I, Erzählende Schriften 26, Der Mörder. Novelle, Seite 9

26. Der Moerder
Der neeider box 4/3
Bücher in der Wen geer
Kind in den Händen der Gläubigen in der Ruch
sehen hatte. Sie bildete sich daher ein, der Mann mit dem
Salons die Gewohnheit des langen und geistvollen einfahrt von einem Prell
Buche sei ein Priester, der Gebete lese, und in der Tat
Kausierens angenommen hatte, begann seine Reden hin¬
weinte. Und weil sie kein
sah der ehemalige Bankier mit seinem runden, bartlosen,
zustreuen, als wäre er noch im Park des Herrn Helvetius
an ihrem Daumen sauge
geröteten Gesicht mit der starken Unterlippe und in seinem
oder an der Tafel des Baron Holbach.
seinen Hunger, dann b
langen Ueberrock einem ehrwürdigen Geistlichen nicht so
Kopf zurück und begann
Die Guillotine hat ihr Gutes — zugegeben. Aber
unähnlich. Die Trikoteuse liebte die Geistlichen nicht. Sie
das Unrecht der Leute, die uns heute regieren, ist, daß
schwach, denn es hatte w
lebte in dem Wahn, daß es nichts Gutes bedeute, einem
weinten mehr Tränen, als
sie glauben, man werde alle Franzosen durch dieses
Priester zu begegnen, und daß man, um das Unheil zu Mittel tugendhaft machen. Ich halte nicht übermäßig auf haben schienen: das Kin
warf vor allem die folgenden Worte auf eines der bereit¬
zu bedeuten? Er würde
Neugier ihn an, und als gälte das Raunen und Summen
liegenden Blankette: „Keine Silbe von dir. Unbegreiflich.
im Lichte ihrer Augen,
ihm allein. Fröstelnde Angst kroch ihm über den Rücken,
war das Ungeheure nicht
Fassungslos. Bin übermorgen daheim. Wann kann ich
dann fiel ihm ein, daß er ein paar Gläser Champagner
dich sehen. Antworte sofort.“ Er setzte seine Adresse dazu
allzu geschwind hinunter gestürzt hatte, und war wieder
Es hielt ihn nicht l
und gab die Depesche mit bezahlter Rückantwort auf. Als
beruhigt. Er merkte mit Befriedigung, daß, während er
bis zum Abgang des Zu
er in die schon abendlich erleuchtete Halle trat, spürte er
über die Brüstung gebeugt gewesen, zwei geschminkte
mit überoffenen Lidern,
zwei Augen auf sich gerichtet; von einem Lehnstuhl her,
Weiber den Baron in eine Unterhaltung gezogen hatten,
zu sehen. Mittags fuhr er
eine Zeitung auf dem Knie, ernst, ohne sich zu erheben,
atmete auf, als wäre er einer Gefahr entronnen, erhob
die Scheiben stunden= un
grüßte ihn der Baron, von dem er auf dem Schiff nur
sich, nickte dem Gefährten wie ermutigend und zu dem
Landschaft; alles, was v
flüchtigen Abschied genommen hatte. Alfred zeigte sich von
Abenteuer glückwünschend zu, und bald ging er, allein,
Befürchtungen in ihm sich
der unverhofften Begegnung erfreut, glaubte sogar, es
durch Straßen, die er nie gesehen und niemals wieder
wohlgeübten Anspannung
wirklich zu sein, und machte dem Baron von seiner
sehen würde, irgend eine Melodie vor sich hinpfeifend und
und wenn er, um den M
Absicht Mitteilung, bis morgen hier zu bleiben. Der
im Gefühl, eine Traumstadt zu durchirren, in der kühlen
zu werden, ein Buch
Baron, der trotz seiner bleichen Wangen und seines fort¬
Nachtluft nach dem Hotel zurück.
zählte er, ohne zu lesen,
gesetzten Hüstelns behauptete, sich sehr wohl zu fühlen,
fünfhundert, tausend. Als
Als er des Morgens nach dumpfem, tiefem Schlaf
schlug während des Abendessens vor, gemeinsam eine
zehrende Sehnsucht alle
erwachte, mußte er sich erst besinnen, daß er nicht mehr
Singspielhalle aufzusuchen, und bemerkte, auf Alfreds
zu halten. Er schalt sich
auf dem Schiff dahinfuhr und daß der weiße Schimmer
Zögern hin, leise und mit gesenkten Wimpern, daß Trauer
Nachrichten und den Ton
dort nicht Elisens Morgenkleid, sondern einen Fenster¬
noch niemanden von den Toten auferweckt habe. Alfred
zu haben, und wußte
vorhang bedeutete. Mit einer ungeheuren Willens¬
lachte, erschrak über sein Lachen, glaubte seine Verlegen¬
Adele, als daß sie sich re
anstrengung wehrte er eine drohend aufsteigende Er¬
heit von dem Baron bemerkt und fühlte sofort, daß er
halten, als er. Aber sollt
innerung ab und klingelte. Zugleich mit dem Frühstück
nichts Klügeres tun konnte, als sich ihm anzuschließen.
doch erfahren haben, daß
brachte man ihm ein Telegramm. Er ließ es auf dem
Bald darauf saß er mit ihm in einer Loge, trank
o fühlte er sich in seiner
Tablett liegen, so lange sich der Kellner noch im Zimmer
Champagner, sah durch Rauch und Dunst bei den
Eifersucht und Erbitterun
aufhielt; und es war ihm, als verdiente diese Selbstüber¬
gemeinen Klängen eines schrillen Orchesters Gymnastiker
zugewinnen. Und so seh
windung irgendwie ihren Lohn. Kaum hatte sich die Tür
und Clowns ihre Künste und Späße treiben,
seine wachen Träume
wieder geschlossen, so öffnete er das Telegramm mit
hörte halbnackte Weiber freche Lieder singen und lenkte
Nacht die Melodie ihrer
zitternden Fingern, die Buchstaben schwammen zuerst vor
des schweigsamen Genossen Aufmerksamkeit wie
ihrer Gestalt und ihre
seinen Augen, plötzlich aber standen sie starr und riesen¬
unter einem wütenden Zwang auf wohlgeformte Beine
Kuß zu fühlen vermochte
groß: „Morgen Mittag 11 Uhr. Adele.“ Er rannte hin
und üppige Brüste, die sich auf der Bühne zur Schau
in Wirklichkeit von ihr
und her, lachte durch die Zähne und ließ sich von dem
stellten. Dann scherzte er mit einer Blumenverkäuferin,
gewesen.
knappen, kalten Ton der Aufforderung durchaus nicht
warf einer Tänzerin, die perführerisch ihre schwarzen
Er war daheim. Mi
anfrösteln. So war nun einmal ihre Art. Und wenn er
Locken schüttelte, eine gelbe Rose vor die Füße und
ihn seine Wohnung. Da
auch daheim nicht alles fände, wie er noch vor kurzem
lachte auf, als er die schmalen Lippen des Barons wie
gehofft hatte, ja selbst wenn ihm irgend welche unan= mundete ihm trefflich, und
in Bitternis und Ekel zucken sah. Später war ihm, als
hlickten aus dem Saal unten Hunderte mit böser genehme Eröffnungen bevorstünden, was hatte es weiter! Tagen, so wollte ihm sche