I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 23

Fr
Der We
ins
box 3/1
23. beanef un eie
Leschworen. Bei Schnitzler ist die Jungfernangst vor dem Kinde f.
werke scheinen willkürlich ver¬
gesprochen hat. Ein wortloses Bekenntnis, nur vom Zufall enthülltebenso radikal ausgemerzt wie die gesellschaftliche Kluft zwischen de
freiherrlichen Musiker und seiner kleinbürgerlichen Berufskollegin.
nn man bestimmte Kapitel mit
und gerade deshalb in seiner absichtslosen Innigkeit verklärt.
ebrauch herauslösen, ohne den
An solchen Eingebungen, wie sie sich nur einem Dichter vonsicht nur das liebende Mädchen, sondern auch ihre gesamte Umgebung
der Leser hier vorgehen. Ein
Arthur Schnitzlers Rang erschließen, ist der Roman reich. Sie abelnzst nach dem Ausdruck des Romans „zu völliger Unbefangenheit
die Liebesgeschichte in der Hand,
vor allem die Erzählung von der Geburt des Kindes. Alle billigengereist". Das leise Murren der Eltern verhallt schnell genug, und
enthin den „Weg ins Freie" fand.
Wirkungen werden verschmäht, denn auch hier wird Angst, Freude, ein alter Arzt wirkt mit seinen Bedenken geradezu auffallend. Eine
Gram vom Manne aus gesehen. Aber gerade ihm, der nur mit solche Freiheit in sexuellen Dingen klingt unseren Ohren noch wie Zu¬
schichte. Sie berichtet, wie ein
mist und eine Musiklehrerin aus
halbem Herzen teilnimmt, der seine Gedanken vor Zerstreuung hüten kunftsmusik, wie ein reiner, harmonischer Klang aus künftigen Welten.
ndet, sich verliert. Georgs Ge¬
muß, offenbart sich das große Alltagsmysterium, das Wunder des Aper indem Schnitzler mit den äußeren auch gleich die inneren
m Bannkreise des Philisteriums,
Werdens mit verdoppelter Gewalt. Wie ein Rausch packt ihn das Kämpfe beseitigt, läßt er eine Quelle versiegen, die in Wahrheit vom
„dumpfe Bewußtsein, dazustehen in der geschlossenen Kette, die von wechsel der Vorurteile, der ethischen Moden unberührt dahinfließt.
seinen Kreuzersorgen, seinen
selbst aber hat sich von den
Urahnen zu Urenkel ging, an beiden Händen gefaßt, mit teilzuhaben
Nicht wie ein Wiener Bürger¬
am allgemeinen Menschenlos.“
nerin verfügt sie selbstherrlich
Doch gerade die Teilnahme am allgemeinen Menschenlos ist für Annas arische Herkunft ist genau so verbürgt wie der Stamm¬
ammenhang mit der Familie
die Menschen der Schnitzlerschen Welt eine Sensation, die um ihrer haum ihres freiherrlichen Liebhabers, Ihr Bruder Josef, eine köst¬
angener Großmut dem Freunde
Seltenheit willen einen gewissen Kuriositätswert bedeutet. Auch im liche Nebenfigur, gehört sogar zu den Rekruten der Wiener Christlich=
spruch, als sie sich Mutter fühlt.
neuen Roman sind sie geblieben, was sie waren: kultivierte Genießer, sozialen. Das Schicksal des Paares ist also in jeder Beziehung vom
as Schicksal nur einen Atemzug
Rassenstreit, vom konfessionellen Kampfe unabhängig. Deshalb scheint!
die niemals geschmacklos werden, spöttische, blasierte Zuschauer
lichen Selbstbeherrschung unter¬
Schnitzler sein eigenes Kunstwerk zu zersprengen, wenn er gerade in
des Lebens. Sie haben sich viel zu sehr in der Gewalt, als daß
Der Enttäuschung, des Kummers.
diesen Liebesroman ein fremdes Element hineinträgt: die Diskussion
sie recht von Herzen lachen oder weinen könnten. Kein Gefühl ist
seinen Wunsch, um jeden Preis
der Judenfrage. Nur der persönliche Wunsch des Autors, sich in der
ihnen fremd, aber sie scheuen ängstlich vor jeder Hingabe zurück.
