I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 94

Badearzt
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29. Doktor Graes
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ARD. 19:1
Die Neue Zeit, Stuttgart
#rtur Schnitzler. Doklor—Gräsler, Badearzt. Erzählung. Berlin 1917,
S. Fischer Verlag. Geheftet 3,50 Mark, gebunden 4,50 Mark.
Ein Berliner Arzt, schon weit über die Jugendjahre hinaus, der im Winter
auf den Kanarischen Inseln, im Sommer in einem kleinen Badeort Deutschlands
seine Praxis ausübt, versucht es nach dem geheimnisvollen Selbstmord seiner
Schwester, die in heimlichen Orgien, unverstanden von ihm, neben ihm hinwankte,
noch einmal mit dem Leben. Mit zwei Frauen, der ernsten Sabine, einer Kranken¬
pflegern. in der er schon die künftige Lebensgefahrtin sieht, und einem lebens¬
lustigen Berliner Ladenmädchen, das er auf der Straße angelt, spielt er, sich vom
Avgenblick schaukeln lassend, so lange, bis er beide verliert — die eine durch den
Tod und die andere durch seinen Leichtsinn. Das alles wird mit einer überlegenen
Ruhe erzählt und mit einer ounderbaren Seelenmalerei, wie sie nur Schnitzler
eigen, ganz in Stimmung gehsucht. Kein Wortder Beschuldigung oder Entschuldi¬
gung wird laut. Ein Stück Lehen, nichts weiter. Und ein Dichter, der es aufhebt.
Ist das nicht genug?
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Bresiauer Morgen Zeitung.
Neue Romane.
(Aus dem Verlage S. Fischer, Berlin W., Bülowstraße 90.)
Artburoktor Gräsler, Bade¬
irzt“.
Erzählung. (Preis 3 Mark.) Kühl, sachlich wie der
Titel, klingt der Ton dieser Erzählung. Der Herr Doktor Gräsler
st den Jahren nach kein Jüngling mehr, aber unschlüssig und un¬
beständ'g wie ein Jüngling in Liebesangelegenkeiten. Freilich die
stürmische Leidenschaftlichkeit des Jünglings fehlt ihm, vielmehr
fließen seine Handlungen und Unterlassungen aus dem Zweifel an
sich und an den Frauen, die ihm begegnen. So verscherzt er ein
erstes Glück, die Mögsichkeit eines zweiten wird ihm durch den
plätlichen Tod des bald geliebten bald gebaßten Mädchens ver¬
n freundlichen Hasen eine##
nichtet, endlich rettet er sich
Vernunstehe. Die Geschichte dieses seltsamen Don Juans von
Badrarzt und seiner „drei Frauen“ wird mit der überlegenen
1
Meisierschaft vorgetragen, die Schnitzlers Stärke ist, hier aber, zu
letzten Virtudsität entwickelt, beinahe die Nüchternheit streift. Alles?
Personen stehen, mit wenigen Strichen umrissen, in voller Lebendig¬
keit vor dem Leser. Aber sie haben wenig eigene Wesenszüge, sind
allzu ablängig von dem Gestaltungswillen Schnitzlers, den es dies¬
mal gereizt habi nur ironischer Betrachter, nicht ein
d## Leben mitempfindender Dichter sein zu wöllen.

27100191)
Deutsche Tageszeitung, Berlin
Erzählende Dichtung.
Arthur Schaltle=DuGrässer, Badearzt. Berlin,
S. Inscher.)
Arthur Schnitzler war für viele dereinst eine Hoffnung. Sein
„Anatol“ und seine Schlager=Mizzi aus der „Liebelei fanden auch
in Norddeutschland verwandte S##en: Mehlspeionaturen, die sich
selbst dekadent nannten und dabei sehr wichtig vorkamen. Ab¬
gesehen vom „Neigen“, der schlechtweg unter die sexuelle Schund¬
literatur fällt, ist Schnitler über eine Variation dieser beiden Ge¬
stalten in keinem seiner späteren Werke mehr so recht hinaus¬
gekommen. Auch in diesem neuen Buche ist das relativ beste die
Charakterisierung der Ladnerin Katharina, die eine getreue Kopie
besagter Mizzi Schlager ist. Die ernstere und reinere Sabine ver¬
mag er uns dagegen trotz offenbarer Mühe nicht näher zu bringen.
Den Badearzt Dr. Gräsler selbst schildert der medizinische Kollege
Schnitzler als nichtssagenden Halbtrottel, so daß man eigentlich
überhaupt nicht begreifen kann, wie er dazu gekommen sein mag,
diese Figur zum Mittelpunkt einer Erzählung zu machen. Der
Schluß des Buches fällt vollends ab und wirkt stellenweise gerabezu
unfreiwillig komisch. Man legt das Buch kopfschüttelnd aus der
Hand. Illusionen waren dabei ja freilich für unsereinen nicht mehr
Richard Dietrich.
zu verlieren.
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—.— —
Sctzian
Neue Badische Landes Zeitu#g
Mannheim
Ein Buch, wie nur er es schreden konnte, gibt
Asthur Schnitl#rin-seinem „Doktor Gräsler,
. Fischer Verlag, Berlin). Er nimmt
Bkdearzt“
irgend einen Durchschnittsmenschen und läßt ihn einen
Spmmer seines Lebens vor unseren Augen verbringen.
Gräsler stößt das Mädchen, das ihm Gefährtin werden
würde, mit der Tapvigkeit der älteren Junggesellenseele zu¬
rück, er sieht die andere sterben, die ihm ein paar Wochen
versüßte und heiratet dann die Witw; deren Töchterchen
er behandelt; im Grunde nicht wegen ihrer koletten Künste:
im Grunde, weil er nicht im Liebsaber= sondern im Väter
Alter steht. Diese Alltägeichkeit stellt Schnitzler vor einen
hin, und man erlebt in ihr den Kern aller Freude an den
Geschönfen dichterischr Phantasie: man sieht den ganzen
Menschen, in dem Wirken seiner innersten Kräfte, wie ein
Erdenkind das and##e niemals sehen kann.
r.
Iöpr.
Wiener Mode, Wien
Doktor Gräsler, Badearzt. Von Arthur Schnitzler. S. Fischer.
Verlag, Berlin. Geheftet Mark 3
—, gebunden Mark 4•—,
Vielleicht ist dieser Roman das menschlichste Werk Arthur
Schnitzlers. Wie eine Beichte ist dieses Buch, voll intensivsten
Empfindens, voll reifer Weisheit, voll dichterischer Anschauung
und zugleich von einer unendlich reizvollen Anmut. Der Dichter
erzählt uns darin die Geschichte des Dr. Gräsler, eines Badearztes,
der mit seinen achtundvierzig Jahren zu der plötzlichen Erkenntnis
eines nahenden Alters kommt und nun, nach einer Reihe ruhiger
und schuldloser Jahre, sich in einen Spätrausch von Abenteuer
und Liebe stürzt. Drei Frauengestalten sind es, die in neues Er¬
leben ihn verstricken, in das komplizierte und so weit verästelte
Erleben des reifen Mannes. Von Untreue zu Untreue geführt,
wird er an allen Dreien schuldig, bis ihn eine von ihnen durch
tragischen Tod erlöst. Niemals noch ist Arthur Schnitzler so aus
sich herausgegangen wie in diesem Buchr-das man im wahrer
Sinn des Wortes ein herbstliches-Büch, ein Buch der späte:
Resignation nennen kann.