Dame, in an¬
Dann begab er sich mit Böhlinger in einen Gasthof, und
ständiger Trauerkleidung, deren Ernst durch einen anmutig
hm zu. Doch er schrak
während des Mittagessens, im Zwielicht einer warmen, trau¬
den Händen nahm und
und fröhlich geschwungenen Hut ein wenig gemildert schien;
lichen Nische, bei einer Flasche guten Rheinweins, riet ihm der
ht, die schon weit vor¬
sie führte ein kleines Mädchen an der Hand, und ihre Augen
Freund, sich keinem unfruchtbaren Schmerz hinzugeben, son¬
Ja, er erklärte sich
leuchteten überrascht, als sie des Doktors ansichtig wurde.
dern sich sobald als irgend möglich innerhalb seines Berufes
gung zu stellen. Aber
„Schau, wer da kommt, sagte sie laut und erfreut zu ihrer
zu betätigen. Gräsler versprach, heute noch nach Lanzarote
er war, in dem rauch¬
Kleinen. Gräslers Augen aber weiteten sich wie in Entsetzen,
seine Ankunft für Ende des Monats anzukündigen.
legen, wo er sofort in als er Frau Sommer erkannte, auf das Kind richtete er einen
(Schluß folgt.)