I, Erzählende Schriften 27, Das Tagebuch der Redegonda, Seite 46

27.
Das Tagebuch der Redevonda
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Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
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BERLIN N 4
Freitag
Gemäß einer anderen Bestimmung des Urhebergesetzes großen
unterliegen geschlossene Aufführungen dramatischer Werke der währ
Räriatich Wraial Acltang. Eze¬
Tantiemenpflicht. Aber auch dies treffe hier naturgemäß nicht zu.
letzten.
Ja, die Ravag steht sogar auf dem Standpunkt, daß selbst die
bruchstückweise Aufführung von Bühnenwerken oder die Rezitation
eines ganzen Dramas durch einen einzigen Schauspieler im Gé
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Prinzip nicht tantiemenpflichtig sei, da es sich eben nicht um Der,
„geschlossene Aufführungen“ handle. Hier liege eben eine Lücke
Kunst Wisen - Leben
im Gesetz vor; die Ravag aber sei nicht in der Lage, Ver¬
pflichtungen auf sich zu nehmen, die zwar in Deutschland, aber
nicht bei uns im Gesetze begründet seien.
Rundfunk und Arheberrecht in Oesterreich
Demgegenüber teilt uns der Anwalt Dr. Artur Schnitzlers Waise
Von unserem ständigen Berichterstatter in Wien
mit: „Der Dichter führt seinen Streit mit der Ravag nicht im schw
* Wien, im November.
persönlichen Interesse, sondern in dem der gesamten Schriftsteller= nicht
Arthur Schnitzler hat von der Wiener „Ravag“, Radio¬
welt. Was ihm widerfahren ist, kann jedem anderen geschehen.
Verkehrs#eenschaft, ür Vorlesung einiger Novellen durch
Es gibt jedoch nur zu viele, die nicht die materiellen Mittel
der I
einen Burgschauspieler eine Vergütung von 300 Schilling ver¬
besitzen, sich zu wehren. Dadurch ist es möglich, daß die Meinung Juven
langt. Die „Ravag“ hat jede Entschädigung verweigert und dies
mit dem inweise auf das Urheberrechtsgesetz begründet, das
aufkommen konnte, man könne mit geistigem Eigentum frei schalten. Auffü
keinen Schutz der Verfasser gegen die kostenfreie Vorlesung be¬
Schnitzler hat es für seine sittliche Pflicht gehalten, hier ein= Salte
reits veröffentlichter Werke kennt. Schnitzler betrat nun den
zuspringen. Was die rechtliche Seite beirifft, vertreten wir den frage
gerichtlichen Klageweg. Zu welchem Ziele er damit gelangen
Standpunkt, daß die Radiowiedergabe sehr wohl eine „Verbreitung“ Weise
wird, darüber besteht kein Zweifel. Haben doch auch die Erben
im weitesten Sinne bedeutet, abgesehen davon aber ist sie auch spielen
des Dichters Rudolf Baumbach die „Ravag auf Entschä¬
digung geklagt, jedoch ohne Erfolg. Zwar die erste Instanz ver¬
eine „mechanische“, nämlich eine „elektromechanische“ Wiedergabe wiede
pflichtete das Rundfunk=Unternehmen zu einer angemessenen
durch die Empfangsapparate. Das unmittelbare Hören durch das bereite
Zahlung, die von der „Navag“ angerufene zweite Instanz aber
Publikum fehlt ganz, ein Radiovortrag kann daher gar nicht einem Einbe
hob diese Verpflichtung wieder auf und den gleichen Standpunkt
„öffentlichen Vortrag gleichgestellt werden.
nahm auch die dritte und letzte Instanz, der „Oberste Gerichts¬
Mani
hof“, ein, da auf den mündlichen Vortrag längst gedruter Werke
Am interessantesten ist, wie sich Artur Schnitzler selbst zu
die im österreichischen Urheberrechtsgesetze vorkommenden Be¬
einem unserer Mitarbeiter über diese Angelegenheit äußert: gegen.
griffe der Veröffentlichung und der Vervielfältigung eben nicht
„Während materielles Eigentum seit jeher als sakrosankt gilt, soll für di
anwendbar sind. Hier klafft eine Lücke im Gesetze, das zu einer
geistiges Eigentum merkwürdigerweise im Prinzip als vogelfrei der sei
Zeit entstanden ist, als man vom Rundfunk noch keine Ahnung
hatte. Der Einzelvortrag in einer Akademie oder an einem
besond
gelten und nur in gewissen Fällen insosern geschützt sein, als es
Rezitationsabend — den das Gesetz als unerheblich frei gibt —
wenig
das Gesetz ausdrücklich bestimmt. Steht die Ravag schon auf dem Wocht
ist doch ganz anders zu beurteilen als die heutige Verbreitung
Standpunkt, daß sie berechtigt sei. Werke ohne jede Verpflichtung schlag
durch den Rundfunk, die sich so glänzend bezahlt macht. Dieser
dem Autor gegenüber zu senden, so wäre es mindestens ein Gebot
Meinung gab auch eine Versammlung der Wiener Schriftsteller
der Höflichkeit, bei dem Autor anzufragen, ob ihm eine solche wie e
Ausdruck, an der Dr. Arthur Eloesser aus Berlin teilnahm.
