I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 11

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28. Frau Beate und ihr Sohn
ann
bewahr.)
Presse, Wien
geht sie in den Tod, nun wieder ganz Mutter, ihr Kind
sie mit einem auflas, der niemals wieder pflücken wird:
htt.
bergend, mit sich nehmend, auf Armen tragend, im
und hat nicht Tod noch Leben je ganz begriffen.“
Sterben vor der Gefahr des Lebens beschützend
Es ist eine echt Schnitzlersche Betrachtung, die sich
uns hier erschließt, wie es auch durchaus der Atmosphäre
Schnitzlers.
Und wieder muß man der Gestalt des Dichters
früherer Gestalten des Dichters angemessen sch#it, daß
Aschenbach aus dem neuen Buche von Thomas Mann
Novelle von Arthur
Beate, aus den Schrecknissen eines so nahe reffenden
g. Berlin.)
gedenken, der stirbt, während der Knabe Tadzio vor seinen
Todesfalles ins Leben zurücktaumelnd, von ihrem schlim¬
Augen in die reinigende Flut der Lagune schreitet, hinaus¬
rs erinnert in mehr
men Schicksale verstrickt wird, das zuerst die Maske
deutend, voranschwebend ins Verheißungsvoll=Ungeheure.
Buch von Thomas
neuer Jugend und Liebe trägt und sich dabei selbst zum
Hier wie dort gibt es Schuld zu fühnen, und diese Schuld
sich gleich ihm eine
zweitenmal als Tod und Verderben entlarvt. Ihre aus¬
bedrückt den Leser, macht ihn unfrei, daß er nicht immer
mender Prosa, nur
schweifende Sehnsucht, ihr schuldiges Schwachwerden und
zu folgen vermag, hemmt ihn, legt sich ihm schwer auf die
Dialogstellen durch¬
Unterliegen scheint so einem plötzlich aufflackernden Lebens¬
so
Brust. Hier wie dort ist der Wert des Buches nicht
kt erzählt, sündhaft
hunger zu entspringen; sie fällt dem Tode anheim, da sie
sehr in der gefahrvollen Handlung, in der gewagten
enzen des künstlerisch
ihm zu entfliehen trachtet. Als das Furchtbarste aber, das
Fabel begründet, die erschreckt und beängstigt, ohne doch
eide Dichter, den
Beate zuerst kaum zu fassen vermag und das sie schließlich
zu bezwingen und zu überzeugen, sondern in der meister¬
en heimatlich nahen,
allzu leicht hinnimmt, erweist sich nicht
so sehr das
lichen Art des Vortrages. Wie in jeder richtigen Novelle
wohl gerade das
Schrecknis des Todes, sondern das bedrohlichere Schreck¬
kommt der Dramatiker und der Erzähler gleichermaßen
Forganges, der ganz
nis des neu und erstaunlich sich ihr offenbarenden Lebens.
zum Wort, kein unnötiges Beiwerk, kein Gestrüpp hemmt
nte, etwa in der
Eine alternde Frau — Baronin Fortunata
das ruhige Hinströmen der Prosa. Mit den wenigen, wie
um dann ganz
eine Abenteurerin, droht Beatens Sohne, ihrem Hugo,
zufällig eingeschobenen Dialogstellen, oft nur mit einem
sich auszulassen —.
gefährlich zu werden, droht des unmündigen Knaben
einzigen farbigen, charakteristischen Wort wird der öster¬
kiffen, in den er¬
erstes unsicher tastendes Liebeswerben sich zum
reichische Schauplatz der Begebenheit angedeutet, wie sich
erückt, mußte das
Spiel zu nützen. Beate stellt die Fremde;
das Salzkammergut
ganz
die sanfte Landschaft —
Gedachte schnellhin
drohend, zum Kampf bereit: ganz und gar besorgte
unauffällig als handelnde Person in die Erzählung mengt,.
im Bilde wandeln,
Mutter, die ihr Heiligstes verteidigt, zugleich empört und
der See zwischen Bäumen hervorschimmernd, die Badenden
genommen hätte,
auf das Tiefste in ihrer weiblichen Würde verletzt. Eine
erwartend, und dann von drohenden grauen Ufern um¬
Abstufungen und
Welt trennt sie von der verruchten Frau, unbegreislich
mauert, die Beatens brechender Blick noch einmal mißt,
zu lassen. Es wird
als die letzten Schatten der verlöschenden Welt. Rührend
llisch rot und dies
ihre sinnliche Neugieede.... Und dann fällt sie dieser
der Schicksale, die
auch ist die Vision der von ihrem eigenen Ge¬
Neugierde, diesem Sinnentaumel selbst zum Opfer, ver¬
gend, eindringlich,
wissen gemarterten Beate, die sich, von Stufe zu Stufe sinken,
gibt sich einem Kameraden ihres Sohnes — wie furcht¬
aus einer Umarmung in die andere taumeln sieht: ein
rüttelt uns nicht,
bar — sinkt in seine ungeschickt zärtliche Umarmung
Selbstgespräch, an jenes meisterhaft belauschte des Leut¬
lles gleitet kühl, in
gerade an dem Abend, da Hugo sich in Fortunatens
kein Teil an ihm
nants Gustl gemahnend, ganz eigenartig in seiner Technik.
