I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 65

29. Doktor Graesler
Badearzt
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Sender Brasszen, Laukarzt
hg. Wien
WFRE
seine in solchen Augenblicken sehr reine und sehr strenge und des Trostes in einem. Es ist ein Buch, für das man
Kunst weiß durch Glanz und Gewalt, durch Leidenschaftl danken muß, da es, Großem gewidmet, des Kleinsten im
und Sehnsucht des Geistes Glorie strahlen zu lassen. Stets Kosmos der Gefühle nicht vergißt, da es mit einer Hand
erreich.
sind die dramatischen Höhepunkte solche eines seelischen! Majestät und Demut, Leidenschaft und Sinn umfängt. Da
es geschrieben ist aus dem Geist und aus der Güte.
Geschehens. Stets tritt der Gedanke herrschend zwischen
ische Dichtung
zügellose und aufflammende Gebärden.
Artur
In neun Bildern ist solche Gewalt vorgeschichtlichen
Der „neue Schnitzler“ ist ein Buch der Ironie. Aber
Badearzt“,
Begebens aufgetürmt. Jedes davon hat seinen genauen Bau der Ironie eines Dichters, in dem der Elegiker, der Spötter
in Tempo und Ereignis, hat seinen Aufstieg, seine Flut und
lund der Phantast ziemlich gleichen Spielraum haben und
von Stephansseine Ebbe. Jedes ist ein kleines hartgeschlossenes Drama für
auch ziemlich gleich temperiert sind. Es ist wohl nicht nur
en. Nicht nurssich, dröhnend von einer Leidenschaft und einer Schmerzlich=rein menschliche und spezifisch männliche Reife, die hier in
der Reife, des keit, die man dem inneren Plan des Werkes nach logisch nennen
des Erkennens gütigem Blick zugleich des Verzeihens Milde
s im Künstler, muß, die aber aufbrennen wie ungewollte und unbewußte
zusammeifügt Gluten menschlichez. Ierens und menschlicher Qual der Unge= und Weisheit aufglänzen läßt, so daß flüchtige und tändelnde
Schatten leichtfertigen und gewöhnlichen Lebens das tiefe
rversucht undlwißheit. Ein eigentlich episches Problem wird dramatisch
und satte Dunkel erhalten, das die Reflexe großer Dinge
Dynamik und vollständig gelöst, und obwohl hier so oft das Volk Held ist
uf: die Wucht und die Masse Trägerin des Affekts wie er auch räumlich die und großer Erschütterungen werfen. Ja, daß in so neben¬
sächlicher Materie alltäglichsten Mikrokosmus, dort wo
Dramatik, die Bühne füllt, bleibt die Präzision des Vorganges gewahrt, dieser moderne Alltag sein stumpfestes und sein künstlichstes
jähe Linien=Jeder Vorfall verzweigt sich verblüffend naturalistisch und Gesicht zeigt, die Form gewaltiger Tragik wird, und daß
in und wiederlbleibt doch typisch, bleibt Beispiel und Symbol. So wird diese Ereignisse, die gewiß einmal nett sind, wie eben das
kalogs und die dieser Naturalismus einer Volkspsychologie in Zeiten ent=Leben auch in des leibhaftigen Philisters Tage feine Einzel¬
#is, Mythe und [fesselten Fühlens und Leidens sehr bald als ein gesteigerter,
heiten streut, und einmal sehr traurig, wie eben auch der
r erinnerungs=als einer der Idee klar, und der vielen pathetisch angestrafften (homo vulgaris seine Stunden der reinen Träne hat wie
Anckdote und Worte Schnellkraft zielt deutlich weit, weit hinaus über den Spiegelbilder, menschlichsten Erduldens, menschlichster
iund farbiges Bogen, in dem Jerusalems Geschick gefügt ist. Jerusalems,
Täuschung erscheinen, wie eine comoedia humana mit
fihnenqualitäten der ewigen Stadt, wie eben so manche „ewige“ Stadt unter
verzerrten Szenen, aber starkem und wuchtigem Zusammen¬
fernsten Sinn. ldem Eisentritt der Weltgeschichte sonk.
klang. Mit reifendem Alter wächst freilich dem Denker das
8 Stoffes, der
Es ist ein kühnes Drama, und der überaus subtile Begreifen und das Erfühlen all der sogenannten spielerischen
kkeiten geformt Könner, als den man Stephan Zweig kennt, hätte es nicht
und lockeren Gebärden des Daseins als eines ebenfalls
Art des Werkes gewagt. Nur der Dichter von großem menschlichen Format
gesetzmäßigen und ausdruckstreuen Ablaufs bedingter
dieses Hinaus=ldurfte es und konnte es so vollbringen, daß in dem brausen¬
Unternotwendigkeiten. Aber nur dem Künstler erschließt sich
das sich freilich den Wildstrom seiner Sprache die Woldkörner des Edel= die Fähigkeit, so leuchtendes Licht über Verhältnisse und
folgerichtigarbeiters der Form nur wie von der Gnade hingeschleudert, Gedanken hinzuhreiten, die gemacht scheinen, gerade vom
Drama nicht spielerisch und ohne Absicht hingestreut, aufblinken. Wie ja
Künstler absichtlich vergessen und als unorganisch im
den Auftrieb auch des Dramas Rede an Stellen getragenen Erlebens
ästhetischen Weltbild abgelehnt zu werden. Nen ist dies
tterfüße Schön= oder Erwägens in rhythmische Fülle überfließt und immer
aber gerode der wahre Typus des fast stets noch mi߬
g Biblisch und dann solche Wandlung kaum dem mit fortgerissenen Gefühl
verstandenen Naturalismus. Der nicht abbilden, sondern
iesen wahrhaftl auffällt, als ein Notwendines und Gewordenes. Kühn aber
umbilden, nicht zeigen, sondern gestalten will. Das
ählt wird, ohne ist dies Werk nicht nur in der Form, die an edler Reinheit dichterische Fluidum freilich bleibt ein Unfaßbares, aller
Werdens und der Linie würdig sein muß jener hohen Quelle, sondern im
Definition verschlossen. Und doch nur seine Magie allein
allem Anruf Geiste seiner Wahrheit. Denn es schreckt vor keiner psycho=trennt den konsequentesten Naturalismus des Dichters von
üht, so umreißtklogischen Enthüllung hochgestimmten Gefühls zurück und es
der Photographie die oft so täuschend nahe an der Kunst
getaucht in diel zeigt die Fluchbeladenheit des menschlichen Unwissens
vorbeigeführt wird.
rechten Tragik. hinter so manchem brokatenen Vorhang geschwellter stolzer
Es ist schon recht lange her, daß die Porten sozusagen
gibt oder ahnen Rhetorik. Zugleich aber ist es des Dichters reichstes Werl
auch in des geworden. Denn in ulle Richtungen des Weltenschicksals von Standes wegen gezwungen waren, sich einen edlen und
keuscher Lieb=lweist es nichts von dem allgemeinen Müssen und Dulden gezierter Gefühle vollen Helden zu wählen. Nicht so lange.
neden Wende=tiefdurchschütterter Epochen ist ihm fremd und es st. zt mach daß sie es sich allmählich erkämpften, diesen Helden statt
scheu aus, und und wissend in der Zeit. Es ist ein Buch der Verzweiflungsedel auch bloß interessant schnitzen zu dürsen. Artur