I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 21

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ins Freie
23. Der Nez
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Freiherrn v. Wergenthin, der eigentlich eine Novelle irgend einer Stelle des Romanes, die auf die Handlung
gestorben ist, nachdem
ist.
Anna wird Georgs Geliebte und die Geschichte
keinen Bezug hät und sie doch erklärt, denn dieses schöne
Künstlerpassion hat,
bleibt — man kann das wirklich gar nicht anders sagen
und traurige Dichterwort erläutert den Sinn von Georgs
t verlassen hatte. So
nicht ohne Folgen. Der junge und etwas
und auch von Annas Schicksal.
Ein melancholischer
sich selber angewiesen,
egoistische Künstler denkt natürlich nicht daran,
Sinn: Künstlertum und bürgerliches Glück lissen sich
ser frühen Herbsttage,
Anna zu heiraten, obwohl er sie, was man so nennt,
nicht vereinen. Drum wähle, junger Künstler, wähle!
herrlichen Hauses, das
verführt hat. Er ist theoretisch vollkommen mit sich
rzenberggartens gelegen
Und wie immer du wählen magst, du wirst bedauern,
einig, alleinswas sind Theorien in einem solchen Falle?
gewählt zu haben .
dt seinen Blick hin¬
Während die Frucht im Leibe des geliebten Weibes reift,
nen veränderten Augen
Georg wird übrigens auch noch von einer anderen
dem Leben entgegen, reift er selber, Georg, in die Ehe
iher. Aber auch das
Frau geliebt, die heißt Else Ehrenberg, und das ist die
hinein oder, um im Sinne der Verheirateten zu sprechen,
jungen Mann; er läßt
andere Hälfte des Romans. Dem reinen Profil Annas
zur Ehe empor. Das ist nun meisterhaft dargestellt in
zu Hause, geht aus,
steht das dunklere und geistreichere der schönen Else
diesem Roman, dieses beinahe automatische Sich=Zusam¬
on anderen Bekannten
gegenüber, und zwischen beiden der Baron wie eine
menziehen des Netzes, in dem sich ein gutgearteter, wenn
z zwanglos, wie auf
Brück:, die diese beiden Hälften der Wiener Gesellschaft
auch leichtsinniger junger Mann gerade mit seinen besten
und seine Beziehungen
mit einander verbindet. Aber es gibt da wohl keine'
Eigenschaften so rettungslos verstrickt, daß es am Ende
uich bei Anna Rosner
Brücke, wenigstens nicht auf die Dauer, der junge Baron
für ihn kein Entrinnen mehr gibt, ja, daß er sich, was
ngslehrerin, für die er
geht ja zum Schluß nach Detmold.
Wichtiger ist,
noch viel mehr und alles sagen will, am Ende gar kein
der er gefällt; verläßt
daß er im Roman die Verbindung herstellt, denn nur
Georg bleibt scheinbar ganz
Entrinnen mehr wünscht.
id geht mit einem be¬
durch diese Ergänzung nach der anderen Seite hin, nach
So lernen wir
frei und ungebunden, er übernimmt keinerlei Ver¬
er.
der Ehrenberg'schen, wird die Novelle vom jungen Herrn
pflichtung, die über das Selbstverständliche hinausgeht,
gar den Wurstelprater,
v. Wergenthin das, was sie nach Absicht des Dichters
er wahrt sich sogar seine erotische Unabhängigkeit, küßt
Roman Platz finden
werden sollte: ein Wiener Roman. Else Ehrenberg, die
ifft man abermals Be¬
andere Frauen, und wird doch von Monat zu Monat
den Freiherrn liebt, aber auch andere, und die sich zum
Abend schließt in einem
mehr Ehemann — bis zür Niederkunft. Da aber tritt
Schluß, da er nach Detmold geht, par dépit mit einem
Was nicht
eparee

