26. Der Moerder
# box 4/3
. einer Tor¬
geistvollen einfahrt von einem Prellstein zum andern. Ihr Kindchen
Reden hin¬
weinte. Und weil sie keine Milch mehr hatte, ließ sie es
n Helvetius
an ihrem Daumen saugen. So betrog sie einige Minuten
seinen Hunger, dann bog das arme Würmchen seinen
ben. Aber
Kopf zurück und begann zu schreien. Seine Schreie waren
i, ist, daß
schwach, denn es hatte oenig Krüfte; aber seine Augen
durch dieses weinten mehr Tränen, als in seinem Körperchen Platz zu
rmäßig auf haben schienen: das Kind war winzig klein, der Teint
HURRN
MANE
Mmik
1 Summen
zu bedeuten? Er würde ihr doch wieder gegenüberstehen,
en Rücken,
im Lichte ihrer Augen, im Duft ihres Atems, und so
hampagner
war das Ungeheure nicht vergebens getan.
war wieder
Es hielt ihn nicht länger im Hotel, die kurze Zeit
ährend er
bis zum Abgang des Zuges lief er in der Stadt umher,
geschminkte
mit überoffenen Lidern, aber ohne Menschen und Dinge
hatten,
zu sehen. Mittags fuhr er von Hamburg ab, starrte durch
erhob
die Scheiben stunden= und stundenlang auf die fliehende
L
dem
Landschaft; alles, was von Gedanken, Hoffnungen und
allen,
Befürchtungen in ihm sich regen wollte, mit der ganzen
als wieder
wohlgeübten Anspannung seines Willens niederzwingend;
leifend und
und wenn er, um den Mitreisenden nicht allzu auffällig
der kühlen
zu werden, ein Buch oder eine Zeitung vornahm, so
zählte er, ohne zu lesen, einmal über's andere bis hundert,
sem Schlaf
fünfhundert, tausend. Als es Nacht wurde, durchbrach die
nicht mehr
zehrende Sehnsucht alle seine Bemühungen, sich gefaßt
Schimmer
zu halten. Er schalt sich närrisch, das Ausbleiben der
n Fenster¬
Nachrichten und den Ton der letzten Depesche mißdeutet
Willens¬
zu haben, und wußte keinen anderen Vorwurf gegen
gende Er¬
Adele, als daß sie sich redlicher an die Abmachung
Frühstück
halten, als er. Aber sollte sie etwa auf irgend eine Weise
auf dem
doch erfahren haben, daß er mit einer Frau gereist war,
n Zimmer
so fühlte er sich in seiner Liebe stark genug, gegen alle
Selbstüber¬
Eifersucht und Erbitterung die Beleidigte „wieder zurück¬
die Tür
zugewinnen. Und so sehr hatte er sich zum Herrn über
amm mit
seine wachen Träume gesetzt, daß er in dieser endlosen
zuerst vor
Nacht die Melodie ihrer Stimme zu hören, die Umrisse
nd riesen¬
ihrer Gestalt und ihre Züge zu sehen, ja, daß er ihren
kannte hin
Kuß zu fühlen vermochte, so versengend süß, wie er ihm
von dem
in Wirklichkeit von ihren Lippen niemals beschieden
aus nicht
gewesen.
wenn er
Er war daheim. Mit freundlichem Behagen empfing
zor kurzem
ihn seine Wohnung. Das sorglich bereitete Frühstück
he unan¬
mundete ihm trefflich, und zum erstenmal wieder seit vielen
es weiter! Tagen, so wollte ihm scheinen, dachte er in völliger Ruhe
Die Bürgerin S#me dllachtene sech n
das Brot, als eine Frau in Trauerkleidung, weißhaarig,
mager, gebückt, daherkam.