Kammer stiehlt; doppelt sündig, ihrer geheiligten Mutter¬
steht außerhalb des
Ergreisend auch die Szene, da der junge Beratoner
schaft unwert, von qualvoller Seelenpein allsogleich ge¬
Es hat die Feier¬
Beatens Gatten, den berühmten Tragöden, nachahmt.
foltert, sich selbst verhaßt, von der verschuldeten Schmach
n der Künstler aus
„Klopfenden Herzens hörte Beate zuerst Hamlets Mono¬
gezeichnet, daß sie meint, jeder müsse das Entsetzen ihr
Fest und Wunder ist.
log „Sein oder Nichtsein“ in Ferdinands heroischem Ton¬
von der Stirne lesen. Und schon rühmt sich der unwürdige
ins Erstaunliche
fall durch die freie Sommerluft klingen, dann Verse aus
Knabe, an den sie ihre Gunst verlor, einem neu einge¬
de der Seele ent¬
dem Tasso, dann irgendwelche längst vergessene Worte
troffenen Freunde seines ersten Liebesabenteuers, über¬
aus einem längst vergessenen Stück; hörte das Auf¬
treibt wohl auch in der prahlerischen, ein wenig scham¬
ierzig Jahren, früh
dröhnen und Hinschmelzen jener heißgeliebten Stimme
losen Art ganz junger Menschen, und Frau Beate, die
isucht voll, an ihren
und trank sie geschlossenen Auges wie ein Wunder in sich
Lauscherin, muß erkennen, daß die Torheit einer zärt¬
vischen dieser frohen
ein, bis es plötzlich, noch immer wie mit Ferdinands
lichen Nacht nicht Traum geblieben ist, wie sie hoffte,
hinlebend. Ihr Gatte
Organ, aber jezt in seinem wohlbekannten Alltagston
sondern ins Wirkliche, laut mit Worten und Namen
kann es noch immer
hart an ihrem Ohr erklang: „Grüß Gott, Beate!“ Da
Bezeichnete trat, daß es keine Rettung und kein Ent¬
mer tot sein soll,
riß sie, tief erschrocken, die Augen auf, sah hart vor sich
rinnen mehr gibt vor den eigenen Anklagen,
o, als der königliche
ein frech verlegenes Gesicht, um dessen Lippen noch einen
vor dem furchtbaren Erkennen der eigenen Schuld.
ost hat sterben sehen.
vergehenden Zug, der gespenstisch an Ferdinands Lächeln
Nur
einen Wunsch, kaum eingestanden, birgt noch
es nicht zum Er¬
mahnte. ..“ Eine freche Maske quält die unglückliche
er¬
ihre tiefwunde Brust: Hugo darf nichts
n in blühender Zeit
Frau, sie selbst trägt eine Maske umgebunden, und alles,
fahren, ihr Sohn darf nicht das Schreckliche mit sich
icht, als drohe der¬
die Jugend und die Liebe, Leben und Sterben, alles
hinaus ins Leben nehmen. Aber auch er weiß es schon;
em selber gar nicht
wird ihr zur Maske, hinter der wir gleich Beaten eine
Fortunata, die Feindin, hat es ihm ins Ohr gezischelt, die
rklich, und man faßt
Wahrheit suchen, die uns befreie. Aber alles bleibt ein
Fremde, von der Beaten einst eine Welt trennte: nun
und die Zeit geht
Geheimnis, alles bleibt ferne, wie durch einen Schleier
ihresgleichen, eine Spießgesellin. Jetzt erst begreift Beate
im gleichen Bette,
sondern eben nur
gesehen, nicht eigentliches Erlebnis,
ganz klar, daß es kein Entrinnen gibt, nun erst sieht sie
kilte, trinkt aus dem¬
im Tode die endliche Befreiung, die Sühne, die große eine Aktstudie, ein künstlerischer Ausflug ins Erstaunliche,
en berührte, pflückt
Erdbeeren, wo man Reinigung und Läuterung. Gemeinsam mit ihrem Sohne in die Gefahr.