I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 39

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Flker Bekannter oben durch den Aether und verlangt,
daß man genau aufpaßt, ob er nicht vielleicht irgendwo
von oben eine steinbeschwerte Ansichtspostkarte herunter¬
wirft — Kongresse, Feste, Jubiläen überall. Es wird
mehr denn je erreicht, be¬
mehr denn je „getagt“
sonders von den Frauen und den Technikern. Alles
strengt sich fieberhaft an. Den Begriff der Sommer¬
stille gibt es gar nicht mehr.
Flucht aus der Stadt verhilft auch keineswegs dazu.
Wer sich nach dem Rezept „Rückkehr zur Natur“ irgend¬
einen grünen Winkel in Mecklenburg oder ein Bauern¬
dorf in der so lang verkannten und jetzt malerisch so
hochhewerteten Lüneburger Heide ausgesucht hat, kann
es erleben, daß ausgerechnet durch dies Nest eine große
Konkurrenzfahrt von Automobilen saust. Seitab vom
Schienenstrang zu sein, ist gar keine Garantie mehr.
eines modkernen Mädchens.
Durch die weltabgeschiedensten Pappelalleen faucht und
Berlin, den 24. Juni.
staubt es unvermutet hindurch, und nirgends gibt es
Mein lieber Freund!
ein Dorf, in dem nicht doch ein Telephon wäre, durch
ärmen für die heißen Tage und behaupten,
das unvermutet ein verabredungshungriger Bekannter
t Ihre Produktionskraft steigere ... bei
über hundert Meilen weg einen aus dem Schlaf schreckt.
sie nur den Konsum an Zitronenlimonuden!
Wer Ruhe haben will, muß schon nach Island fahren
en Fähigkeiten legt sie gänzlich brach —
zur Ultima Thule!
kommt mir vor wie ein ausgehängtes
Ich finde wirklich, daß sich die Position des Menschen
mir ist so zumute, als hätte ich ein paar
auf der Erde stark verschlechtert. Es müßte wenigstens
amoa gelebt und wäre da so sacht „ver¬
besondere Entschädigungen geben für die Ueberarbeit,
die sein Gehirn täglich zu leisten hat, allein schon um
zweise
hasse diese deutsche Hitze, die so
alles, was passiert, in sich aufzunehmen — so eine Art
Extragratifikation, wie der Angestellte sie für Ueber¬
llen —
e ich mir allenfalls in Italien gef
stunden erhält.
glühende
berechtigte südliche Hitze, in deren
Aber wo meinen Sie, sind diese Aequivalente?
jen und
türme und Palmen, Sarazenenbi
Vielleicht in dem gesteigerten Durst nach einer an¬
so fein abgesetzt hineinsteigen.
deren Form des Lebens — in der doppelten Genu߬
Vaterland stehen die
großen Städten
fähigkeit aller Kulturmüden, mit denen sie jene Dinge
straften die Bäume,
raturgrade nicht
erfassen, die nicht künstlich, nicht auf Asphalt getrieben
ersengt und entnervt am Wege stehen n
sind, sondern echte, erdgeborene Produkte der Natur.
die nicht weiterkommen
Die Seligkeit des Großstadtmenschen, der ein Huhn
lätzen blüht, auf den künftl
über eine Dorfgasse flattern sieht (kein Perlhuhn des
ten, das hängt müde und schlape
Zoologischen Gartens, kein Huhn mit Reis auf der
ontakt mit der kraftspendenden Mutte¬
Zinnschüsfel eines Restaurants, sondern ein richtiges,
den Blumen, die auf Asphalt zu blühen
veritabte Hühnerhofhuhn — gewissermaßen das Huhn
an sich) hat für mich nachgerade weniger etwas Komisches
als etwas Rührendes!
Den Atem des Windes wie Wellen über wogende
Kornfelder streichen zu sehen, das gelbe, frischgespaltene
Holz in einer Bergeswaldsäge zu riechen — diese ganz
einfachen Erscheinungsformen der Natur, die immer
waren und sein werden, haben gerade für den, der
lange verdammt war, zwischen heißen Steinen zu leben,
einen Zauber, der seine Stärke nur der langen Ent¬
behrung verdankt. Sie wirken wie Hochmomente des
Daseins — wie Eliteminuten! Es ist einem zumute
wie dem Autor etwa, wenn er einen Roman gut an¬
bringt, wie dem holsteinischen Mädchen, das während
der Kieler Woche vom Kaiser angesprochen wird —
wie dem wassersuchenden Gertenzauberer, der in Süd¬
westafrika plötzlich die tiefverborgene Quelle findet.
Und da unser Lebenshumor nun doch einmal
auf lauter Kompromissen aufgebaut ist, halten wir uns
also dankbar an diese Form der Kompensation!
Uebrigens dauert es noch etwas, bis auch ich den
„Weg ins Freie“ suche, einstweilen lese ich den von
Schnitzler, mich meiner soliden Seelengesundheit freuend
im Gegensatz zu so viel widerstandsloser Dekadenz!
Ich glaube wirklich, daß in uns nordwestdeutschen
Frauen ein besonders dauerhafter Untergrund von
Unbeirrbarkeit und Vollmächtigkeit liegt. Moderne An¬
wandlungen aller Art gleiten über uns hin, ohne
damit das Gleichgewicht unserer Gedankenwelt irgend¬
wie zu alterieren. Wir probieren von allem — ver¬
suchsweise, so wie man einmal einen auffallenden
Schlips trägt oder eine exzentrische Boa. Aber wir haben
das Talent, alles, was wir als Versuchskaninchen be¬
nutzten, auch rechtzeitig wieder ad acta zu legen.
Seite 1109.
Wir sind nur ruckweise modern — gleich der Hitze
dieses Sommers.
Uebrigens kommt mir nachgerade das Wort modern
recht unmodern geworden vor!
Bitte, überlegen Sie doch mal ein neues, bezeich¬
nendes, leise schmeichelndes Adjektiv für
Ihre sommermüde Freundin
A. O. von R