I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 63

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Dennoch ist ein Bedeutendes geleistet. Dir glauben diesem schlichten,
reinen, heiteren, gelassenen, harmlosen Unscheinbaren, daß er Baruch
Spinoza ist: ein stilles, geistliches, glanzloses Ticht geht von ihm aus.
Hinter Spinoza ist das Judentum aufgebaut, dem er entstammt, dem
er sich entfremdet, dem er entwächst: fanatisch, hassend bis zu Steini¬
gung und Meuchelmord an Abtrünnigen, wir hören die scharfsinnigen
Dispute der Schule, wir erblicken die Kiten, den fürchterlichen der Buße,
da der Neuige auf der Schwelle liegt und die Gemeinde über ihn hin¬
wegschreitet und den geheimnisvollen in den Nächten, wo Kabbi
Monteira die Kabbala lehrt. Und wir empfinden mit Spinoza, der vor
der Kälte und Finsternis dieser Riten flieht.
Das Buch ist reich an starken Situationen und an tiefen Worten,
die aus ihrer Luft klingen und in uns lange nachschallen: der Tod
der Mutter, die sterbend mit ohnmächtiger Geste Baruch dem Kabbi
anve#straut; der Herbstmorgen im Segelboot, da Jahuda von dem ge¬
liebten Zögling Baruch Abschied nimmt, um nach Brasilien zu gehen:
„Du mußt die Einsamkeit erlernen . .. solange ich in deiner Nähe bin,
ist das unmöglich“, wie die beiden dahinfahren und Feiertag haben
vor Schmerz, „hinter dem leicht geblähren Segel lümmelt der Alltag
bei dem Steuer und kaut Tabak“; wie Baruch, von den Seinen ver¬
lassen, vor seinem Bett kniet: „dann war es ihm, als höre er Ja¬
hudas sanfte Stimme: ich sehe dich rein wie die Flamme des Mlorgen¬
sterns', und diese Stimme brachte ihm den Schlaf“; wie der Sinnende
zuweilen unbewußt die Arme breitet und das neue Ufer grüßt, als
sähe er ein heiliges Land. Rolbenhepers Roman — ein Erstling — ist,
trotz mancher Mängel, die angedeutet wurden, ein starkes Buch; nicht
als Ganzes wird es uns dauerndes Wigentum, aber viele Situationen,
Gespräche und Worte werden Bestandteile unsrer geistigen Existenz.
Daß ein Märchenlicht über den Legenden seines „Wunderbaume““
liegt, dies ist das Bedeutsamste an dem neusten Buche w. Schmidt¬
bonns. Bine neue Ppoche der Phantasiedichtung beginnt, wie ich glaube:
Harlans, bis zu einem gewissen Grade auch Rolbenheyers Buch, ja sogar
Dartiern in Rellermanns Koman erweisen das. Hier nun sind alte
Überlieferungen wie die vom „Kuderknecht und den Zwergen“ oder
vom „Jungbrunnen“ fortgebildet, oder aber es sind, wirklich und wahr¬
haftig, neue Märlein und Mpthlein entstanden: ein Flieger erblickt eine
Luftfee, „eine Frau von niegesehener Schmalheit“ und von „gestreckter
Anmut aller Glieder“, „mit dünnen, seidnen, lichtblauen Haaren ganz
Fleischel & Co, Berlim (il 4.—).