I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 28

23
0
Der We
ins Freie
box 3/1
n. n nenen e K. enenenenenensenenen
Wien, Montag
Neues wiener Tagblart.
15. Juni 1908.
See
25
D
S
88




Herarhele

Tundschau

1


eegerrae i esenurger Arn
die scheinbar erbittertsten Gegner, während die bösesten
Ein Wiener Bildungsroman.
Widegast Jring: Die
Worte hinüber= und herüberfliegen, einander mit den
Musik. Neu und vereinfacht darg
D Wez us Frei“ Roman von Actur Schnitzler. Berlm,
S. Fischers Verlag, 1908.
Augen zuzwinkerten: Es ist nicht so schlimm gemeint.“
Reinecke.
N
Strebertum und brutaler Materialismus in allen Lagern.
v. Pelet=Narbonne
Oft genug mußte cverwerfen lassen,
Derselbe Parlamentarier, der im Saale eine antisemitische
eines preußischen Korpsadjutant
daß er nichts### Geschichten zu erzählen verstehe.
Brandrede hält, drückt draußen, im Büfett dem jüdischen
zuge 1866. Wien, Karl Konegen.
Wie ein ewiger Jüngling, der mit seinen Weibergeschichten
Parlamentskollegen die Hand. In solch einer Zeit leiden
Pierre Bayle: Obszönit
nie fertig werden könne, ist er vielen erschienen. Nun hat
Charaktere, die die politische Komödie nicht mitmachen
Bearbeitet und zeitgemäß erweite
er die Bildungsgeschichte eines Jünglings in der Zeit
können, am meisten. Das endlose Gerede über Juden und
Wilmersdorf=Berlin, Willy Schif
seines Ueberganges zur reifen Männlichkeit erzählt, und
Antisemiten versetzt beschauliche Naturen in einen Zustand
Karl Kleiner: Aphoris¬
wenn man auch nicht schlankweg mit allem einverstanden
fortwährender Reizbarkeit, der sie zugrunde richten kann.
Literatur, Kunst und Musik.
sein kann, was dieser Roman bietet, so enthält er doch
In andern, härteren Köpfn aber entsteht ein ingrimmiger
Dr. M. Nietspe: Eine
so viell gute Gedanken, so viele schöne Bilder, so viele frisch
Trotz, der sie den rat alsten Parteien in die Arme
durch die böhmischen Bäder. Leit
und unmittelbar aus dem Leben heraus gegriffene Gestalten,
treibt ... Dieses sehr bemerkenswerte Stück Zeitpsychologie
Dr. Alois Heilinger:
daß man den „Weg ins Freie“ als seine wertvollste
bietet Schnitzler mit all der Kunst eindringlicher Seelen¬
recht. Kommentar zur Gewerbeo
Schöpfung auf erzählendem Gebiete bezeichnen muß.
analyse, die ihn auch sonst auszeichnet, und mit jener
Vollständig in ungefähr 24 Lie
Im Mittelpunkt des Romans steht der junge Baron
befangenheit und Tapferkeit im sittlichen Urteil, die
Wien, Manz.
Georg Wergenthin; ein netter Mann von ungefähr füns¬
an ihm schol kennen. Er steht wirklich über den
Emil Hofmann: Kleine
undzwanzig Jahren, aus guter Familie, wohlhabend, doch
+
Parteien. Seine Judengestalten — oft nur skizziert.—
Ein Wiederholungsbüchtun für
nicht reich. Von seinem hochgebildeten Vater, einem Ge¬
sind ganz meisterlich umrissen, die alten wie die jungen,
bildungen im Text. Wien, A. Pic
lehrten ohne Amt — er war Präsident der Botanischen
die Männer wie die Frauen und Mädchen, die reichen wie
Die Donau von
Gesellschaft — hat Georg eine sorgfältige Erziehung
die armen. Die allerschönste Gestalt aber dürfte die des
Schwarzen Meer. Wien,
erhalten. Sein älterer Bruder Felician widmet sich dem
alten Doktor Stauber sein, des Arztes, der dem Baron
priv. Donau=Dampfschiffahrts=G
diplomatischen Dienst, Georg hat Begabung für Musik.
Georg wegen Verführung der Anna Rosner in aller Höf¬
Mit einigen Liedern hat er schon gute Hoffnungen geweckt;
Broschür
lichkeit gründlich die Leviten liest. So einen Menschen
er spielt gut Klavier, komponiert ein Quintett, plant eine
Emil Pfülf, Oberst a. T
gezeichnet zu haben, ist an und für sich schon ein Zeichen
Oper und befindet sich zu der Zeit, da wir ihn kennen
Erweiterte Fassung eines in de¬
dichterischer Meisterschaft.
lernen, kurz nach dem Tode seines Vaters, in
einem
schaft in München gehaltenen V
Georg fühlt sich nämlich nicht verpflichtet, das
Zustande innerer Gärung. Er muß nun doch daran
Gmelin.
Mädchen zu heiraten, das er zur Mutter machte, obwohl er
denken, einen brotbringenden Beruf zu ergreifen, nicht
Dr. Ed. Fechtner: Joh
K.
sie liebt. Aber er liebt doch gleichzeitig auch andre Mädchen
bloß zu träumen und zu genießen, sondern auch zu
Erziehung“. Zweite Auflage. Wi
und ist ehescheu, weil er noch nicht ehereif ist. Die gute
arbeiten. Auch sein sittliches Wesen ist noch lange nicht
Dr. Viktor Naumann:
Anna ist aber im Gefühle ihrer Schuld zu stolz, Georg zu
gefestigt, er hat noch keine bestimmten Ueberzeugungen,
broschüre. Anmerkungen und A
einer Ehe zu zwingen, die er ihr nicht von vornherein und
er ist ein Werdender und Suchender. Seine Herkunft und
Wien, „Styria“.

