I, Erzählende Schriften 27, Das Tagebuch der Redegonda, Seite 43

Das Tagebuch der Redegonda
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geschaute eben ein heiliges Gelübde gebrochen, um ein letztes, — oder
ein erstes Mal seinen Namen in die Luft zu hauchen; — ob darin die
Seligkeit eines unerwarteten Wiedersehens, der Schmerz um unwieder¬
bringlich Verlorenes oder die Klage gezittert, daß ein heißer Wunsch
aus fernen Tagen sich so spät und nutzlos erfüllte, — Casanova ver¬
mochte es nicht zu deuten; nur dies eine wußte er, daß sein Name, 8o
oft Zärtlichkeit ihn geflüstert, Leidenschaft ihn gestammelt, Glück ihn
gejubelt hatte, heute zum erstenmal mit dem vollen Klang der Liebe
an sein Herz gedrungen war. Doch eben darum schien jede weitere
Neugier ihm unlauter und sinnlos; — und hinter einem Geheimnis, das
er nimmer enträtseln sollte, schloß sich die Tür. Hätten nicht die andern
durch Blicke sich scheu und flüchtig zu verstehen gegeben, daß auch sie
den gleich wieder verhallten Ruf gehört, so hätte jeder für seinen Teil
an eine Sinnestäuschung glauben können; denn keiner sprach ein Wort,
während sie durch den Säulengang dem Tore zuschritten. Casanova
aber folgte als letzter, mit geneigtem Haupt, wie von einem großen
Abschied.
SCHONE BUCHER
Festschrift der Freien Vereinigung Gleichgesinnter, Luzern!)
Wer sich schon vergeblich den Kopf darüber zerbrochen hat, welche geheimnis¬
vollen Absichten der Name der Luzerner Gesellschaft verhülle, der lasse sich von
diesem Buch den Star stechen: die Freie Vereinigung Gleichgesinnter ist nicht mehr
und nicht weniger als die rastlos wirkende und treibende Kraft, der die einzige Stadt
der Urschweiz ein Vortragsleben von einer geradezu erstaunlichen Fülle, Fruchtbar¬
keit und Ordnung verdankt. Sie veranstaltet wissenschaftliche Vorträge und Vor¬
tragszyklen, läßt Dichter und Musiker für ihr Schaffen zeugen, schenkt dem Jubi¬
läumskalender die gebührende Aufmerksamkeit und kommt der elterlichen Er¬
ziehung durch einen ohne Entgelt zugänglichen ethischen Jugendunterricht zu Hilfe.
Daß auf solche Weise im Lauf der letzten zwei Jahrzehnte eine eigentliche kleine
Akademie entstanden ist, um die manche größere Stadt Luzern beneiden dürfte, ist
vor allem das Verdienst des Gründers und Leiters der Gesellschaft, des Forstinspek¬
tors F. X. Burri. In allen vier Zungen unseres Landes spricht diese ungewöhnliche
Festschrift; denn sie gibt der Statistik ihrer Leistungen als willkommene Würze eine
ansehnliche Reihe von Reden und Vorträgen im Wortlaut bei und gönnt die Hälfte
ihres Umfanges den prominentesten Mitarbeitern von nah und fern, die sich mit
Originalbeiträgen darstellender und schöpferischer Art einfinden. Das hellste Licht
empfängt die Tätigkeit der Gesellschaft vom Wort und Namen Carl Spittelers. Als
Höhepunkt ihres Lebens bezeichnet sie selbst die beiden Feiern zu Spittelers sieb¬
zigstem und fünfundsiebzigstem Geburtstag und seine Scherz und Ernst geistvoll
verwebende Gedächtnisrede auf den hundertjährigen Keller. Die sieben Reden und
Vorträge Spittelers, die hier größtenteils zum erstenmal gedruckt wurden, bilden
des gewichtigen Buches köstlichsten Gewinn.
M. Z.
1) Zürich, Rascher, 1923 (Bibliothek des Lesezirkels Nr. 9300)