I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 113

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Badearzt
29. Doktor Grae
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Alfred Nathansky.
Vaters zu feinerer, dem Weiblichen zugewandter Sinnlichkeit destilliert ist, der
Geisthaindl, in dem die Naturfreude des Alten zu pantheistisch angehauchtem
Gottsuchertum geworden ist, und der Kampfhaindl, den die grundsätzliche
Unzufriedenheit des Oesterreichers zum politischen Streiter, freilich aber, wie
wir schon alle Individualisten sind, zum General ohne Truppen gemacht
hat. Zum Kämpfer auf innerpolitischem Gebiet natürlich. Denn wann
hätte der richtige Oesterreicher einen Sinn für Außenpolitik gehabt? Das
ist die Sache des Ministers für Aeußeres, der dafür bezahlt wird, wir aber
zerfleischen uns lieber in wert= und zwecklosen inneren Kämpfen, deren
geringfügige ideelle Ziele der Außenstehende kaum unter dem Mikroskop
wahrnimmt, die uns aber unser bestes Mark kosten, als daß wir nach
außen eine einige Front bildeten, und daran hat auch der Krieg nichts ge¬
ändert. Das macht, wir lieben nur unser persönliches Steckenpferd und
darüber hinaus höchstens unsere Sprach= und Parteigenossen — und das
ist in dem vielsprachigen und sozial, kulturell wie religiös zerklüfteten Oesterreich
immer noch extremer Individualismus — gewiß aber nicht den Racker von
Staat, zu dem sich niemand bekennt als die gerade im Amt befindliche Re¬
gierung, die dazu verpflichtet ist, und auch die nur mit der wohltemperierten
Lauheit, die man hierlands dem eigentlichen Beruf entgegenzubringen pflegt.
Denn bei uns schreiben Ministerpräsidenten Theaterstücke, Finanzmänner
Romane, Schauspieler bildhauern, Fabrikanten spielen Theater, mit Talent,
gewiß, aber jenseits des Hauptberufs, als Dilettanten. Darum sitzen auch
so viele Dichter warm in unseren Ministerien — ich verweise nur auf
Max Burckhard, Max Morold, Richard Schaukal und Tadeusz Rittner aus
jüngster Zeit — und man kann ohne weiteres, wie es wiederholt geschehen
ist, einen Ministerialbeamten zum Burgtheaterdirektor machen, darum ist auch,
wie man gerade an Bartsch sehen kann, straffe Konzentration und Kompositio:
nicht die Sache unserer Dichter; Gedanken und Gefühle überwuchern die
Handlung, das zweite noch mehr als das erste, das Zerfließende unseres
Wesens spricht sich in unserer Politik wie in unserer Kunst, in unserem
Geschäftsleben wie in unserer Journalistik aus. Unsere Frauen sind da
anders, auf ihr Gebiet beschränkter, aber eben darum lebenstüchtiger. Frau
Haindl senior und die Gattin des Lebehaindl gehen in Küche und Haus¬
halt auf, die Tochter Marilene altert in unbeachteter, aber klagloser Geschäftig¬
keit, ohne einen Blick für die tausend Ueberflüssigkeiten zu haben, die die
Welt der Männer bilden. Und die zweite Schwiegertochter, das reizende
Geschöpf für die Sinne, das allenthalben in unseren Landen gedeiht, wie
weit ist die warmherzige, lebfrische Frau von der kaltschnäuzigen Weltdame
anderer Großstädte entfernt! Um eine solche Egeria können sich, wie es in
den „Zwölf aus der Steiermark"*), dem bekanntesten Buch von Bartsch,
geschieht, gleich ein Dutzend ehrlich strebender Glücksucher anbetend gruppieren.
ohne daß man sie darum als Weiberknechte verachten darf. Die lockere
*) 1908, Leipzig, L. Staackmann.