ausdrücklich versprochen hat; im Taumel der Leidenschaft
liebenswürdige Persönlichkeit öffnen ihm alle Türer der
Dr. Max Lederer: Ame
hat sie sich bedenkenlos hingegeben und muß sich nun be¬
Gesellschaft, aber er bewegt sich mit Vorliebe in den
Wien, Manz.
scheiden, ihren natürlichsten und innigsten Wunsch, ge¬
Kreisen junger Schöngeister, Dichter, Schauspieler, Jour¬
Sanitätsrat Dr. Stille
heiratet zu werden, nur anzudeuten. Als das Kind tot zur
nalisten. Dadurch gerät er auch in jene jüdischen Familien,
München, Otto Gmelin.
Welt kommt, fühlt sich Georg vollends jeder Verpflichtung
denen diese jungen Leute vielfach angehören. Die
Dr. O.
Burwinkel:
enthoben, seine Geliebie zu heiraten, obwohl er inzwischen
Charakteristik dieser Jugend und solcher Familien füllt
München, Otto Gmelin.
auch eine auskömmliche Stellung als Kapellmeister an
die erste, größere Hälfte des Romans fast ausschließlich
Zeitschrif
einem kleinen deutschen Hoftheater gefunden hat. In
aus; die zweite Hälfte ist der breiten Schilderung des
seinem naiven Egoismus mutet er Anna sogar zu, die
Nord und Süd. Ein
Verhältnisses Georgs zur schönen Anna Rosner gewidmet,
Liebelei von neuem anzufangen. Sie aber ist stark genug,
32. Jahrgang, Heft 6. Breslau,
die er in diesen Kreisen kennen gelernt und in „interessante
auf das Vergnügen zu verzichten. Indes der Mann den
Umstände“ versetzt hat.
Zeitschrift für Ba
„Weg ins Freie gefunden hat, kehrt das Mädchen ge¬
schrift. 1. Jahrgang, Nr. 3.
Jene erste Hälfte nun ist der weitaus merkwürdigere
demütigt und enttäuscht ins Elternhaus zurück; vielleicht
dizinische Verlagsanstalt.
Teil des Romans, und es ist nicht einzusehen, warum
wird sie im wieder aufzunehmenden Beruf als Gesangs¬
Blätter für klinise
man darüber, wie es schon geschehen ist, mit diplomatischem
lehrerin oder Sprachlehrerin ihren Frieden finden.
und verwandte Heilmethoden.
Schweigen hinweggleiten soll. Charakteristisch für
Diesem Prozeß der inneren Loslösung seines Georg
gang, Nr. 5. Wien, Franz Deu
Schnitzler war immer seine Neigung, just von dorther seine
von der verführten Geliebten hat Schnitzler viel zu viel
Das Wetter. Monat#
Stoffe zu holen, wo es galt, herrschenden Vorurteilen
Raum gewidmet. Und damit berühren wir die künstlerische
kunde. 25. Jahrgang, 5. Heft. Be
oder auch Unsitten entgegenzutreten. Er ist keineswegs bloß
Schwäche seines Werkes. Es ist jetzt überhaupt im deutschen
Die Wahrheit über
Erotiker, sondern auch Satiriker. Seiner Zeit will er
Roman Mode geworden, die Gefühlsanalysen breit aus¬
