29.
Badearzt
raes
box 4/9
oktor
GuslerSa
Alfred Nathansky.
196
des Individualismus wie in einem Brennpunkte einen, in die Ehre des
Hauptinteresses an dem selbst für Bartsch ungewöhnlich locker komponierten
Werk teilt. Schon in der Legende „Er. Ein Buch der Andacht"*) war
namentlich in dem Gespräch des Heilands mit dem alten Heidengott Pan
das mystische Verlangen nach einem dritten Reich, das auf der Schönheit
und dem Kreuz zugleich beruhen müßte, stark hervorgetreten und es ist wohl
kein Zufall, daß auch Ibsen „Kaiser und Galiläer“ im Süden schrieb, wo
solche Tendenzen in der Luft zu liegen scheinen. Nun sieht Bartsch in
diesem Naturevangelium die Panazee gegen den Wahnsinn des Krieges,
den der opferfreudige Patriotismus nur endlos fortrasen zu lassen vermag.
Den wenigen, aber ergreifenden Bildern löwenkühnen Ausharrens an der
Front stellt der Dichter die häßliche Verfolgungswut des Hinterlands gegen
jeden wirklich oder angeblich Andersdenkenden gegenüber, der Staatsbejahung
aus Pflichtgefühl einerseits die geist= und herzlose Massenvergiftung des
sich patriotisch geberdenden Hasses, andererseits die schrankenlose Negation
des Staates durch den trotzigen Hüter seiner Einzelrechte, der, sich und
anderen nichts nütze, konsequent in der Selbstvernichtung endet. Aus all
diesen Irr= und Wirrnissen sieht Bartsch mit den Urchristen und Tolstoj
nur einen Ausweg, die Liebe, die an allen Menschen ein Wohlgefallen
hat. Sie heilt den lebensbejahenden tollen Offizier, der in heldenmütiger
Aufopferung ein Bein verloren hat und nun nicht als Krüppel weiterleben
will, von der Fieberglut seines Todverlangens, sie befreit den nazarenischen
Schwärmer, der am eigenen Sohn bis zu dessen Todesstunde blind vor¬
übergegangen ist, von den Foltern seines Schuldbewußtseins, sie läutert
eine spielerische, kühle Mondäne zum segenspendenden, warmblütigen Weibe.
Es ist ein gutes und was jetzt beinahe mehr ist, ein tapferes Buch, das
Hauptmann Bartsch gegen Krieg und Haß, für Frieden und Liebe geschrieben
hat, und ein echt österreichisches dazu, in dem Mystik und Lebensfreude,
irdische und himmlische Liebe Hand in Hand gehen. Der auf den Schlacht¬
feldern mit Strömen Blutes erfochtene Sieg tut's nicht allein, predigt es,
nicht nach außen und nicht nach innen, um uns den Frieden zu geben,
dessen wir bedürfen, wenn wir ihn nicht in unseren Herzen tragen. Nur
von hier aus kann er seinen Triumphzug antreten über die von helden¬
mütigem Wahn verwüstete Erde. Diese höhere Idee zu fassen, ist aber der
Massenhaß, der in der Durchsetzung der Einzelstaaten und =Völker Selbst¬
zwecke sieht, ebenso unfähig wie der extreme Individualismus, der nur
Pflichten gegen sich kennen will. Hier ist einmal eine nicht bloß negative
Kritik des Staatsgeschehens — an der sind wir in Oesterreich überproduktiv —
sondern eine aufbauende und sie hat Anspruch darauf, gehört zu werden,
obwohl oder vielleicht weil sie auf keine Partei eingeschworen ist. Denn
in ihr ist die Seele des künftigen Oesterreich, an das der echte Oesterreicher
so schwer glaubt und so gerne glauben möchte.
*) 1915, Leipzig, L. Staackmann.
Die 3
An fünf Beispielen, dem #
dem Deutschböhmen Haas, dem
habe ich zu zeigen versucht, wie
ich glaube, der bekannte Spruch
Betrachtung seiner Heimat verträ
verstehen will, muß zu seinen
daß das Urteil der Dichter den
Männern. Empfänglichkeit für a
und reiche Begabung für künstl
nach Schillers bekannter Theorie
das namentlich vom Oesterreicher.
Steckenpferd tummeln statt des #
Eigenbrötler sich und seine klein
stellen, wenn's hoch kommt, die
als seine eigenen empfindet. Be
Volks= und Staatsnotwendigkeiten
Idee, in unaufhörlichem Kuhhand
im Tausch für die anderen abzu
gäbe, irgendwo jenseits der Einze
bekämpfen oder überlisten müßte.
mal die Beamten, die ihm dien
Dienst zu zerreißen. Daß diesen
alles so teuer als irgend möglich
tunlichst viel von dem hinterziehe,
des Einzelnen, höchstens des Ein
aller. Dann gut essen, gut trin
Weiberfleisch — das ist der Le#
diesen Sybariten die Peitsche der
haglichkeit, ihre Eitelkeit, ihr St
seitigen völkischen Wetteifer und
nicht geahnt haben, sie verrichten
Und laßt Frauen um sie sein,
Südens, nicht zu sehr beschwert
Sinnlichkeit, weichen Händen un
niemandem bange zu sein um un
richten es schließlich doch, wenn
und Schwächen. Daß wir sie he
hemmen, unsere Schuld, daß wir
eine Viertelstunde früher, die öste
Badearzt
raes
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oktor
GuslerSa
Alfred Nathansky.
