I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 63

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k. Bellage des „Istachtischen Worhendlattes
No. 31
für die Schweiz.
31. Juli 1908
ais unten Ginten und die Zigestrigtet zun unseren Bolt.
„Wenn der Erlöser kommt.“
Das ist das Einzige, was wir besitzen. Aber es ist unser
Heiligstes und unser Bestes zugleich, und sein Bestes soll
Novelle von C. Berg.
mein Kind nicht verlieren. Darum muß ich nein sagen,
(Fortsetzung.)
so weh es mir tut.“
„Bleiben Sie nicht zu lange aus!“ rief ihr Karl nach,
„Ihren Glauben mag Julchen behalten, ich schwör' es
es klang wie eine herzliche Sehnsucht.
Rahel wurde es
Ihnen. Und was die Zugehörigkeit zu Ihrem Volke an¬
immer unbehaglicher. Der junge Mann hatte noch einmal
betrifft,“ sagte er bitttet, „zeigt sie sich immer so unver¬
durch das Fenster gesehen, an dem die Gestalt Julchen's
brüchlich innig, wie Sie mich glauben machen wollen?“
vorüberhuschte, und drehte jetzt verlegen seinen Hut zwischen
Rahel errötete. Seit monatelanger Abwesenheit ist der
den Händen. Rahel rückte mit zitternden Fingern die
Referendar kaum zwei Stunden wieder in seiner Vater¬
gelbe Moderateurlampe auf dem Tisch ihrem Gast näher.
stadt, und schon hat das Geklutsche ihm zugetragen, daß
Sie selbst saß in tiefem Schatten und blickte erwartungs¬
Einer aus ihrem Volk das Blümchen verschmähte.
vall nach dem jungen Herrn. Endlich begann derselbe:
„Nicht immer,“ antwortete sie, „man unterscheidet scharf
„Frau Rosenthal, ich habe eine rechte Herzensbitte an Sie.“
zwischen Arm und Reich, aber da drüben bei Ihnen wäre
„Und was kann Ihnen eine arme Frau gewähren?“
die Kluft wohl noch tiefer und unüberbrückbarer. Nein,
„Eine arme Frau besitzt auch mitunter einen Schatz.
Es ist unmöglich!“
Ich liebe Ihre Tochter Julchen.“
Finster schickte sich Karl zum Gehen; da haschte Rahel
Erschrocken blickte Rahel auf.
„Ich wünschte, daß Sie
noch einmal nach seiner Hand und hielt sie fest.
nicht die Wahrheit sprächen“, sagte sie unruhig.
„Ich habe heute eine tiefe Demütigung erfahren; weil
„Doch, ich spreche die Wahrheit. Ich liebe Ihre
ich arm bin, ward sie mir und meinem Kinde zu Teil,
Tochter Julie und begehre sie zur Frau ... Hören Sie mich
aber Ihr Antrag hat sie ausgelöscht. Das ist mir eine
an!", fuhr er, da Rahel eine abwehrende Geberde machte,
große Freude und die höchste Ehre, die mir je bezeugt
bittend fort, „lassen Sie mich Ihnen ehnlich erklären, ehe
wurde. Ich danke Ihnen herzlich dafür, auch in Julchens
Sie über meine Bitte hartherzig und ungünstig zu Gericht
Namen. Leider muß ich ihr den Inhalt dieser Unterredung
gehen! Ich habe Ihre Tochter schon als Kino geliebt;
verschweigen; denn das Mädel würde mir noch eingebildeter
lustiger, hübscher und liebenswürd ist mir nie ein junges
und stolzer, als sie ohnehin ist, erführe sie, welche Aus¬
Mädchen erschienen. Und ich, d. ich ernst und schwer¬
zeichnung ihr ein so vortrefflicher Mann erweisen wollte.
zn frisches, lachendes
fällig bin, ich wünsche mir so¬
Gehen Sie, lieber Herr, und nehmen Sie den Segen eines
Weib. Freilich ein glänzendes .. kann ich ihr an
armen Weibes mit sich! Gott beglücke Sie und schenke
meiner Seite nicht bieten, aber in drei, vier Jahren habe
Ihnen eine holde Braut, zehnmal schöner und bessei als
ich ein festes, gesichertes Einkommen und dann“
meine Jule, auch ein groß Teil reicher obendrein. Werden
Rahel unterbrach ihn heftig: „Weiß Ihre Mutter, in
Sie mit dieser glücklich, hundert frohe Jahre!“
welcher Absicht Sie heute bei mir vorsprechen?“
*
„Fran Rosenthal, Alles, was Sie mir entgegnenist
Er nickte ihr freundlich zu. „Natürlich weiß sie es!
recht gut und herzlich, aber ein Korb bleibt's doch. Ich sage
Glauben Sie, ich hätte keinen Tanz mit ihr darum gehabt?
