I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 30

23. Der Neg ins Freie
SeiS box 3/1
Jüdische Volksstimme (###um. Za. L#or.
Seite 3
Sreneeee
en ee rene
Opfer ihres Freimutes sinkt sie mit
dieses Buch stärker lieben als alle anderen, stürkers zu fühlen, sich mit allen Juden zusammen¬
Arme des Herrn Vergani — dem
und gestärkter werden dadurch und nicht haltloser
gehörig fühlt und mit dem letzten von ihnen
Herzen gönnen.
und verzweifelter, weil wir, die wir einen Weg ins
noch immer enger als mit ihm, dem germanischen
Freie vor uns sehen, es fühlen, wie die Starken,
Freunde.
Somit wäre die Affaire erledigt
wie auch Schnitzler in der gleichen Richtung gehen,
mir gewiß nicht die Mühe ge¬
Ja, hier steckt eben sein Problem, der Grund
sicher und stolz, wenn auch nicht hochmütig. Und
El Worte darüber zu verlieren. Aber
seiner Disharmonien: daß der Einzelne nicht zu
das stärkt.
gung, wie sie diese Zusammensetzung
seinem Volke heimkehren will, weil er nicht die
Wir lieben Schnitzler umsomehr, je mehr er
Amtheit, Ueberhebung und Geschmack¬
Kraft der „Weltanschauung" oder besser des Lebens¬
uns kennt, je mehr er sein Volk liebt.
Weutschen Volksblatt“ betitelt, enthält
willens hat, des Liebens und Hassens, des
lle taktloser, unmotivierter Angriffe,
eigenen Ichs. Denn nur auf diesem Wege kann er
Und es ist nicht so, wie einer dieser komp¬
t umhin kann sie in ihrer anwidernden
zu seinem eigenen Ich vordringen, es kennen
lizierten Assimilanten sagt: „Lieben heißt so kennen,
lernen, ohne zugrunde zu gehen.
hnzunageln. In einem Schreiben an daß man daran zugrunde geht." Es kommt auf
des „Neuen Wiener Tagblattes, wo
Die anderen „Israeliten“ sind mit einigen
das Objekt an ...! Dieser Heinrich Bermann
erst wegen Wiederanstellung demütig¬
Zügen gezeichnet. Die unschönsten Linien zeigt der
tadelt an den Juden, daß sie keiner vor dem an¬
droht sie mit „Enthüllungen“ ihrer
Sohn des reichen S. Ehrenberg — oder Salomon
dern einen gewissen Respekt haben, eine Distanz
nem Fall Theimer nach dem Fall
Ehrenberg, wie er sich nur aus Rücksicht auf seine
voneinder halten können, wenn sie im Neben¬
s ist schon nicht mehr Feder, sondern
Frau nicht nennt, wie schwer es ihm auch ankommt.
menschen den Juden erkennen, mit dem befreiten
dieses Waffentragen ist leider
Dieser alte Jude ist mit allen seinen Lächerlichkeiten
„A soi“ die Füße ihres werten Ichs auf die
och immer nicht verboten worden.
niemals lächerlich, immer sympathisch, höchstens
Bank ausstrecken. Und dieser Literat, der überall
ir, daß die Verfasserin dieses Briefes
tragisch. Wie er in Wut gerät, wenn ihm ein
die Achtung vermißt, hat diesen Respekt vor
hit der Verfasserin einer Broschüre,
sich selber nicht, steckt in der tiefsten Selbst¬
getaufter oder ungetaufter Israelit vorwirft, daß
Worte über die Unmoral der jüdischen
verachtung. Er steigt auf einem merkwürdigen
er sich dem Antisemitismus gegenüber „leider nicht
hdet.
Ringelspiel in Spiralen immer höher und höher
genug objektiv verhalte! Und man glaubt es diesem
rücksichtslosen und doch wieder so warmherzigen
bis zu einer Turmspitze, von der er ins Leere
dene Wiener Tagblatt“ hat ihr nach
hinabstürzt.
Menschen, daß er seinem Sohn, dem Reserve¬
l sehr energisch abgewinkt und nun
leutnant, auf offener Straße vor aristokratischem
e Dame in einen wahren Paroxismus,
Es fehlt ihm die Kraft, die Schwere, die
Publikum eine erbitterte Ohrfeige verabreicht, als
annten „Enthüllungswahnsinn“. Sie
Geschlossenheit, der Zusammenhang mit dem Grunde
der liebe Sprößling mit einer charakteristischen
in Brief des Oberrabbiners Dr. Güde¬
und über alles das macht er sich lustig und
Falschmeldung vor der Kirche den Hut zieht.
eißt, sie reißt aus einem zusammen¬
sehnt sich doch darnach. .. Es ist ein eigentüm¬
Diesem Alten geht ja historisches Verständnis und
nzen ein paar Sätze, die in ihrerlliches und doch so begreifliches Ding um so ein
die Klugheit des seiner selbst sicheren Willy Eißler
menstellung wirken sollen. Ich muß
bodenloses Sich= um sich selber= Hinaufdrehen zur
ab und doch fehlt ihm zum Vollmenschen weit
daß dieser Brief die Folge einer Höhe, zum Sturze . . . Da war doch noch Hein¬
weniger als diesem Nürnberger und Bermann und
Anbiederung der Theimer an denz richs Vater besser daran, der Advokat in dem
seinem eigenen Sohn.
