I, Erzählende Schriften 27, Das Tagebuch der Redegonda, Seite 10

Tagebuch
Da
der Redegonde
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27. J. A
Seine Phantasie und sein Schauspielertalent sind größer
Arthur Schnitzler.
als sein Gewissen. Auch dem armen Rademacher, dem
Vierter literarischer Vortragsabend
Todeskandidaten im Schauspiel „Die letzten Masken“,
des Quodlibet.
schlägt die Phantasie ein Schnippchen — seine Vorsätze,
Arthur Schnitzler ist nicht nur ein Meister der
die er sogar in einer Hauptprobe, vor einem Schauspieler,
Technik, dem der souverän gehandhabte Dialog Gelegen¬
auf ihre Wirksamkeit geprüft hat, versagen ihm restlos,
en
als es beginnt, Ernst zu werden. So faßt es der eine
heit zum virtuosen Spiel des Geistes gibt, er ist auch
auf; andere mögen anderes herausgehört haben, anderen
ein Gestalter, der es versteht, in seine Welt hinein¬
Pointen nachgegangen, anderen Gedankengängen c
zureißen und sein Publikum so in seinen Bann zu
folgt
sein. Das ist die realistische Mannigfaltigkeit Schnitz
schlagen, daß es am Schlusse da ist, wo er es offensicht¬
lich haben will: daß es nicht mehr weiß, ob das Leben lers und wiederum seine Vieldeutigkeit in der sonst scharf
eine Kemödie oder die „Komödie“, das Leben ist. In
begrenzten Welt seiner Vorstellungen. Das ist seine
seinem „Tagebuch der Redegonda“ bringt er es fertig,
Kunst geistreichen Aufdiespitzetreibens psychologischer
#.
Widerspruche, die mehr ahnen, als erkennen läßt, des
die Phantasie zur Wirklichkeit zu machen, im Moment
kühnen Mischens von Witz und Gefühl und eines un¬
aber, da sie zur Wirklichkeit wird, diese wieder in ihr
Gegenteil zu verkehren. Die Mucht der Phantasie im
ruhigen Hin und Her zwischen Ernst und Ironie, das
Guten und Bösen, im eigenen Erleben und an andern
den Hörer von einer Stimmung in die andere wirft.
erprobt — das wäre der verbindende Grundklang, den
Die glänzende Vortrags= und Schattierungskunft
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man etwa in den drei in sich geschlossenen Proben seines
und die klare, scharf umrissene Diktion Schnitzkers hoben

Schaffens heraushören konnte, die er am Dienstag
die Wirkung dieser geistreichen Sezierkunst ins Greif¬
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bare.
Abend im vierten literarischen Vortrags¬
abend des Quodlibet vor einer den Saal bis auf
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den letzten Platz füllenden Zuhörerschaft vortrug.
Seine Stärke ist der Dialog, deshalb kleidet er seine

Gesellschaftssatire, seine ironischen Lehren — denn als
scharfblickender, die menschlichen Schwächen unerbittlich

aufdeckender, aber auch verstehender Psychologe, der auch
ein wirklicher Dichter ist, erteilt er Lehren, die man
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nicht emmer ernst zu nehmen braucht, die aber immer
zum Nachdenken anregen — gern in die Form des leicht

geschürzten Einakters. Und wo findet er die große Welt
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der Widersprüche, in der er sich so gern bewegt? In
en nie erschöpften Problemen, die die Beziehungen
zwischen Mann und Weib aufrollen, aber auch im Reich
des Mimen, wo, wie nirgends sonst, Phantasie u
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Wirklichkeit oft unentwirrbar ineinanderspielen. Mit
Vorliebe läßt er das Problem ungelöst, manchmal wird
es auch durch eine schlaglichtartige Pointe erhellt, nie

aber von Grund auf geklärt. In der „großen Szene“,
dem zweiten Stücke der „Komödie der Worte“: der große
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Schauspieler hat seiner Frau eine Szene vorge—lebt, die,
man muß es ihr glauben, ihr psychologisches Verstehen
in Ekel verwandelt — und doch, es ist nicht bloßes Mitleid,
wenn sie ihm am Schlusse trotzdem wieder folgt. Und
in der Tat, der Mensch war nicht schlecht, er hat nur selbst:
geglaubt, was er sich und dem Andern vorgemimt hat.!5