schrift für vergleichende Koloni
immer einen Spiegel vorhalten. Von einem edlen Dichter
zuspinnen. Gustav Frenssen geht mit dem schlechten Bei¬
1908, Nr. 5. Brüssel, J. Lebsgue
in seinem Romane sagt er: „Ueber jene lügendumpfe Welt,
spiele voran, das die Anschwellung der Romane bei dünner
Illustrierte Oesten
in der erwachsene Menschen für reif, altgewordene für er¬
Handlung zu umfänglichen Büchern zur Folge hat. Die
zeitung. Blätter für Touris
fahren und Leute, die sich gegen kein geschriebenes Gesetz
glänzende Sprache allein lann über diese unkünstlerische
Sport. Monatsschrift. 8. Jahr
vergingen, als ehrlich, in der Freiheitsliebe, Humanität
Praxis nicht hinweghelfen; man hat Mühe, sich durch
Illustrierte Oesterreichische Alpenz
und Patriotismus schlechtweg als Tugenden galten, auch
solche Bücher hindurchzulesen. Auch Schnitzlers gewiß
Oesterreichische
wenn sie dem faulen Boden der Gedankenlosigkeit oder der
gestalten= und handlungsreiches Buch hätte nur gewonnen,
Modenzeitung. Wochenschr
Feigheit entsproßt waren, hatte Nürnberger grimmige
wenn ihm nicht der Stil Frenssens, sondern die wort¬
Lichter angezündet.“ Dies gilt auch wohl von Schnitzlers
Heft 38. Wien, W. Vobach u. Co.
karge Form Maupassants vorbildlich gewesen wäre.
eigenen Dichtungen; nur waren die Lichter, die er an¬
Nur eines möchten wir in seinem Buche nicht vermissen:
gezündet, nicht immer „grimmig“. Sein Pathos — nach
21. Jahrgang, 18. Heft. Wien, W
die vielen Bilder von Wien im inneren Straßengewirre
Ibsens Vorbild das Pathos der Entrüstung — hat er
St. Hubertus.
Ju
und in den gartenreichen Vororten. Es gibt kaum
doch im Ausdruck gedämpft, mit Ironie, mit Humor, mit
Wochenschrift. 26. Jahrgang,
ein schönes Plätzchen in Wien, das Schnitzler nicht, und
Sarkasmus. Mit diesem Pathos in allen Abstufungen hat
Wien, St. Hubertus.
wäre es nur in wenigen Zeilen, poetisch festgehalten hätte.
er auch den vorliegenden Roman geschrieben, und er ver¬
Jugend. Illustrierte ?
Nie hat er seiner Heimat so reich und so innig gehuldigt,
birgt es gern hinter der Sachlichkeit des Erzählers, der
1908, Nr. 23. München, G. Hirtl
wie hier, wo er ihr so viele Wahrheiten gesagt hat.
scheinbar nur mitteilt, was seine Gestalten gesehen, getan,
Karten, Pläne un
geurteilt, gefühlt haben. So schildert er die jüdische Ge¬
M. N—r.
Touristen=Wanderkarte der
sellschaft in Wien nicht unmittelbar, sondern wie sie sein
A.nnass Ml.44
junger Baron Georg Wergenthin empfindet, der sich vor¬
urteilsfrei in ihr bewegt und unbefangen über sie urteilt.