I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 41

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Zu den Deutschen leitet der Oesterreicher
Artur Schnitzler hinüber. Er tritt mit die¬
km großen Werk zum ersten Male als Roman¬
ichter an die Oeffentlichkeit. „Der Wegins
reie“ (S. Fischer, Berlin; Preis geb. 6 ¾)
st der Wiener Roman, von einerwündervollen
bsychologischen, intellektuellen Kroft. In ver¬
hältnismäßig engem Rahmen rokkt sich uns das
ganze große Gemälde eines höchst komplizierten
Gemeinwesens auf. Von den vielen Problemen,
die erörtert werden, ist die Judenfrage das am;
emeisten und lebhaftesten diskutierte, doch wirde
ssie weniger vom sozialen, als vom rein mensch¬
lichen (seelischen) Gesichtspunkt aus betrachtet.
Die tragische Liebe des Helden des Romans muß
Geden erschüttern und so manchem anderen dort
geschilderten Charakter werden wir Freund sein.
Aber aus aller Tragik und aus aller Qual des
Ich hinausführend zeigt uns der Dichter den
Weg ins Freie und schlägt am Ende seines Ro¬
manes einen volltönenden harmonischen Schlu߬
akkord an, der versöhnt und befreit.
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1. Matc 08—
Arthur Schnitzlers jüngster Roman „Der
Wegins Freie“ (Berlin S. Fischer) macht es
sich zur Aufgabe, das moderne Wien in einer be¬
stimmten Kultursphäre lebendig und umfassend dar¬
zustellen. Wie man weiß, trägt sich, Hermann Bahr
mit einem ähnlichen, nur in einen weit größeren
Rahmen gefaßten Gedanken. Und noch in einer
anderen Hinsicht bietet der neue Roman Schnitzlers
interessante Analogien. Er stellt das Problem des
modernen Judentums in den Mittelpunkt
seiner weitschichtigen, von zahlreichen Typen der Gesell¬
schaft belebten Erzählung. Georg Hermann hat in
seinem Roman „Jettchen Gebert“ und dessen Fort¬
setzung vor kurzem das Gleiche getan, nur daß er sich,
sehr zum Vorteile seiner Dichtung, von der Gegen¬
wart emanzipierte und die Begebenheiten in das
Berlin der Biedermeierzeit zurückverlegte. Schnitzler
hingegen versucht ein buntfarbiges Gegenwartsbild,
das freilich eine beherrschende Note ausweist, die man
nicht anders als das Spezifisch=Oesterreichische be¬
zeichnen kann, einheitlich darzustellen, und er legt,
wie immer, den Hauptakzent auf die Psychologie des
Erlebens. Seine Kunst=Art gipfelt in einer romantisch¬
realistischen Auffassung, die er dem Leben gegenüber
bewahrt. Für ihn spielen sich die tragischen Begeben¬
heiten nicht so ab, wie wir es in Romanen zu lesen
gewohnt sind, und doch haben seine Helden — das ist
die romantische Seite seiner Kunst — hinreichend
Theaterblut in den Adern, um sich in allen Situa¬
tionen wie Komödianten des Lebens zu fühlen. Diese
Art der Auffassung gibt seinem Roman etwas
Unplastisches und Verschwimmendes, für das der
darüber wehende feine Duft der Dinge nicht hinreichend
entschädigt. In ihrer ganzen Anlage hat diese weit aus¬
gesponnene Erzählung von dem Liebesverhältnis des
weltmännischen, musikalisch begabten Barons Georg
v. Wergenthin mit dem jungen Mädchen aus klein¬
bürgerlichem Milieu, Anna Rosner, etwas durchaus
Novellistisches. Man hat ständig das Gefühl, daß
unser Roman durch eine starke novellistische Kon¬
zentration entschieden an Gehalt gewonnen hätte.
Freilich wäre damit für die zahlreichen Diskussionen,
die zumeist in das Rasseproblem einmünden, kein
Raum gewesen. Eine ganze Reihe gut gesehener
Typen aus der besseren jüdischen Gesellschaft, mit der
unser Freiherr in Verkehr steht, wären dadurch gleich¬
falls überflüssig geworden. Stehen sie doch samt und
sonders im Dienste einer ethischen Tendenz, der
Lösung der gerade für Oesterreich so schwer wiegen¬
den Frage der völligen Gleich berechtigung des Juden¬
tums.
Eine ganze Reihe israelitischer Typen, die wir,
in etwas härterer Prägung auch unschwer in einer
reichsdeutschen Großstadt finden würden, taucht vor
unsern Augen auf. Da ist der Zionist, der national
gesinnte Jude, der von der Assimilation nichts wissen
will, und sein Gegner, der sich vollkommen gleich¬
berechtit fühlt. Da ist ferner der reiche Handelsherr
mit seinem instinktiven Haß gegen die Unterdrücker
und Verfolger seines Stammes, dann der menschen¬
freundliche, bedächtig=kluge Arzt, der skeptische Kritiker
und endlich der Dandy aus reichem jüdischen Hause,
der ausschließlich in adligen Kreisen verkehrt und sich
so auf seine Weise „assimiliert“, Zwischen allen diesen
Parteien kommt es zu Diskussionen, bei denen unser
Baron den bloßen Zuschauer und Zuhörer spielt,
Diskussionen, die, wie alle Geisteskämpfe zwischen
reifen und gebildeten Menschen damit enden, daß
jeder auf seiner Meinung beharrt. Der reine
Arier läßt es freilich an treffenden Bemerkungen nicht
fehlen und als Leitmotiv gilt der Satz: „Wo er
auch hinkam, er begegnete nur Juden, die sich schämten,
daß sie Juden waren, oder solchen, die darauf stolz
waren und Angst hatten, man könnte glauben, sie
schämten sich.“ Diese Beobachtung hat wohl etwas
Richtiges. In ihrem heutigen Stande wird die ruhige
Entwicklung der Judenfrage hauptsächlich dadurch
beeinträchtigt, daß man sie von anderen aberwitzigen
Vorurteilen losgelöst betrachtet und als ein Problem
behandelt, was doch schließlich nur eine Frage der
zunehmenden Zivilisation und auf der anderen Seite
des zunehmenden Chauvinismus der Nationen ist, der
den Juden als Zionismus in bedauerlicherweise in
Erscheinung getreten ist. Der Dichter, der diesen
schenkt
somkei.