ß’ nicht von diesem Brot, Julie. Es ist das Brot
des Ruchlosen. Es würde deinem Kinde Unglück bringen.“
Die junge Mutter hob die Augen auf und erkannte
eine Ci=devant, eine Witwe, die immer gut zu ihr
wesen war, Madame Desroches, die ganz nahe in der
Rue de Harlay wohnte.
jener andern, die, von irdischem Gram für alle Zeit erlöst,
im schweigenden Meere schlummerte. In irgend einem
Augenblicke war ihm, als könnte jene Stundenfolge von
der Landung in Neapel an bis zu Elisens Tod wohl auch
eine Einbildung seiner zerrütteten Nerven sein, und der
Ausgang wäre, wie ja die Aerzte vorausgesehen, ja pro¬
phezeit hatten, nur im gesetzmäßigen Verlaufe der Krank¬
heit geschehen. Ja, der Mann, der in einer sonn¬
beglänzten fremden Stadt tückisch von Arzt zu Arzt, von
Apotheker zu Apotheler geeilt und mit grausamem Vor¬
bedacht das tödliche Gift vorbereitet hatte, der Mann, der
die Geliebte, die er in Jenseits senden wollte, noch eine
Stunde vorher zu frevler Wonne in die Arme geschlossen,
schien ihm ein völlig anderer als der, der hier zwischen
traulichen Wänden in einer unveränderten, bürgerlich be¬
haglichen Umgebung seinen Thee trank; schien ihm einer,
der viel mehr war als er, einer, zu dem er selbst mit
schaudernder Bewunderung emporschauen müßte. Doch als
ihm später, da er aus dem Bade stieg, der Spiegel sein
schlankes, nacktes Bild zurückwarf und er sich plötzlich
bewußt ward, daß er es doch selber war, der das Unbe¬
greifliche getan, da sah er seine Augen in hartem Glanze
leuchten, fühlte sich würdiger als je, die wartende Braut
an sein Herz zu schließen und, höhnische Ueberlegenheit
auf den Lippen, ihrer Liebe so sicher und würdig wie nie
zuvor.
Zur bestimmten Stunde trat er in den gelben Salon,
den er vor einem Jahre fast am gleichen Tage zum
letztenmal verlassen hatte, und in der nächsten Minute
stand Adele vor ihm, unbefangen, als hätte sie am Tag
frei
vorher Abschied von ihm genommen, reichte ihm die
Ver
Hand und überließ sie ihm zu einem langen Kuß. Was
hält mich ab, sie zu umarmen? fragte er sich. Da hörte
wirk
er sie schon reden mit der dunklen Stimme, die er ja
heute Nacht erst im Traum vernommen, und es ward nicht
ihm bewußt, daß er selbst noch kein Wort gesprochen, daß gewe
Litt
Un
ber
spät
gen
Pas
lege
sten
er
get
Frei
# box 4/3
. einer Tor¬
geistvollen einfahrt von einem Prellstein zum andern. Ihr Kindchen
Reden hin¬
weinte. Und weil sie keine Milch mehr hatte, ließ sie es
n Helvetius
an ihrem Daumen saugen. So betrog sie einige Minuten
seinen Hunger, dann bog das arme Würmchen seinen
ben. Aber
Kopf zurück und begann zu schreien. Seine Schreie waren
i, ist, daß
schwach, denn es hatte oenig Krüfte; aber seine Augen
durch dieses weinten mehr Tränen, als in seinem Körperchen Platz zu
rmäßig auf haben schienen: das Kind war winzig klein, der Teint
HURRN
MANE
Mmik
1 Summen
zu bedeuten? Er würde ihr doch wieder gegenüberstehen,
en Rücken,
im Lichte ihrer Augen, im Duft ihres Atems, und so
hampagner
war das Ungeheure nicht vergebens getan.
war wieder
Es hielt ihn nicht länger im Hotel, die kurze Zeit
ährend er
bis zum Abgang des Zuges lief er in der Stadt umher,
geschminkte
mit überoffenen Lidern, aber ohne Menschen und Dinge
hatten,
zu sehen. Mittags fuhr er von Hamburg ab, starrte durch
erhob
die Scheiben stunden= und stundenlang auf die fliehende
L
dem
Landschaft; alles, was von Gedanken, Hoffnungen und
allen,
Befürchtungen in ihm sich regen wollte, mit der ganzen
als wieder
wohlgeübten Anspannung seines Willens niederzwingend;
leifend und
und wenn er, um den Mitreisenden nicht allzu auffällig
der kühlen
zu werden, ein Buch oder eine Zeitung vornahm, so
zählte er, ohne zu lesen, einmal über's andere bis hundert,
sem Schlaf
fünfhundert, tausend. Als es Nacht wurde, durchbrach die
nicht mehr
zehrende Sehnsucht alle seine Bemühungen, sich gefaßt
Schimmer
zu halten. Er schalt sich närrisch, das Ausbleiben der
n Fenster¬
Nachrichten und den Ton der letzten Depesche mißdeutet
Willens¬
zu haben, und wußte keinen anderen Vorwurf gegen
gende Er¬
Adele, als daß sie sich redlicher an die Abmachung
Frühstück
halten, als er. Aber sollte sie etwa auf irgend eine Weise
auf dem
doch erfahren haben, daß er mit einer Frau gereist war,
n Zimmer
so fühlte er sich in seiner Liebe stark genug, gegen alle
Selbstüber¬
Eifersucht und Erbitterung die Beleidigte „wieder zurück¬
die Tür
zugewinnen. Und so sehr hatte er sich zum Herrn über
amm mit
seine wachen Träume gesetzt, daß er in dieser endlosen
zuerst vor
Nacht die Melodie ihrer Stimme zu hören, die Umrisse
nd riesen¬
ihrer Gestalt und ihre Züge zu sehen, ja, daß er ihren
kannte hin
Kuß zu fühlen vermochte, so versengend süß, wie er ihm
von dem
in Wirklichkeit von ihren Lippen niemals beschieden
aus nicht
gewesen.
