I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 102

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Schnitzler seine künstlerischen Ziele verwirk¬
licht hat, wird niemand loskommen und
selbst der Nörgler wird die hinreißende
Liebenswürdigkeit, mit der hier wieder das
süße Mädel vom Manne Besitz ergreift, aufs
höchste bewundern.
Recht wenig weiß ich mit dem rhap¬
sodischen Gestammel Saoks anzufangen.
Ob aus dem nach viel bewegtem Leben, in
dem er zahllose „Schlachten in seinem
Hirne“ ausgefochten, zwischen Fleiß und
Nichtstun, Träumen und Denken hin= und
hergeschwankt, mit 31 Jahren gefallenen
Denker und Träumer ein wirklicher Ge¬
stalter geworden wäre, vermag ich nicht zu
sagen; was hier vorliegt, gehört zu den
„Wie ich es sehe“, „Garten der Erkenntnis“
usw., diesen impotenten, selbstgefälligen hoch¬
tönenden Spiegelungen eines Ich, das aus
unaufhörlicher Gärung nicht zur Klärung
sich emporzuheben vermag. Ein Konglome¬
rat von Aphorismen, Reflexionen, natur¬
wissenschaftlichen Beobachtungen verquickt
sich mit einer abstrusen Handlung, der in
den Liebesszenen widerliche Sinnlichkeit
nicht fehlt. Ekstasen folgt trockener Katzen¬
jammer, es fehlt an jeder Komposition, er
schwelgt in unverständlicher Symbolik, man
könnte das ganze Buch auch von hinten
nach vorne lesen, ohne es zu merken. Wie¬
der ein Produkt jenes literarischen Snobis¬
mus, dem es nie an Bewunderern fehlt, die
dann so gerne mit ihrer merkwürdigen In¬
dividualität paradieren, wie der Autor.
Wenn in seinem Nachlasse, den der Vor¬
redner herauszugeben verspricht, keine rei¬
feren Erzeugnisse zu finden, verzichten „wir
dankend.
Alexander v. Weiten.
Österreichische Kriegsziele.
Während im Deutschen Reiche, seitdem
die Erörterung der Kriegsziele freigegeben
worden ist, eine wahre Hochflut von Büchern
und Broschüren über den Büchermarkt
hereinbrach, gibt es verhältnismäßig wenig
literarische Erzeugnisse, die sich mit diesen
Fragen beschäftigen, soweit sie Österreich¬
Da ist nun kürzlich
Ungarn betreffen. —
eine kleine Schrift“ erschienen, die wohl
zu dem besten gehört, was über dieses
heikle Thema geschrieben werden konnte.
In klarer lichtvoller Darstellung wird den
Ententelügen von der inneren Zersetzung
Österreich=Ungarns, von den unter Fremd¬
herrschaft schmachtenden Nationen der Mon¬
archie entgegengetreten. Die Zerstücke¬
lung der Monarchie, an deren Stelle an der
mittleren und unteren Donau ein Wirrsal
* Österreichische Kriegsziele. Von einem deutsch=öster¬
reichischen Reichsratsabgeordneten. Verlag Wuß, Vern 1917.
einstie sinen Metndaeneuscsche
sind verborgene Existenzen aus der Nachtseite
des gesellschaftlichen Lebens, denen er mit dem
liebevollen Interesse des Raritätensammlers
nachspürt. Er sucht seine Gestalten in der
Gegend der Reichsbrücke, längs des Donau¬
ufers, in der Nähe der Frachtenbahnhöfe
und Kohlenrutschen der Nordbahn, bei den
— —änfern und Magazinen von Nu߬
—— stattele „Feldbucherei gegrundel . Allele
* Vom Schnitter und andern Von Gedeon Brandt.
Graz und Leipzig 1917, Leuschner und Lubenskys Uni¬
versitätsbuchhandlung.
* Blut und Eisen. Kriegsnovellen von Franz Taver
Kappus. Stuttgart 1917. Julius Hoffmann.
** Feldbücherei der k. u. k. zehnten Armee. Heraus¬
gegeben von Michelangelo Baron Zois und F. X. Zimmer¬
mann. Verlag der Karnisch=Julischen Kriegszeitung.
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von vielen eifersüchtigen, gegeneinander leicht
auszuspielenden Kleinstaaten treten würde,
möchte allerdings für England eine unver¬
gleichliche Gelegenheit sein, in Europa ein
zweites Indien einzurichten und mit Hilfe
dieser ohnmächtigen Kleinstaaten die euro¬
päischen Karten nach seinem Wunsche zu
mischen. Nicht ein kleineres, sondern ein
größeres Österreich wird die Tagesordnung
der europäischen Friedenskonferenz zu bilden
haben. Wenn Asquith in seiner Rede
vom 11. Oktober erklärte, daß es kein
aggressiver Akt sei, Serbien und Rumänien
ihre natürlichen Grenzen zurückzugeben,
denn es gebe keine häßlichere Brutstätte des
Krieges und seiner Ursachen, als das Vor¬
handensein von ihren Stammverwandten
abgetrennter, unzufriedener Nationalitäten,
so können ihm die Ausführungen entgegen¬
gehalten werden, die der Verfasser der Bro¬
schüre der südslawischen Frage widmet. Sie
muß in und mit der Donaumonarchie gelöst
werden, wofür auch alle geographischen
und wirtschaftlichen Voraussetzungen sprechen.
In der Monarchie hat Serbien seinen
unersetzlichen Markt, seinen alten Lieferanten,
das Meer, um seine wirtschaftliche Spann¬
kraft betätigen und erweitern zu können,
vor allem aber die ersehnte nationale Ein¬
heit. Von einer Eroberung könne man un¬
möglich in einem Falle sprechen, da drei
Zehntel eines Volkes zu den übrigen sieben
Zehnteln ihrer Stammesgenossen stoßen.
Wollen wir nicht die Schwierigkeiten und
Verzichte auf uns nehmen, die eine Ver¬
einigung mit uns und in der Donaumon¬
archie erfordert, dann werden wir der Ge¬
fahr ins Auge sehen müssen, eines Tages
die Vereinigung außerhalb unseres Neiches
und gegen dieses vollzogen zu sehen. Nicht
erobern, nicht annektieren, nicht eine Fremd¬
herrschaft wollen wir aufrichten, aber die
natürliche Aufgabe der Donaumonarchie
wollen wir erfüllen in dem ihr durch die
geänderten Verhältnisse vorgezeichneten Um¬
fang. — Gleichsam mit einem hohen Lied
auf die Mission Österreich=Ungarns schließt
der Autor der vortrefflichen Schrift, wenn
er sagt: „Der englische Schatzkanzler hat
uns jüngst das baufälligste Reich der Welt
genannt. Beweisen wir unseren Feinden,
daß wir das modernste Haus der Welt
sind, das alle Völker aufnehmen kann, ohne
ihnen zum Gefängnis zu werden, wir Deut¬
schen in Österreich aber werden den welt¬
geschichtlichen Ruhm haben, aus unserem
Geiste und aus unserer Kraft ein Staats¬
wesen neu aufgerichtet zu haben, das vor¬
bildlich für eine neue soziale und kulturelle
Dr. Doublier.
Epoche Europas ist.“