Aussprache von quälenden Problemen zu befreien, kann diese
berung, macht sie ihm den Rück¬
Sie spielen mit dem Gedanken von der Irrealität des Daseins. Aber
In in ihrer Schmerzenszeit seine
wenn sie von der Zwecklosigkeit, vom Zerfließen ihrer Existenz reden, Vermengung zweier Stilwelten erklären. Daher die befrem¬
dende Willkür, daß der Baron, daß seine Auserwählte einzig
Im jetzt, in mütterlicher Fürsorge
so scheinen sie das Leben so zu beurteilen wie Moltke die Utopie
und allein in jüdischen Kreisen verkehren, daß vor ihren
is Freie, zu seiner Bestimmung,
vom ewigen Frieden: ein Traum und nicht einmal ein schöner! Sie
kelt zu treiben“.
Ohren unaufhörlich häusliche Aussprachen über Israels geheimstes
konservieren im Grunde eine literarische Mode der Vergangenheit,
Weh stattfinden. Ein Wissender läßt alle Typen des modernen Juden¬
st diese Romanheldin eingehüllt.
die nur noch in Wien getragen wird: den Weltschmerz. Ihre
tums vorbeipassieren: vom Alter, das sich mit geheimer Ghetto¬
Befühlsausbruch ist ihr verwehrt.
Melancholie ist ohne Zweifel zart und liebenswert. Doch alle diese
Sehnsucht gegen jede Assimilation sträubt, zur weltmännischen Jugend,
lossen, und wie sie ohne Freundin
Männer und Frauen, die im Anfang zu bezaubern wissen, scheinen,
vom würdelosen Flüchtling zum trotzigen Zionisten. Lebemänner,
der Leser nicht in ihr Vertrauen
je länger unsere Bekanntschaft mit ihnen dauert, desto unaufhaltsamer
Künstler, Snobs im bunten Gemisch, Indifferente und Enttäuschte,
aber Georg sich als ein frischer,
ihre natürliche Blutwärme zu verlieren. Allmählich strömt ein
Verbitterte und Resignierte — sie alle haben verschiedene Ansichten,
protestiert Anna gegen jeden
kühles Frösteln von ihnen aus, man möchte sie in aller Höflichkeit am
verschiedene Interessen und doch nur ein Gesprächsthema: das Juden¬
stlerische Ziel des Romans heißt
Arm rütteln und fragen: hat nicht jemand von den Herrschaften zu¬
tum. Dem unbefangenen Leser muß es wie dem jungen Georg gehen,
gesehen. Der Frau bleibt das
fällig ein Herz bei sich?
dem diese zwecklosen Erörterungen gleich zu Anfang auf die Nerven
s Mysteriums. Ein Mona Lisa¬
Niemals zeigte Schnitzler den Wunsch, allen brutalen Krisen aus
fallen, ohne daß sein Autor ihn zu befreien vermag. Eine Fülle
Mund, und selbst ihr Herzens¬
prächtig formulierter Beobachtungen kann für die Eintönigkeit, für
figkeit, wie sich seelische Untiefen,
Sie leitet gleichsam eine neue Entwickelungsreihe des erotische
den unfreien Geist dieser Monologe und Dialoge nicht entschädigen.
sparsamer seine Geliebte ihrem
Problems ein. Ein Adliger verführt ein Bürgermäbchen und läßt si
Sie steigern die Achtung vor Arthur Schnitzlers Ehrlichkeit, sie lassen
nder wirkt es, wenn es sich ein¬
sitzen, so heißt, in plumper Realität ausgedrückt, das Thema. 3
eine Kraft des Schmerzes durchblicken, um die den Dichter alle seine
zene verbürgt diesen Eindruck:
Schillers Zeiten hätte der Standesunterschied im Vordergrund di
Gestalten beneiden könnten. Aber in ihrer Subjektivität wehren sie
ne Abschiedsgabe für Anna, auf Interesses gestanden. Bei Hebbel hätte die Weibesschande, die ze
es, von dem die Mutter niemals à malmende Wucht der sittlichen Konvention, die Tragik herar
sich förmlich gegen die Kunstform des Romans, dessen Li## #in sie ver¬
wirren, dessen Schwerpunkt sie verschieben. Sie können # shalb nur
willkommen geheißen werden, wenn sie wirklich Arthur Schnitzler
als Herzenserleichterung dienten, wenn sie eines Künstlers Seele zu
neuem, froherem Schaffen befreiten.