I, Erzählende Schriften 27, Das Tagebuch der Redegonda, Seite 9

27. Das Tagebuch
der Redevonda
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Dr. Max Goleschmiet
Soro für Zeitungsausschnite
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3051
Basder. Nachsichten
Bacler d. 4, 1. 1925.
Arthur Schnitzler.
Vierter literarischer Vortragsabend
des Quodlibet.
Arthur Schnitzler ist nicht nur ein Meister der
Technik, dem der souverän gehandhabte Dialog Gelegen¬
heit zum virtuosen Spiel des Geistes gibt, er ist auch
ein Gestalter, der es versteht, in seine Welt hinein¬
zureißen und sein Publikum so in seinen Bann zu
schlagen, daß es am Schlusse da ist, wo er es offensicht¬
lich haben will: daß es nicht mehr weiß, ob das Leben
eine Remödie oder die „Komödie“ das Leben ist. In
seineta „Tagebuch det Redegonda“ bringt er es fertig,
die Phantasio zur Wirklichkeit zu machen, im Moment
aber, da sie zur Wirklichkeit wird, diese wieder in ihr
Gegenteil zu verkehren. Die Macht der Phantasie im
Guten und Posen, im eigenen Erleben und an andern
erproht — d## wäre der verbindende Grundklang, den
man etwa in den drei in sich geschlossenen Proben seines
Schaffens herausbören konnte, die er am Dienstag
Abend im #esrien literarischen Vortrags¬
abend des Qnodlibet vor einer den Saal bis auf
den letzten Platz füllenden Zuhörerschaft vortrug.
Seine Stärke ist der Dialog, deshalb kleidet er seine
Gesellschaftssatire, seine ironischen Lehren — dinn als
scharfblickender, die menschlichen Schwächen un bittlich
aufdeckender, aber auch verstehender Psychologe, er auch
Lehren, die man
ein wirklicher Dichter ist, erte##
nicht immer ernst zu nehmen braucht, die aber immer
zum Nachdenken anregen — gern in die Form des leiht¬
geschürzten Einakters. Und we findet er die große Welt
der Widersprüche, in der er sich so gern bewegt? In
den nie erschöpften Problemen, die die Beziehungen
zwischen Mann und Weib aufrollen, aber auch im Reich
des Mimen, wo, wie nirgends sonst, Phantasie und
Wirklichkeit oft unentwirrbar ineinanderspielen. Mit
Vorliebe läßt er das Problem ungelöst, manchmal wird
es auch durch eine schlaglichtartige Pointe erhellt, nie
aber von Grund auf geklärt. In der „großen Szene“
dem zweiten Stücke der „Komödie der Worte“: der große
Schauspieler hat seiner Frau eine Szene vorge.—lebt, die,
man muß es ihr glauben, ihr psychologisches Verstehen
in Ekel verwandelt — und doch, es ist nicht bloßes Mitleid,
wenn sie ihm am Schlusse trotzdem wieder folgt. Und
in der Tat, der Mensch war nicht schlecht, er hat nur selbst
geglaubt, was er sich und dem Andern vorgemimt hat.
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Seine Phantasie und sein Schauspielertalent sind größer
als sein Gewissen. Auch dem armen Rademacher, dem
Todeskandidaten im Schauspiel „Die letzten
schlägt die Phantasie ein Schnippchen — sei
die er sogar in einer Hauptprobe, vor einem
auf ihre Wirksamkeit geprüft hat, versagen
als es beginnt, Ernst zu werden. So
auf; andere mögen anderes herausg
Pointen nachgegangen, anderen G
sein. Das ist die realistische M
lers und wiederum seine Vielder
begrenzten Welt seiner Vorstellu
Kunst geistreichen Aufdiespitzetreibens
Widersprüche, die mehr ahnen, als erke
kühnen Mischens von Witz und Gefühl¬
ruhigen Hin und Her zwischen Ernft und
den Hörer von einer Stimmung in die andere
skunst
Die glänzende Vortrags= und Schattiern
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und die klare, scharf umrissene Dution Schnitzlers hoben
die Wirkung dieser geistreichen Sezierkunst ins Greif
r.
bare.
Gessase