der Umschwung plötzlich ein, ein so überraschender und
eleganten jungen Herrn verlobt, weil er ihr gleichgiltig
schließlich spät nachts
dabei so abgkundtief motivierter Umschwung, wie ihn nur
ist und wie ein Engländer aussieht: Diese Else ist das
und dort in guter
das Leben selbst oder ein echter Dichter findet. Näm¬
typische Wiener Mädchen aus gutem Hause. Wobei „gut“,
nt. Das ist der In¬
lich, das Kind kommt töt zur Welt, und an dieser Fehl¬
wie ja immer in der zweiten Generation mit „reich“ identisch
meisterhaft geformten
geburt stirbt auch die Liebe, die diese beiden Menschen
ist. Die Noblesse des Ehrenbergschen Kreises steht außer
m ersten Kapitel von
mit einander verbunden hat. Das Band ist zerrissen
Zweifel und wird nur noch ab und zu durch die
eistreichen Verkürzung
und jedes von beiden kehrt in die eigene Welt zurück:
Jargonanwandlungen des alten Ehrenberg wie burch ein
Denn wenn der Frei¬
Anna in das Elternhaus Georg zu seinem Schreibtisch,
Gespenst gestört. Diesen Kreis nun schildert ins
nd Besuchen schließlich
zu seinen Noten, seinen Träumen. Er geht als Hof¬
Schnitzler mit souveräner Künstlerschaft. Es sind das die
so ahnen wir, bereits,
kapellmeister nach Detmold er findet den Weg ins Freie,
besten Partien dieses reichen Buches die in dem Ehren¬
komans tun wird, und
der ihn, den jungen Künstler, zum Ruhme führt. „Ich
bergschen Hause spielen, und Else, das kluge, das ach!
einen jeden von uns
glaube nicht, daß solche Wanderungen ins Freie sich ge¬
nur allzu kluge Mädchen, hat auch die künstlerisch am
Dera die Stüäßen
meinsam unternehmen lassen **.
it
schönsten drrchnebildete Figur. Sie
ungleich

steln entwine sich der dorthin kaufen ja nicht im Lände draußen, sondern in
interessanter als Anna ihre Rivalin. und wird infolges
man dee Helden des uns selbst.“ sagt, einmal der Schriftsteller Beermann an deiten auch schon in einem viel srüheren Stebium von

Georg verlassen. Wer weiß, ob er es nicht bedauern
wird, seinerzeit, in Detmold?...
Eine ganze Fülle von Figuren füllt den Hintergrund
des Buches, und manch ein bekanntes Gesicht winkt uns
da zu. Einige dieser Gestalten sind im Vorbeigehen
glänzend charakterisiert, so der alte Eißler, der das gesell¬
schaftliche Privileg hat, alle Frauen bei ihrem Vornamen
zu nennen, noch von früherer Zeit her.... Oder das
Fräulein Amy Reiter, die „einen schwarzen, aber sehr
vergnügten Hut“ trägt, wenn ihr wer vorgestellt wird,
immer ein paarmal nacheinander mit dem Kopfe nickt,
und mit einem Etuimacher verlobt war; oder Therese,
die Sozialdemokratin, die in den Parlamentsferien mit
frrate
einem Kavallerieojfizier von Adel nach Lugano fährt,
auf acht Tage, um die Aristokratie zu studieren.... Es
spielt auch die Politik in den Roman hinein, zum ersten¬
mal bei Schnitzler und Tages= und Zeitfragen werden
viel ernster und sachlicher durchbesprochen, als man es
dem Dichter des süßen Mädels, wie Schnitzler bis zum
Ekel genannt wurde und von Böswilligen noch immer
genannt wird, je zugetraut hätte. Schließlich fehlt auch
die Wiener Landschaft nicht; sie durfte in einem Wiener
Roman nicht fehlen, so wenig, wie das Kaffeehaus und
der Hausmeister, die gleichfalls ihren Platz in Anspruch
nahmen. Aus dem Dunst und Lärm der Stadt, aus
den Kämpfen der Handlung führen allenthalben lieblich
verschlungene Wege hinaus ins Gelände. Und es gibt
da stille, weiße Villen, tief ins Grün gebettet, und ein¬
same Bänke am Waldesrand, von denen aus man auf¬
atmend auf den gewundenen Pfad und das in
der Ferne träumende Wien hinunterblickt. Und das
ist auch die Stimmung dieses Wiener Romans:
Er
Ein Ausruhen, ein Zurückblicken.
ist von
einem Berufenen geschrieben worden: Von einem, der
durch unsere Stadt hindurch gegangen ist und dann
hinaus = ins Freie,
Raoul Auernheimer.