Eloesser wies darauf hin, daß sich hier der Kampf wiederholt,
Vorlesung überhaupt erwünscht sei. Die Ravag hat ja die acht ?
den einst die Bühnendichter mit den Theatern, den die Schrift¬
Wahl zwischen tausenden Vortragsstücken. Es geht nicht an, einen
steller und Tonkünstler mit den Film= und den Grammophon¬
daß sie mit den Werken eines noch lebenden Autors imstat
Unternehmungen zu bestehen hatten, den auch die Elektrizitäts¬
umspringt wie mit herrenlosem Gut. Ohne einer gerichtlichen gesun
unternehmungen führen mußten, als eine gewisse Ratlosigkeit
Entscheidung vorzugreifen oder eine solche gar zu kritisieren, noch ganze¬
herrschte ob und wie sich der Begriff des Diebstahls auf die eigen¬
mächtige Aneignung elektrischen Stromes anwenden lasse. Die
ehe sie vorliegt, halte ich mich für verpflichtet, in aller Oeffent¬
Gesetzgeber können die technischen Erfindungen unseres Zeit¬
lichkeit meine persönliche Meinung dahin zu präzisieren, daß mir
aus di
alters weder vorausahnen noch in einer lückenlosen Begriffs¬
Vergehen gegen das geistige Eigentum, wenn sie auch bei der übers¬
bestimmung vorweg unterbringen. Im deutschen Reiche aber
vorläufigen Unvollkommenheit des Urheberrechts nicht immer als „bevr
ist die Sache mit dem Rundfunk schon geregelt. Dort werden
strafbar gelten, als nicht minder verurteilenswert erscheinen als für di
für alle gefunkten Vorträge aus den Werken geschätzter Schrift¬
steller Zahlungen geleistet. Dies forderte die stürmisch bewegte
solche gegen das materielle Eigentum. Es ist eine historische Tat= mußte
Versammlung auch für Oesterreich, Hierbei wurde eine Zu¬
sache, daß gerade die Schriftsteller sich ihre Rechte auf das aller= auf 2
schrift aus dem Unterrichtsministerium verlesen, wonach dieses
persönlichste, das unübertragbare, das geistige Eigentum nur nach
bei der bevorstehenden Neuregelung des Urheberrechtes nicht nur
schrittweise erwerben konnten. Es hat lange gedauert, bis die sagte
für die 50jährige Schutzfrist, sondern auch für den unbedingten
Schutz bei allen Arten von Verbreitung und Wiedergabe ein¬
Tantiemenpflicht der Theater anerkannt, bis dem unerlaubten wußte
treten werde. Eine wenig beneidenswerte Rolle spielte der
Nachdruck Einhalt getan wurde. Es ist natürlich, daß auf dem
Sache
verhältnismäßig neuen Gebiet des Radios heute noch
vielfache Unklarheit herrscht und ein
eigennützige: bei un
Be
Unternehmergeist dieses Stadium in wenig vornehmer Weise ohne
erschienene Vertreter der „Ravag“, Dr. Hans Rüchtern, der,
gegenüber den geistigen Arbeitern auszunützen versucht. Im vor= sarbe
von häufigen und heftigen Zwischenrufen unterbrochen, seinen
liegenden Falle handelt es sich nicht um meine Person, sondern es schwa.
Versuch einer Verteidigungsrede mit der Erklärung beendete,
steht zur Diskussion, ob der Schutz des geistigen Eigentums, an eine
daß es ihm selbst peinlich sei, als Schriftsteller gegen Schriftsteller
in 2
sich schon mangelhaft genug, überhaupt illusorisch werden soll.
auftreten zu müssen. Tags darauf ließ die „Ravag“ —
unter
dem Eindrucke der Versammlung — bereits verlautbaren, daß sie
Wie wir erfahren, hat die Ravag an den Inhaber eines ameri.
geneigt sei, die vorauszusehenden gesetzlichen Ansprüche der Ver¬
hiesigen Theaterverlages ein Schreiben gerichtet, in dem bemerkt dahn
fasser schon jetzt freiwillig zu erfüllen. So ist denn auch die
sacher,
wird, die Ravag sei mit Rücksicht auf die Klage Schnitzlers
baldige gütliche Beilegung des Streites mit Arthur Schnitzler zu
erwarten.
nicht in der Luge, weiter Werke von ihm im
Radio aufzuführen, auch nicht dramatische, bezüglich zur 9
soz
deren Tantiemenpflichtigkeit bekanntlich eine rechtliche Meinungs¬
meh.
verschiedenheit nicht besteht. Die Ravag hat damit also praktisch
zustan
den Boykott über Artur Schnitzler verhängt.
schon
Schal
Familiendrama in der