I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 29

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wird sie im wieder
man darüber, wie es schon geschehen ist, mit diplomatischem
lehrerin oder Sprach
Schweigen hinweggleiten soll. Charakteristisch für
Diesem Prozeß
Schnitzler war immer seine Neigung, just von dorther seine
von der verführten
Stoffe zu holen, wo es galt, herrschenden Vorurteilen
Raum gewidmet. Uny
oder auch Unsitten entgegenzutreten. Er ist keineswegs bloß
Schwäche seines Werk
Erotiker, sondern auch Satiriker. Seiner Zeit will er
Roman Mode gewor
immer einen Spiegel vorhalten. Von einem edlen Dichter
zuspinnen. Gustab F
in seinem Romane sagt er: „Ueber jene lügendumpfe Welt,
spiele voran, das die
in der erwachsene Menschen für reif, altgewordene für er¬
Handlung zu umfän
fahren und Leute, die sich gegen kein geschriebenes Gesetz
glänzende Sprache a
vergingen, als ehrlich, in der Freiheitsliebe, Humanität
Praxis nicht hinweg
und Patriotismus schlechtweg als Tugenden galten, auch
solche Bücher hindu
wenn sie dem faulen Boden der Gedankenlosigkeit oder der
gestalten= und handlu
Feigheit entsproßt waren, hatte Nürnberger grimmige
wenn ihm nicht der
Lichter angezündet.“ Dies gilt auch wohl von Schnitzlers
karge Form Mau
eigenen Dichtungen; nur waren die Lichter, die er an¬
Nur eines möchten
gezündet, nicht immer „grimmig“. Sein Pathos — nach
die vielen Bilder vo
Ibsens Vorbild das Pathos der Entrüstung — hat er
und in den garte
doch im Ausdruck gedämpft, mit Ironie, mit Humor, mit
ein schönes Plätzchen
Sarkasmus. Mit diesem Pathos in allen Abstufungen hat
wäre es nur in wen
er auch den vorliegenden Roman geschrieben, und er ver¬
Nie hat er seiner He
birgt es gern hinter der Sachlichkeit des Erzählers, der
wie hier, wo er ihr
scheinbar nur mitteilt, was seine Gestalten gesehen, getan,
geurteilt, gefühlt haben. So schildert er die jüdische Ge¬
tellschaft in Wien nicht unmittelbar, sondern wie sie sein
junger Baron Georg Wergenthin empfindet, der sich vor¬
urteilsfrei in ihr bewegt und unbefangen über sie urteilt.
Ein höchst fruchtbarer Kunstgriff des Erzählers.
Um die Originalität Schnitzlers in Adieser
Schilderung recht zu erkennen, muß an die Novellistik
eines Kompert oder Karl Emil Franzos erinnert werden.
Diese erfolgreichen Erzähler gehörten dem Zeitalter des
siegenden Liberalismus an. Sie fühlten sich als Deutsche
und hingen ebenso inbrünstig wie Berthold Auerbach an
der deutschen Nationalität und Kultur. Für sie hatte das
Judentum künstlevisch den Reiz einer absterbenden
Romantik; das war dieselbe Quelle poetischen Gefühls,
woraus Immermann als Erster die Poesie der Dorf¬
*
geschichte geschöpft hat (im „Oberhof“). Sie zeichneten
sondern die Einwohner des
nicht die modernen Juden,
niedergerissenen Ghetto. Schnitzler aber ist kein
Romantiker, sondern Gegenwartsmensch; auf die nächste
Vergangenheit ist er nicht einmal gut zu sprechen, er macht
ihr Ideologie zum Vorwurfe. Vor sich aber sieht er ein
Geschlecht von Juden, das unter dem Antisemitismus
leidet. Die bedeutendste Errungenschaft des vorigen Jahr¬
hunderts: die Gleichberechtigung der Konfessionen in
Staat und Gesellschaft, wird bestritten; die Rassentheorie
richtet eine neue Scheidung auf, und es wird doch über¬
haupt nicht um Ideen, sondern nur um Macht gekämpft.
Die jetzige Generation von Juden ist in sich selbst ge¬
spalten. Konservative, Assimilisten, Zionisten stehen ein¬
ander gegenüber. Die Verwirrung der Köpfe und Gemüter
stört die innersten Familienbeziehungen. Väter und Söhne
verstehen sich nicht mehr, und zu alledem leben wir in
Oesterreich, dem „Land der sozialen Unaufrichtigkeiten“
„Man habe hier — heißt es gelegentlich im Roman —
beim politischen Kampf geradezu den Eindruck, wie wenn
1
hetobreringen „ 9.
Grunde nichts als ein hohler Klang. Sie trommeln
auf allem, was Wiederhall hervorruft, auf Koch¬
kunst, Mode und Judenfrage selbst und halten sich
für Virtuosen, weil sie den stärksten Lärm machens
können.
Für uns Juden hat dieser „Fall“ nur als
Spezialfall die Bedeutung, daß wir in Zukunft in
unserem Umgang etwas vorsichtiger sein müssen¬
Es ist ein Charakterzug des Ungeziefers, daß es
sich immer an einen warmen Leib drängt, wo es
ein billiges Schmarotzen gibt. Und es ist kein
ehrlicher Kampf mit ihnen; man trägt immer seine
Bisse davon. Wir müssen uns vorsichtig vor all
diesen und ehrlichen Freunden hüten und unser
Parole sei: Offener Kampf oder Frieden, aber
immer drei Schritt vom Leibe.
Thekla Blech.
Die Juden auf dem Weg ins Freie.
2
Eine Buchbesprechung.
Arthur Schnitzlers „Der Weg ins Freie“ ist S
ein starkes und mildes Buch, das an die Tiefen äu
rührt und über die Höhen leuchtet. Und uns ist
es, als wenn die Welt, die das Allgemein=Mensch¬
liche darin sucht und findet und sich des Neuen vil
freut, kaum halb so viel wie wir junge Juden von jals
dem Buche haben könne, weil sie die feinsten, die in
individuellsten Züge nicht so ganz verstehen mag. W
Denn sie sind nicht gesehen, sondern erlebt, erlebtsla
von dem deutsch=österreichischen Dichter in Wien,
der dem jüdischen Volke gehört. Und der jüdischen
Wesens ist — wenn das auch kein liberaler Re¬
zensent je sagen wird.
Wir Jungjuden, die wir gerade diese spe¬
ziellen jüdischen Kämpfe durchgemacht haben
und ehrlich durchmachen, bis wir unser Volk finden,
die wir neben uns alle diese Bermanns und Nürn¬
bergers und Oskar Ehrenbergs und Willy Eyßlers de
leben und reden und sich wehren und resigniert wi
oder hochmütig untergehen sehen — wir können bel
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