Ihnen nicht, daß ich ohne Ihre Tochter nicht mehr leben
Einen tüchtigen! Uind erst mit dem Onkel Pfarrer! Aber
kann. Ich zweifle auch gar nicht, daß ich eine andere finden
sorgen Sie nicht,“ fuhr er mit einem übermütigen Lächeln
werde, welche mich glücklich machen wird, aber ..
fort, „ich bin mit beiden fertig geworden; die alten Leute
Rahel fühlte einen leisen Gegendruck in ihrer Hand,
lieben mich zu sehr, als daß sie mir etwas versagen
dann neigte er sich vor ihr mit aller Höflichkeit eines ge¬
könnten. Freilich, der Onkel Pfarrer besteht eigensinnig
bildeten Menschen und ging sehr schnell aus dem Zimmer.
darauf, daß meine Braut den Glauben unserer heiligen
Er war kaum hinaus, da war das Blümchen wieder
Kirche annehme. Wenn ich Ihnen aber mit Schwur und
herein. „Mutter, er tut mir leid,“ sagte das gute Geschöpf
Ehrenwort versichere, daß ich auch diese Forderung zu
sanft, „er sah aus, als ob ihm etwas gestorben wäre. Hätt'
beseitigen wissen werde,“ er lächelte fein, „der alte Herr
der nicht können ein Jude sein?“
wird sich ja wohl mit Großneffen und =Nichten katholischen
„Dann hätte er sich kaum nach uns umgeschaut,“ sprach
Glaubens begnügen, dann, liebe Frau Rosenthal, werden
Rahel finster.
Sie mich wohl kaum mit einem Korbe heimschicken, denke ich.“
„Die Einen trennt das Geld, die Andern die Religion“,
„Ich tue es auch sehr ungern.“
seufzte Blümchen. „Wann werden wir alle gleich sein
„Na sehn Sie wohl!“ lachte Karl fröhlich.
und nur einen Glauben haben?“, fuhr sie traurig fort,
„Ich tue es nur, weil ich es muß.“
„Wie sagtest du früher doch immer, Mutter — wenn der
„Frau Rosenthal.“ fiel er ihr eifrig in's Wort, „Sie
Meschiach*) kommen wird!“
kennen mich von klein auf, ich bin immer ein anständiger,
Rahel antwortete nicht, sie weinte.
ehrlicher Junge gewesen, und ich habe Ihr Mädchen sehr
Mittlerweilen hatte sich da draußen vor der Haustür
lieb, sie kann mit mir glücklich werden
eine nicht minder erregte Scene abgespielt.
„Ich weiß es, mein guter Karl,“ nickte Rahel, „ich
„Guten Abend, Julchen“, flüsterte Moritz.
weiß Alles. Aber es kann und darf nicht sein.“
Keine Antwort. Julchen ging ruhig weiter.
Er stand auf. „Warum nicht, wenn ich bitten darf?“
„Julchen,“ bat er mit heißem Ton, „höre mich, nur
„Bleiben Sie sitzen, Herr Referendar! Sehen Sie
noch ein einziges Wort!“
nicht so finster auf eine alte Nachbarin! Sie sind der
Das Mädchen blieb stehen. „Bitte“, sagte sie kühl.
einzige Sohn meiner braven, treuen Freundin, die mir
„Beim allmächtigen Gott, ich bin unschuldig!“
immer nur Liebes erwiesen hat. Ich darf es nicht leiden
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„Woran?“
und nicht mich mitschuldig machen, daß Ihre gute Mutter
„An der Verlobung meines Bruders““
so arg enttäuscht werde; denn sie hat ganz andere und weit
„Wirklich?“ kicherte Julchen spöttisch. „Ich glaube
glänzendere Pläne für Ihre künftige Ehe geträumt. Und
es Dir auf's Wort, darum brauchst Du nicht erst zu
ich darf auch nicht dem Herrn Pfarrer solch' schweren
schwören. Hast Du denn Einfluß auf Deinen Bruder?
Kummer lmachen helfen, denn der hochwürdige Herr hat
Hast Du Einfluß auf Deinen Vater? Du hast Einfluß
mir und meinen Kindern allezeit nur Gutes und Freund¬
auf keinen Menschen in der Welt. Du bist ein Einfalts¬