I, Erzählende Schriften 26, Der Mörder. Novelle, Seite 14

26. Der Moerder
box 4/3
Wene et eneneeneneneeereteeneue.
Dr. Max Goldschmidt „
22 Bureau für
Zeitungsausschnitte
Berlin N. 24
Telephon III. 3081.
Ausschnitt aus
Bresdner Anzeiger, Dresden
E3 11. 1917
#ArthunSchuitzle#las orgestern zwei Dichtungen in
Frosa: Ein Morder und Lentnant Gustl. Wie es
nun einmal bei Schnitzler zu sein pflegt, ging es um das
unvermeidliche Liebeln und Sterbeln. Aus weichen wallen¬
ben Schleiern klang das alte Wienerische Lied von der
Schönheit des Lebens und von der stillen, heimlichen Angst
der Kreatur vor dem Tode. In der ersten Geschichte waltete
mehr die Melancholie, in der zweiten mehr die Ironie vor;
aus Stimmungswelten war die eine wie die andere Ge¬
schichte erwachsen. Die Personen, die uns vor Augen
standen, waren aus jener reichen, weltmännisch=eleganten,
anscheinend nur mit Liebe, fast nie mit Arbeit behafteten
Bildungsschicht entnommen, die wie geschaffen ist für die
Zwecke der Nevelle. Es ist so leicht, Novellen zu erleben,
wenn man von Wien nach dem Genfer See, dann nach dem
Engadin und endlich nach Ceylon und zurück nach Neapel
im Luxuszug und in der ersten Kajüte des Lloyddampfers
zeist, sich mit nichts, aber auch mit gar nichts anderem be¬
schäftigt als mit Liebe, Liebe, Liebe. Ein weicher, weiblich an¬
mutender, müder Hauch liegt über dieser Geschichte von dem
Mann, der auf der Fahrt von Neapel nach Tanger seine
Geliebte vergiftet, um den Weg zur Heirat mit einer!
anderen frei zu erhalten, die inzwischen sich mie einem
anderen verlobt hat. Die psychologische Nuance herrscht
vor, die elegante, schmeichlerische Beschönigung der entsetz¬
lichsten Eigensucht, die uns am Schluß auch noch glauben
machen möchte, daß sie aus Leidenschaftlichkeit gehandelt hat
Die zweite Geschichte: Lentnant Gustl, vielleicht Schnitzlers
bekannteste und ironiereichste Erzählung von dem Wiener
Leutnant, der im Gedränge von einem dicken Bäckermeister.
beleidigt wird und sich deshalb glaubt erschießen zu müssen,
bis eine ungeahnte Wendung ihm alle Sicherheit und
Lbensfrende wiedergibt, hat menschlich echtere Züge, ist
Richt so porfümiert, nicht so rettungslos verliebt in Luxus¬
spiel und Liebestand wie die erste. Doch sie ist zu lang, und
irthur Schnitzler gab durch seine Vortragsweise die Glücks¬
vendung zu frühzeitig preis. Die Geschichte ist reizvoller
u lesen als zu hören, es sei denn ein Künstler ersten
slanges. Im ganzen hatte man von Schnitzler den Ein¬
ruck, den Hofmannstal einmal von sich und damit auch von
en Jung=Wiener Dichtern gegeben hat: „Also spielen wir
Theater, — spielen unire eignen Stücke, — frühgereist und
art und traurig, — die Komödie unirer Seele, — unstee
Fühlens Heut und Gestern, — böser Dinge hübsche Hormel,
glatte Worte, hunte Bilder, — halbes, heimliches Emp¬
inden, — Agonien, Episoden.“ ... Eleganzohne starkes
zeben, Luxus ohne Sittlichkeit.
K.
Telephon 12.901.
„ODSEMVEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeilunge¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplats 4.
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in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genk, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minneapolls,
Hew-Vork, Parls, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.
Ausschnftt, A#
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Artyur Schnitzler das vorgestern zwei Dichtungen in
Prosa: Ein M#der und Lentnant Gustl. Wie es
nnn einmal bei Schnitzler zu sein pflegt, ging es um das
unvermeidliche Lieveln und Sterbeln. Aus weichen wallen¬
den Schleiern klang das alte Wienerische Lied von der
Schönheit des Lebens und von der stillen, heimlichen Angst
der Kreatur vor dem Tode. In der ersten Geschichte waltete
mehr die Melancholie, in der zu#en mehr die Ironie vor;
ne wie die andere Ge¬
aus Stimmungswelten war 5
uns vor Angen
schichte erwachsen. Die Person.
standen, waren aus jener reichen, weltmännisch=eleganten,
auscheinend nur mit Liebe, fast nie mit Arbeit behafteten
Bildungsschicht entnommen, die wie geschaffen ist für die
Zwecke der Novelle. Es ist so leicht, Novellen zu erleben,
wenn man von Wien nach dem Genfer See, dann nach dem
Engadin und endlich nach Ceylon und zurück nach Reapel
im Luxuszug und in der ersten Kajüte des Lloyddampfers
reist, sich mit nichts, aber auch mit gar nichts anderem be¬
schäftigt als mit Liebe, Liebe, Liebe. Ein weicher, weiblich an¬
mntender, müder Hauch liegt über dieser Geschichte von dem
Mann, der auf der Fahrt von Reapel nach Tanger seine
Geliebte vergiftet, um den Win zur Heirat mit einer
anderen frei zu erhalten, die inzwischen sich mit einem
anderen verlobt hat. Die psychologische Nuance herrscht
vor, die elegante, schmeichlerische Beschönigung der entsetz¬
lichsten Eigensucht, die uns am Schluß auch noch glauben
machen möchte, daß sie aus Leidenschaftlichkeit gehandelt hat.
Die zweite Geschichte: Lentnant Gustl, vielleicht Schnitzlers
bekannteste und ironiereichste Erzählung von dem Wiener
Lentnant, der im Gedränge von einem dicken Bäckermeister
beleidigt wird und sich deshalb glaubt erschießen zu müssen,
eine ungeahnte Wendung ihm alle Sicherheit und
Lebensfrende wiedergibt, hat menschlich echtere Züge, ist
nicht so varsümiert, nicht so rettungslos verliebt in Luxus¬
spiel und Liebestand wie die erste. Doch sie ist zu lang, und
Arthur Schnitzler gab durch seine Vortragsweise die Glücks¬
wendung zu fruhzeitig preis. Die Geschichte ist reizvoller
zu lesen als zu hören, gs sei denn ein Künstler ersten
Range Im ganzen hale man von Schnitzler den Ein¬
druck, en Hofmannstal einmal von sich und damit auch von
den Jung=Wiener Dichtern gegeben hat: „Also spielen wir
Theater, — spielen unfre eignen Stücke, — frühgereift und
zart und traurig, — die Komödie uusrer Seele, — uusres
Fühlens Heut und Gestern, — böser Dinge hübsche Formel,
glatte Worte, bunte Bilder, — halbes, heimliches Emp¬
finden, — Agonien, Episoden.“. .. Eleganz ohne starkes
F. K.
Leben, Luxus ohne Sittlichkeit.
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