war, der sonst gewiß keinen Anlaß böhmischen Provinznest, der in jener liberalisirenden
Meinungen in einem Briefe an die
Epoche deutschliberaler Abgeordneter und einmal
Obwohl er selbst für vieles „zu alt“ ist, lassen
lerzulegen, damit sie in der un¬
ihm die üblen Erfahrungen seiner Palästinareise
beinahe Justizminister war, dann aber von einem
en Weise entstellt und mißbraucht
verbummelten deutschnationalen Kouleurstudenten
doch nur den Zionismus als zu gut zu
einem Tischgespräch erscheinen.
wird auch gewiß keinen anständigg aus dem Sattel gehoben wurde durch größeren
nschen geben, der in diesen „Ent¬
Tschechen und noch größeren Judenhaß.
Nicht ganz im Buche lebt der junge Leo
as anders sieht, als den hysterisch
Golowski, der merkwürdige Zionist. Sein Wollen
Der glaubte doch wenigstens an seine Phrasen
illen, mit allen Mitteln Sensation
und Wesen ist kaum angedeutet und doch scheint
von Deutschtum und Fortschritt, bis er schließlich
nd wenn man von diesem Stand¬
es unter allen Vertretern jüdischer Charakteure
verrückt wurde. Aber der Sohn, der selbst über
ganzen „Fall Theimer“ betrachtet
und jüdischer Richtungen das einzig kraft¬
den tragikomischen Vater lacht, hat nicht einmal
em auch vieles an dieser sonderbaren
volle, lebensstarke und zukunftsichere.
diesen Trugboden unter sich, seine Weltanschauung
lich. Sie gehört zu jenen Naturen
Leo Golowski ist nicht so einfach, wie er ausschaut,
kann sich nicht verwirren, denn er hat keine, er
mel über alles lieben und für das
seine Kompliziertheit ist aber gesund und er wird,
macht sich über jede lustig als über eine höhere
strument halten. Der Lärm, den sieh
einer der Besten seines Volkes, der sein Volk und
Art von Gesinnungstüchtigkeit und beneidet doch
ist gewöhnlich sehr stärk, aber int die Menschen mit der sogenanten Weltanschauung.
sein Ich gefunden hat, wieder auftauchen, wenn
als ein hohler Klang. Sie trommelni Er ist ja krank wie . . sein Vgter .
einige Zeit vergangen sein wird. Heute hätte ihn
Wiederhall hervorruft, auf Koch¬
Schnitzler doch nur in einem Zukunstsroman in
d Judenfrage selbst und halten sich
Solche Menschen kennen wir. Die über denssich abgeschlossen zeigen können. Wir sind ja
weil sie den stärksten Lärm machen
Parteien stehen wollen und doch nur bei allen alle jung ...
und gegen alle stehen und schließlich nicht
Aber hinter dem Schleier der Zukunft sehen
einmal über sich stehen können in all ihrer wir doch die sympathischen Züge dieses Juden, der
Juden hat dieser „Fall“ nur als Objektivität. Die gerecht scheinen wollen
Bedeutung, daß wir in Zukunft in
„in Gesichtsschnitt und Haltung an einen grie¬
und doch gern ungerecht sein möchten, mit chischen Jüngling erinnert, irgendwo im Vatikan
ng etwas vorsichtiger sein müssen
aller Kraft lieben und hassen wollten, die selbst oder im Museum von Neapel. Wir sehen ihn vor¬
harakterzug des Ungeziefers, daß es
zum Hasse die Gerechtigkeit des Herzens
einen warmen Leib drängt, wo es
erst nur im Vollbewußtsein seines und
nicht aufbringen, die noch weniger die Ungerech¬
Schmarotzen gibt. Und es ist kein
seines Volkes Wertes gegen Angriffe sich
tigkeit der Liebe haben. Die sentimental sind
fmit ihnen; man trägt immer seine
zur Wehr setzen, allerdings in der herkömlichen
und herzlos, empfindlich und rücksichtslos, unver= Weise mit Pistolen. Das erstemal infolge einer
Wir müssen uns vorsichtig vor all
träglich und doch auf Menschen angewiesen. Von Frechheit eines antisemitischen Grafen, der die
rlichen Freunden hüten und unsere
ihrem Volke wollen sie nichts wissen und beschäf¬
Offener Kampf oder Frieden, aber
Schwester ansprechend, dem Bruder nur so neben¬
tigen sich doch unausgesetzt mit ihm, tragen das
hritt vom Leibe.
bei seinen Namen hinwirft.
Solidaritätsgefühl, das sie im Handeh verleugnen,
Leo stellt sich vor: „Jüd aus Krakau ...
Thekla Blech. m Lieben nicht kennen wollen, im Fürchten ver¬
Das zweitemal schießt er den Oberleutnant im
abschenen — doch im Suchen und Irren in sich¬
Duell tot, der ihn
e
65