I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 67

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Der Weg ins Freie.
(Roman von Arthur Schnitzler, Verlag von S. Fischer, Berlin 1908.)
1911
Von Ludwia Hfrschfeld. Wien¬
Es ist eine rechte Freude und der feinstelliterarische Genuß, die
Entwicklung eines Dichters selbst mit anzusehen und mitzuerleben. Als
Zeitgenosse dem gleichsam beizuwohnen, was man in zehn oder zwanzig
Jahren in Literaturgeschichten und im Konversationslexikon sehr nüch
tern und übersichtlich beschrieben lesen kann: das Werden dieses Dichters
auß spielerischen Anfängen, von denen unmutig tendenziöse Uebergänge
für eine Weile ins Artistische und schließlich sogar ins Verschwommene
und Unverständliche führen. Und wie dann dieser Dichter von seinem
gesunden Sinn geleitet aus dem literarischen Dickicht, in dem man das
Leben vor lauter Worten und Gleichnissen und die Menschen vor
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Fragen und Tendenzen und mit seinen eigenen Zweifeln und Gefühlen
einmal abzurechnen. Er hat dabei den großen Fehler begangen, sich
eine Sphäre künstlich zu konstruieren, in der Aristokraten und Juden,
Kavallerieoffiziere und Sozialdemokraten gesellschaftlich und freund¬
schaftlich miteinander verkehren. Das gibt es in Wien nicht, was frei¬
lich für den Dichter nicht in Betracht käme und was man ihm auch
nicht zum Vorwurf machen dürfte, wenn er nicht selbst die tatsächliche
Wirklichkeit fortwährend in seinen Dienst stellen würde. Soweit es
sich dabei um Politik und andere öffentliche Gebiete handelt, ist das nur
zu rühmen, denn das fehlt ja unserem Schrifttum, dieses Interesse für
die praktischen Sorgen des Alltags. Aber leider hat sich Schnitzler wie¬
der allzu gemütlich und breit im Wiener Literaturkaffeehaus nieder¬
gelassen, dessen Gestalten hier eine große Rolle spielen. „Der Weg ins
Freie“ ist bald ein Judenroman, bald ein Aristokraten= und Literaten¬
roman, und wenn dies auch charakteristische Elemente des heutigen
Wiens sind, ein richtiger Wiener Roman läßt sich aus ihnen allein
nicht gestalten.
Ganz eigenart.; verhält es sich mit de Technik dieses Buches.
Es enthält sozusagen ulle bisherigen Techniken Schnitzlers. Die von den
modernen französischen Erzählern öbernommene Jungwiener Manier,
die Personen seitenlange, stumme, psychologische Monologe halten zu
lassen, was einigermaßen ermüdend wirkt und was man in dem Werk
eines reifen Erzahlers lieber vermieden gesehen hätte. An der scharfen,
oft aus Krasse streifenden Charakterisierung einzelner Figuren erkennt
man den kundigen Dramatiker und im funkelnden Dialog den berufenen
Lustspieldichter, was Schnitzler leider nicht sein will. Im ganzen ist
es das bedeutsame Provukt einer gereiften Erzählungskunst die sich
namentlich in dem meisterhaften ersten Kapitel bewährt. Trotz der
schweren Fracht von Problemen und Gedanken fließt der Roman in
wunderbarer Ruhe sicher dahin, und selbst dort, wo man ihn zu breit,
zu schleppend, allzu genau und gewissenhaft empfindet, bewundert man
den tiefen sittlichen Ernst, die edle dichterische Ehrlichkeit, die vielleiche
den eigentlichen Wert dieses Buches ausmachen.
Noch manches Für und Wider ließe sich vorbringen, manches be¬
anstanden, manches rühmen, aber dieser Roman braucht wohl nicht
nach dem Leisten rezensiert zu werden, wie irgendein Artikel des Bücher¬

maktes. Einer Erscheinung wie Arrhur Schnitzler gegenüber gibt es
weder Lob noch Tadel, sondern bloß ehrerbietige Aufrichtigkeit und eine
Wertung nach weiteren Gesichtspunkten. Und da erscheint einem dieser:
Roman als der verheißungsvolle Anfang einer ernsteren und strengeren
Zeit, nicht bloß für den Dichter, sondern auch für die gesamte Wiener
Literatur. Endlich ist ein Anfang gemacht worden, an dem andere
lernen und fortsetzen können, der Anfang einer großzügigen epischen
Darstellung dieser Stadt, die vielleicht zu reich ist an Kontrasten und
Reizen an Gefühlen, Stimmungen und ähnlichen dichterischen und
romanhaften Elementen, als daß ein Romandichter sie völlia bewältigen
könnte.