196
des Individualismus wie in einem Brennpunkte einen, in die Ehre des
Hauptinteresses an dem selbst für Bartsch ungewöhnlich locker komponierten
Werk teilt. Schon in der Legende „Er. Ein Buch der Andacht"*) war
namentlich in dem Gespräch des Heilands mit dem alten Heidengott Pan
das mystische Verlangen nach einem dritten Reich, das auf der Schönheit
und dem Kreuz zugleich beruhen müßte, stark hervorgetreten und es ist wohl
kein Zufall, daß auch Ibsen „Kaiser und Galiläer“ im Süden schrieb, wo
solche Tendenzen in der Luft zu liegen scheinen. Nun sieht Bartsch in
diesem Naturevangelium die Panazee gegen den Wahnsinn des Krieges,
den der opferfreudige Patriotismus nur endlos fortrasen zu lassen vermag.
Den wenigen, aber ergreifenden Bildern löwenkühnen Ausharrens an der
Front stellt der Dichter die häßliche Verfolgungswut des Hinterlands gegen
jeden wirklich oder angeblich Andersdenkenden gegenüber, der Staatsbejahung
aus Pflichtgefühl einerseits die geist= und herzlose Massenvergiftung des
sich patriotisch geberdenden Hasses, andererseits die schrankenlose Negation
des Staates durch den trotzigen Hüter seiner Einzelrechte, der, sich und
anderen nichts nütze, konsequent in der Selbstvernichtung endet. Aus all
diesen Irr= und Wirrnissen sieht Bartsch mit den Urchristen und Tolstoj
nur einen Ausweg, die Liebe, die an allen Menschen ein Wohlgefallen
hat. Sie heilt den lebensbejahenden tollen Offizier, der in heldenmütiger
Aufopferung ein Bein verloren hat und nun nicht als Krüppel weiterleben
will, von der Fieberglut seines Todverlangens, sie befreit den nazarenischen
Schwärmer, der am eigenen Sohn bis zu dessen Todesstunde blind vor¬
übergegangen ist, von den Foltern seines Schuldbewußtseins, sie läutert
eine spielerische, kühle Mondäne zum segenspendenden, warmblütigen Weibe.
Es ist ein gutes und was jetzt beinahe mehr ist, ein tapferes Buch, das
Hauptmann Bartsch gegen Krieg und Haß, für Frieden und Liebe geschrieben
hat, und ein echt österreichisches dazu, in dem Mystik und Lebensfreude,
irdische und himmlische Liebe Hand in Hand gehen. Der auf den Schlacht¬
feldern mit Strömen Blutes erfochtene Sieg tut's nicht allein, predigt es,
nicht nach außen und nicht nach innen, um uns den Frieden zu geben,
dessen wir bedürfen, wenn wir ihn nicht in unseren Herzen tragen. Nur
von hier aus kann er seinen Triumphzug antreten über die von helden¬
mütigem Wahn verwüstete Erde. Diese höhere Idee zu fassen, ist aber der
Massenhaß, der in der Durchsetzung der Einzelstaaten und =Völker Selbst¬
zwecke sieht, ebenso unfähig wie der extreme Individualismus, der nur
Pflichten gegen sich kennen will. Hier ist einmal eine nicht bloß negative
Kritik des Staatsgeschehens — an der sind wir in Oesterreich überproduktiv —
sondern eine aufbauende und sie hat Anspruch darauf, gehört zu werden,
obwohl oder vielleicht weil sie auf keine Partei eingeschworen ist. Denn
in ihr ist die Seele des künftigen Oesterreich, an das der echte Oesterreicher
so schwer glaubt und so gerne glauben möchte.
*) 1915, Leipzig, L. Staackmann.
Die 3
An fünf Beispielen, dem #
dem Deutschböhmen Haas, dem
habe ich zu zeigen versucht, wie
ich glaube, der bekannte Spruch
Betrachtung seiner Heimat verträ
verstehen will, muß zu seinen
daß das Urteil der Dichter den
Männern. Empfänglichkeit für a
und reiche Begabung für künstl
nach Schillers bekannter Theorie
das namentlich vom Oesterreicher.
Steckenpferd tummeln statt des #
Eigenbrötler sich und seine klein
stellen, wenn's hoch kommt, die
als seine eigenen empfindet. Be
Volks= und Staatsnotwendigkeiten
Idee, in unaufhörlichem Kuhhand
im Tausch für die anderen abzu
gäbe, irgendwo jenseits der Einze
bekämpfen oder überlisten müßte.
mal die Beamten, die ihm dien
Dienst zu zerreißen. Daß diesen
alles so teuer als irgend möglich
tunlichst viel von dem hinterziehe,
des Einzelnen, höchstens des Ein
aller. Dann gut essen, gut trin
Weiberfleisch — das ist der Le#
diesen Sybariten die Peitsche der
haglichkeit, ihre Eitelkeit, ihr St
seitigen völkischen Wetteifer und
nicht geahnt haben, sie verrichten
Und laßt Frauen um sie sein,
Südens, nicht zu sehr beschwert
Sinnlichkeit, weichen Händen un
niemandem bange zu sein um un
richten es schließlich doch, wenn
und Schwächen. Daß wir sie he
hemmen, unsere Schuld, daß wir
eine Viertelstunde früher, die öste