I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 8

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28. Fraueate und asean
Aussehmie aus
vom:
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Bande, die über eine bisher eingehaltene Linie hinaus
zu deuten schienen. In der neuen Novelle: „Frau
Gefährliches Hiter.
Beate und ihr Sohn“ ist das Thema aus dem
AruinterFran Beate und ihr Sohn.“ Novelie.
Fließen der Zeit genommen, in der Art der Be¬
Jakob=Wassermann: „Der Mann von vierzig Jahren.“
handlung steht das Werk dicht neben „Leutnant Gustl“.
Ein kleiner Roman. Beide: S. Fischer=Berlin.
Das ist sicher kein Tadel, und es ist dabei noch festzu¬
stellen, daß ein Problem, viel schwerer, mit fast noch größerer
Das Thema vom „gefährlichen Alter“, das Karin!
Kunst gelöst ist, aber die Fragen, um das Ende aller Wege,
Michaelis durch ihr oberflächliches und geschmackarmes Buch
die in der „Hirtenflöte“ aufklangen, hört man nicht mehr.
in den Mund der Leute gebracht hat, bewegte, wie es sich ja
auch bei den bescheideneren und erfreulicheren Vorträgen der
Frau Beate in dem Alter, da die schöne Frau anfängt,
Dänin zeigte, eine große Menge über Sensation und Schlag¬
noch schön zu sein, lebt mit ihrem siebzehnjährigen Sohn die
wort hinaus ernstlich. Die merkwürdigen Erscheinungen,
Sommermonate in einer kleinen österreichischen Gebirgs¬
Stimmungen, Wünsche, die an der Lebensstation auftauchen,
sommerfrische. Ihr verstorbener Mann, ein großer Schau¬
von dee nun der Weg abwärts, jedenfalls abseits von vielen
spieler, hat sich dort ein Landhäuschen gebaut, in dem nun die
Genüssen des Körpers führt, haben — wenn man sich betroffen
Witwe schon ein paar Jahre hindurch Erinnerungen pflegt. In
— in überraschend viel Familien und
einmal danach umtut ¬
diesem Sommer nun weckt die letzte Reife in der Frau Stim¬
Kreisen Unheil angerichtet, von Unverträglichkeiten bis zu
mungen und Gefühle, die ihr seit dem Tode ihres Mannes
Katastrophen. Man hat nur bis zu dem bedenkenlosen Buch
fremd geblieben sind. Sie fühlt die begehrlichen Blicke der
und den bedachteren Vorträgen diese Kapitel (bis auf Fach¬
Männer uind fällt schließlich in ein Liebesabenteuer mit dem
kreise natürlich) mehr unter sich abgemacht, freilich oft ohne
zwanzigjährigen Freund ihres Sohnes, den sie über die eigenen
viel Verständnis und Liebe. Inwieweit der Zustand des
Wirren zu hüten vergißt. Mutter und Sohn finden sich erst
wieder, nachdem der Ekel ihnen jedes reine Lebensgefühl ver¬
„gefährlichen Alters“ eine besondere Zeiterscheinung ist, tut
dorben hat.
hier nichts zur Sache, das Schlagwort brachte ihn zu all¬
gemeinem Bewußtsein. Man kann sich vorstellen, daß
Die Szenen, da Frau Beate, aufgewühlt durch schmerzliche
Schnitzlers neue Novelle, die mit einem Maß von Feinheit,
Scham — sie muß von den frechen Jungmännerlippen als un¬
von dem Karin Michaelis nie etwas wissen wird, das Thema
freiwillige Lauscherin die Geschichte ihres Rausches hören —
behandelt, niemals diese Wirkung erzielt hätte.
zurück in ihr Leben blickt und zum erstenmal sieht, daß auch ihre
Schnitzler hat zu den schmerzlichen Kämpfen des Ueber¬
Ehe anders war als sie bisher glaubte, diese gesteigerten Be¬
kenntnisszenen sind Höhen Schnitzlerscher Kunst. Die Erkennt¬
gangsalters wohl ein tieferes Verhältnis von jeher gehabt. Er
nis aus dem „Paracelsus“ ist wieder in neuer Form um¬
hat jetzt in seiner Novelle: „Frau Beate und ihr Sohn“.
ihnen das dichterische Gewand gegeben, die sie aus der Polemikj schrieben:
und — der Medizin in die Kunst führen.
„Es fließen ineinander Traum und Wachen.“
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Bei dem Novellenbande, der zu Schnitzlers 50. Geburtstage
Wir wissen nichts von anderen, nichts von uns.“
herausgegeben wurde („Die Hirtenflöte“) konnte man zu der
Idee kommen, daß in der Zeichnung von Schnitzlers literari¬
In letzter Wendung gibt sich Frau Beate den Tod und
schem Gesicht sich doch noch hier und da ein Zug verändern, ver¬
tiefen, verschärfen würde. Es gab Ansätze, Stellen in demI nimmt den Sohn mit in die Fluten. In dem Abschiedskuß,
den die Mutter dem Sohn gibt, ist es Beate, als küßte sie in
dieser Stunde einen, „den sie nie gekannt hatte und der ihr
Gatte gewesen war, zum erstenmal“.
Man muß doch bei Wertung dieses Schlusses Hoffmann¬
thals Wendung in der Einleitung zum „Anatol“: „Böser Dinge
hübsche Formel“ so betonen, daß der Nachdruck auch staxk ge¬
nug auf „böser Dinge“ ruht.
i u enamn Mars,
Ausschnitt aus:
vom: 1GI 581 JIENER ABENDPOI
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Literarische Notizen.
(„Frau Beate und ihr Sohn.“ Von Artur
Schnitzler. Berlin, S. Fischer, 1913.) Alle Vorzüge
und alle Mängel der Schnitzlerschen Muse sind in dieser
Erzählung wie in einem Brennpunkte vereinigt. Eine
ungewöhnliche Gestaltungskraft läßt den Leser die
Schöpfungen des Dichters wie mit leiblichem Auge sehen
und ihre Schicksale miterleben. Menschen und Umwelt sinds
imit einer eindringlichen Kraft geschildert, die um so höhere
Anerkennung verdient, als die Sprache sich von jenen
Manieriertheiten fernehält, die im deutschen Schrifttum
unserer Tage so üppig wuchern. Gegenüber der künstlichen
Fieberhitze, gegenüber den Satzverrenkungen und uner¬
hörten Worrbildungen, die heute vielfach den Schein der
Eigenart und Genialität wecken sollen, wirkt Artur
Schnitzlers schlichte, fast keusch zu nennende Prosa wahrhaft
erquickend. Nicht dasselbe läßt sich von Lorwurf und Hand¬
lung der Novelle berichten. Wie immer, ibt Schnitzler auch
hier im Wahn, daß die Erotik fast die einzige Macht im
menschlichen Leben sei. Diese überragende Stellung des
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