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[Der Wegins Freie. Roman von Artur
Schnißler, 4. Aufl., 1908. S. Fischers
Verlag, Berlin, (brosch. M. 5, geb. 6).
Der erste große Romgsi von Artur Schnitzler und
zudem ein „Wiener Judon= und Zionistenroman“ —
wie es in der Ankündigung hieß — ist ein literarisches
Ereignis. Und so hat auch das Buch in den ersten
Wochen schon vier Auflagen erlebt.
Den Inhalt des Buches bildet der Liebesroman
eines adeligen Wiener Künstlers und eines Bürger¬
mädchens, das sich ihm in reiner Liebe ganz hin¬
gibt. Sie ist überzeugt, daß er sie auch ohne be¬
sonderes Versprechen doch später heiraten wird. Der
Künstler kämpft einen Kampf mit sich. Eine Stimme
in seinem Innern rät ihm, das Mädchen, das er
wirklich liebt, zu ehelichen; die andere dagegen warnt
ihn, sich frühzeitig zu binden; sie stellt ihm vor, daß
er nicht für ein ruhiges, bürgerliches Leben, das er
dann nach der Heirat führen müßte, geschaffen sei,
daß er in der Enge bürgerlicher Verhältnisse
zu Grunde gehen würde aus Mangel an Luft und
Licht, gleich einem gefangenen Vogel, der stets in
Freiheit gelebt und den man dann in einen Käfig
gesteckt. Die zweite Stimme wird immer stärker
in ihm. Als dann die Frucht ihrer Liebe tot zur
Welt kommt und ihm eine Stelle als Kapellmeister
an einer deutschen Bühne angeboten wird, da löst
er die Fesseln, die ihn binden und geht — mit des
Mädchens Zustimmung — hinaus in die Welt, ins
Freie.
Stärker vielleicht als diese Liebesgeschichte nimmt
die Diskussion über die Judenfrage, von der das Buch
voll ist, das Interesse des Lesers in Anspruch. An¬
hänger aller Lösungen — von dem Zionisten, der
nach erfolgter Dienstzeit seinen Oberleutnant, der
ihn zu stark chikaniert hatte, im Duell erschießt, bis
zur jüdischen Sozialdemokratie, die nebenbei auf ga¬
lante Liebesabenteuer geht
kommen zu Wort.
Das Buch ist in dieser Hinsicht ein Bekenntnisroman
des Dichters.
Schnitzler suchte sich selbst ein Urteil über die
Lösung der Judenfrage zu bilden, da er bis jetzt von
keiner endgültig überzeugt war.
Die Milieuschilderung ist gut gelungen; dagegen
ist die Charakterzeichnung mancher Personen vielfach
verschwommen. Ueber diesen Fehler tröstet einem
aber die Sprache, von der man an manchen Stellen
geradezu begeistert mitgerissen wird. Auch in diesem
seinem ersten großen — Roman steht Schnitzler
auf der Höhe seiner Kraft.
B. St.
Schon wieder ein jüdischer Roman.
(Der Weg ins Freie. Roman von ArthursSchnitzler.
S. Fischer Verlag, Berlin.)
Von allen Geistern, die dekadent sind, könnte Akthur Schnitzler
(noch am wenigsten zur Last sein. Denn er besitzt doch wenigstens
eine holde, goldene Anmut der Dekadenz, eine weiche, liebens¬
würdige Grazie. Er kann an den bestrickend anmutigen und
graziösen jungen Freund des echt germanischen Peter Camenzind
in Hermann Hesses Roman erinnern. Oder, so könnte man es auch
verdeutlichen wollen, er könnte von den heutigen, im Militär= und
Beamtenstaat Preußen großgewordenen Deutschen se empfunden
werden, wie die graziösen, ganklerischen, artistischen Griechen nach
der Zerstörung ihres Reiches, in der Diaspora, von den eisen¬
starken, harten Römern des Weltimperiums empfunden wurden.
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