wenn er
Er war daheim. Mit freundlichem Behagen empfing
zor kurzem
ihn seine Wohnung. Das sorglich bereitete Frühstück
he unan¬
mundete ihm trefflich, und zum erstenmal wieder seit vielen
es weiter! Tagen, so wollte ihm scheinen, dachte er in völliger Ruhe
Die Bürgerin S#me dllachtene sech n
das Brot, als eine Frau in Trauerkleidung, weißhaarig,
mager, gebückt, daherkam.
ß’ nicht von diesem Brot, Julie. Es ist das Brot
des Ruchlosen. Es würde deinem Kinde Unglück bringen.“
Die junge Mutter hob die Augen auf und erkannte
eine Ci=devant, eine Witwe, die immer gut zu ihr
wesen war, Madame Desroches, die ganz nahe in der
Rue de Harlay wohnte.
jener andern, die, von irdischem Gram für alle Zeit erlöst,
im schweigenden Meere schlummerte. In irgend einem
Augenblicke war ihm, als könnte jene Stundenfolge von
der Landung in Neapel an bis zu Elisens Tod wohl auch
eine Einbildung seiner zerrütteten Nerven sein, und der
Ausgang wäre, wie ja die Aerzte vorausgesehen, ja pro¬
phezeit hatten, nur im gesetzmäßigen Verlaufe der Krank¬
heit geschehen. Ja, der Mann, der in einer sonn¬
beglänzten fremden Stadt tückisch von Arzt zu Arzt, von
Apotheker zu Apotheler geeilt und mit grausamem Vor¬
bedacht das tödliche Gift vorbereitet hatte, der Mann, der
die Geliebte, die er in Jenseits senden wollte, noch eine
Stunde vorher zu frevler Wonne in die Arme geschlossen,
schien ihm ein völlig anderer als der, der hier zwischen
traulichen Wänden in einer unveränderten, bürgerlich be¬
haglichen Umgebung seinen Thee trank; schien ihm einer,
der viel mehr war als er, einer, zu dem er selbst mit
schaudernder Bewunderung emporschauen müßte. Doch als
ihm später, da er aus dem Bade stieg, der Spiegel sein
schlankes, nacktes Bild zurückwarf und er sich plötzlich
bewußt ward, daß er es doch selber war, der das Unbe¬
greifliche getan, da sah er seine Augen in hartem Glanze
leuchten, fühlte sich würdiger als je, die wartende Braut
an sein Herz zu schließen und, höhnische Ueberlegenheit
auf den Lippen, ihrer Liebe so sicher und würdig wie nie
zuvor.
Zur bestimmten Stunde trat er in den gelben Salon,
den er vor einem Jahre fast am gleichen Tage zum
letztenmal verlassen hatte, und in der nächsten Minute
stand Adele vor ihm, unbefangen, als hätte sie am Tag
frei
vorher Abschied von ihm genommen, reichte ihm die
Ver
Hand und überließ sie ihm zu einem langen Kuß. Was
hält mich ab, sie zu umarmen? fragte er sich. Da hörte
wirk
er sie schon reden mit der dunklen Stimme, die er ja
heute Nacht erst im Traum vernommen, und es ward nicht
ihm bewußt, daß er selbst noch kein Wort gesprochen, daß gewe
Litt
Un
ber
spät
gen
Pas
lege
sten
er
get
Frei