I, Erzählende Schriften 27, Das Tagebuch der Redegonda, Seite 42

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27. Das
Die Abtissin stand in ihrer Mitte, wie aus dem Dämmer hervor¬
getaucht. Stumm begrüßte sie die Gäste: mit einem über alle Maßen
gütigen Neigen des verhüllten Hauptes nahm sie Casanovas Dank für
den auch ihm gewährten Einlaß entgegen; Marcolina aber, die ihr die
Hand küssen wollte, schloß sie in die Arme. Dann lud sie alle durch
eine Handbewegung ein, ihr zu folgen, und führte sie durch einen
kleinen Nebenraum in einen Gang, der im Viereck rings um einen
blühenden Garten lief. Im Gegensatz zu jenem äußeren verwilderten
schien er mit besondrer Sorgfalt gepflegt, und die vielen reichen sonn¬
beglänzten Beete spielten in wundersamen aufgeglühten und ver¬
klingenden Farben. Den heißen, fast betäubenden Düften aber, die
den Blütenkelchen entströmten, schien ein ganz besonders geheimnis¬
voller beigemischt, für den Casanova in seiner Erinnerung keinen Ver¬
gleich zu finden wußte. Doch wie er eben zu Marcolina hiervon ein
Wort sagen wollte, merkte er, daß dieser geheimnisvolle, herz- und
sinnerregende Duft von ihr selber ausging, die den Schal, den sie bisher
über den Schultern getragen, über den Arm gelegt hatte, so daß aus
dem Ausschnitt ihrer nun loser gewordenen Gewandung aufsteigend der
Duft ihres Leibes sich dem der hunderttausend Blumen wie ein von
Natur verwandter und doch eigentümlicher beigesellte. Die Abtissin,
immer stumm, führte die Besucher zwischen den Beeten auf schmalen,
vielfach gewundenen Wegen, wie durch ein zierliches Labyrinth hin und
her; in der Leichtigkeit und Raschheit ihres Gangs war die Freude zu
merken, die sie selbst daran empfand, den andern die bunte Pracht
ihres Gartens zu weisen; — und als hätte sie’s drauf angelegt, sie
schwindlig zu machen, wie die Führerin eines heiteren Reigentanzes,
schritt sie, immer eiliger, ihnen voran. Plötzlich aber — Casanova war
es zumute, als wachte er aus einem wirren Traume auf — fanden sie
sich alle im Sprechsaal wieder. Jenseits des Gitters schwebten dunkle
Gestalten; niemand hätte zu unterscheiden vermocht, ob es drei oder
fünf oder zwanzig verschleierte Frauen waren, die hinter den dicht¬
gestellten Stäben wie aufgescheuchte Geister hin und her irrten; und
nur Casanovas nachtscharfes Auge war imstande, in der tiefen Däm¬
merung überhaupt menschliche Umrisse zu erkennen. Die Abtissin
geleitete ihre Gäste zur Tür, gab ihnen stumm das Zeichen, daß sie
entlassen seien, und war spurlos verschwunden, ehe jene nur Zeit ge¬
funden hatten, ihr den schuldigen Dank auszusprechen. Plötzlich, als
sie eben den Saal verlassen wollten, erklang es aus der Gegend des
Gitters her von einer Frauenstimme —- (Casanovay — nichts als der
Name, doch mit einem Ausdruck, wie ihn Casanova noch niemals gehört
zu haben vermeinte. Ob eine Einstmalsgeliebte, — ch eine Niemals¬
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