I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 11

23. Der Ner ins Freie
Belneg ans Treie box 3/1
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—.— en verdrindem, sonnern 1 Diessiat ist es besonder. —
See kriegerische Aktionen Frankreichs nur in sie sind enge miteinander durch Verträge ver¬
preußischen Landtagswahlen, die Freisin
chanz geringem Maße unterstützen könnten, daß knüpft, die jedem von ihnen im gegebenen Falle den frühzeitigen Reichstagsschluß herbeigeführt Aber d
hatte. Als seien die Worte, die Sätze, die
lichkeit ablesen wie eine Melodie, kann sie wie
Aristok
Schilderungen, Vorgänge und Gespräche nicht
eine Melodie singen und spielen.
rühren
Femlleton. 300
auf dem Wege der Buchstaben zu mir „ekommen,
von de
Vielleicht hat sich Arthur Schnitzler noch in
sondern auf dem Klingen einer edlen, in ihrer
wieder
Schnitzlers Wiener Roman.
keinem anderen seiner Werke so völlig aufge¬
Stärke unb in ihrem Empfinden verhaltenen
dige, ü
schlossen wie in diesem. Ich sage „vielleicht“, denn
Seit die weißen Frühlingskerzen an den
Stimme. Das rührt gewiß nicht davon her, daß
Schwie
es ist möglich, daß ich irre, weil in diesem Augen¬
Kastanienbäumen erloschen sind, blühen die
ich den Dichter kenne, der dieses Buch gemacht
hindern
blick seine anderen Werke für mich unter dem
Akazien auf, und im Gesträuch schimmern die
hat; denn viele Menschen, die Bücher schreiben,
die das
frischen Eindruck dieses neuen, ein winig zurück¬
hellen Sterne des Jasmin. Wenn die Nach¬
sind mir persönlich bekannt, sind mir im Leben
will hic
stehen, und weil diese Perspektive am Ende
mittagsschatten über den Wipfeln liegen, fängt
manchmal nah und durch langen Umgang ver¬
Inhalt
manches täuschend verändert. Sicherlich aber ist
dieser alte Garten zu atmen an. Beinahe hörbar
traut. Aber bei vielon, wenn ich ihre Bücher
richten,
dieses Buch das Werk seiner Reife. Er ist bis
ist es, wie er atmes, wie vom Rasen der bitter¬
lese, ist es mir gar nicht gegenwärtig, wie sie
gen, al
in die Vierzig gekommen, ehe er es unternahm,
süße, kraftvolle Geruch der vielen kleinen, wilden
sprechen, oder ich höre eine fremde Stimme, oder
zu sehr
seinen Wiener Roman zu schreiben, ehe er alles,
Blumen, der Gräser und der lebendigen Erde
eine Stimme, die verstellt ist oder eine, die mit
diese D
was an Wiener Stimmung, an Wiener Wahr¬
emporsteigt, wie der Duft von den Zweigen und
angenommenem Tonfall zu deklamieren scheint,
führe i
heit. an Wiener Leben und Gestalten sein ge¬
aus den Gebüschen weht. Ganz oben in den
oder ich höre das Echo anderer, großer Stimmen
Schnitzl
worden ist, zusammenfaßte und ihm Form gab.
höchsten Aesten schlagen und pfeifen die Amseln.
hereindringen und sich einmengen, manchmal
und 78
Zum erstenmal spricht er hier von den Zuständen
Manchmal saust in wunderbaren Schwunglinien
höre ich auch nur meine eigene Stimme
nach
dieser Gegenwart, knüpft zum erstenmal mensch¬
der Flug einer Schwalbe durch den Raum; in
flüsternd in mir die gelesenen Worte aufheben
formten
liche Geschicke an die Begebenheiten des Tages,
überraschenden, beinah beglückenden Linien, die
und in mein Bewußtsein tragen; oder ich höre
Romen
spricht zum erstenmal über soziale und politische
sich wie ein lautloser Jubel in die Luft schreiben.
gar nichts, sondern sehe nur Lettern. Satzbilder,

ozialen
Fragen. Man weiß es vom Anfang her, von dem
Irgendwo in der Ferne spielt ein Leierkasten,
schwarze Zeilenreihen, Blatt für Blatt.
wirgend
funkelnden Anatol an bis zum wundervollen
irgendwo weit weg läuten die Glocken, irgendwo
Spur
Diese Stimme jedoch hört man, und es wird
Tiefsinn im „Einsamen Weg“ und im „Ruf des
klingt der gleichmäßig heitere Hufschlag
Liebe 9
sie jeder vernehmen, der dieses Buch liest. Auf
Lebens“, daß Arthur Schnitzler diese bei
trabender Pferde und leises Wagenrollen; und
politisch
den ersten Seiten ist sie noch nicht da. Aber dann
Künstlern keineswegs selbstverständliche, aber
von draußen her, von den ferner ab liegenden
sich lach
beginnt sie leise, wird tönender und tönender,
ungemein köstliche Mischung von poetischen und
Wiesen, die zum Kahlenberg sich hinan breiten,
freunde
wird zum Schluß anschwellend, beinahe eine
gedanklichen Kräften besitzt, daß er nicht bloß
könt das Rufen spielender Kinder.
verriete
Persönlichkeit für sich, und wenn man das Buch
als Dichter, sondern auch als Intellekt hohe
In der bewegten Stille einer solchen Stunde
ausgesp
zuklappt, ist es nicht, als halte man nur ein
Qualitäten besitzt. So wird es jeden Menschen,
las ich diesen Wiener Roman*) zu Ende. Dann
Mensche
Buch in den Händen, sondern als sei man mit
der geistig mit all den Problemen unserer öster¬
fiel die Abenddämmerung ringsum im Garten
allzu sch
einem lebendigen Menschen beisammen, als
reichischen Gegenwart beschäftigt ist, außer¬
nieder, dieses sanfte Dunkelwerden, dieses Hin¬
Ausnah
säße jemand dicht neben uns, der bisher ge¬
ordentlich reizen, einen Geist wie Schnitzler über
schwinden und Einschlummern eines Frühlings¬
beim p
sprochen hat, und der in der nächsten Sekunde
diese Dinge zu vernehmen. In diesem Buch ist
tages, darin so viel Trost mit so viel aufwühlen¬
wie w
vielleicht wieder fortfahren wird, zu sprechen.
an vielen, vielen durcheinandergewirbelten,
der Bangigkeit sich mengt. Und in diese linde
währen
So tief persönlich ist dieses Buch, so sehr ist es
wechselvoll gruppierten Gestalten der sonderbare
Dämmerung hinein sprach das Buch noch
herüber
durchwirkt und gefärbt vom Ich des Dichters,
Charakter unserer Wiener Gesellschaft ent¬
immerfort. Es war mir jetzt erst bewußt, daß
zwinker
von seiner Art, von seinem innersten Wesen, von
wickelt worden, die Fäden, die sich von einer
ich beim Lesen beständig eine Stimme gehört
seiner eigenen Menschlichkeit. Die Zeichen dieser
Nicht
Klasse zur anderen spinnen, sind gezeigt; dann,
„Der Wea ins Freie.“ Roman von Arthur Menschlichkeit stehen wie eine deutliche Noten= wie dies alles ineinander verschränkt ist und wie
lierung
Schnitzler. Berlin, S. Fischer Verlag.
schrift in diesem Buch: man kann diese Mensch= doch wieder alles auseinanderfällt. Wie die Rede da