I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 88

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ins Frei
23. Der Ne
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pflegen, wo sie die letztgenannten Schilderer zu
suchen pflegen.
So greift m. E. auch Börries von Münch¬
hausen fehl, wenn er in seinem — übrigens
schönen — Balladenbuche „Juda“ die alten kriege¬
rischen Zeiten des Volkes Israel heraufbeschwört
und sie den Nachkommen mit Donnerstimme ins
Gedächtnis ruft.
Ob es überhaupt so zweckmäßig ist, im Juden
ein Sonder=Nationalgefühl künstlich zu züchten,
nachdem er das eigene Land, wo er es betätigen
könnte, verloren hat, erscheint mindestens fraglich.
Seit die Juden — wenigstens theoretisch — auch
bei uns, wie in anderen Ländern längst, — voll¬
berechtigte Staatsbürger geworden sind, dürfte es
weit näher liegen, sie nun auch voll und ganz in
diesen neuen Kreis von Rechten und Pflichten
hineinwachsen zu lassen.
Nicht Shylock=Naturen, nicht Helden mit
gespreizter Geberde, auch nicht sogenannte Zionisten,
die in entlegenen Landen eine vermorschte Tradi¬
tion wieder lebendig machen wollen, brauchen
wir! Sondern warmblütige Mitarbeiter am großen
Werke menschlicher Kultur und Gesittung! Leute,
die ihre Intelligenz nicht ausschließlich in den
Dienst egoistischer Interessen stellen, sondern sozial
genug zu denken vermögen, um die Interessen des
Volksganzen zu den ihren zu machen.
Warum zeichnet uns die Literatur nicht häufiger
diesen Typus, der schon heute das Feld zu be¬
herrschen beginnt und ganz unzweifelhaft der Typus
der Zukunft ist!?
„Außenseite des Lebens.]
Von Charlotte Barth,
(Nachdruck verboth.)
In einem Nordseebade hatten sich die beiden
Schwestern nach langen, langen Jahren der
Trennung wiedergetroffen. — Die sonderbar
verschlungenen Fäden des Schicksals hatten die
beiden verschiedenen Menschen, die einst in der¬
selben Wiege ihre hellen Augen aufgeschlagen
hatten, nach fünfzehn langen Jahren wieder zu¬
sammengeführt, und nun standen sie sich plötzlich
gegenüber, und ihr heißer Wunsch, einander
wieder näher zu kommen, einmal wieder Hand
in Hand zu sitzen und das kurze Glück der
Jugendzeit wieder zu durchleben, beseelte die
beiden. Die Jüngere hatte eines Abends
bunt zusannnengewürfelter Gesellschaft auf der
uni
Artbur Schnitzlers neuer Roman.
betitelt, ersch
Nachdruck verboten.]
Von
auch nicht der
Werke, die d
Professor Dr. Alfred, Klaar.
den stillen Le
Von unseren modernen Schriftstellern, die ein Recht haben,
Weltbild im
sich Poeten zu nennen, scheint mir Arthur Schnitzler der intimste
die von den
Sprecher der Gegenwart zu sein. Er rollt nicht die großen Staats¬
ist, kein bunteh
und Kulturprobleme unserer Tage auf, und er hat Genossen der
die Sinne rei
Milieuschilderung, die noch genauer ins Einzelne gehen, Land und
Zügen, die
Leute ängstlicher nachzeichnen und die in der Beobachtung noch mehr
Leser werde
Andacht zum Kleinen zeigen. Aber die Grundstimmung einer starken
werden nich
Schicht der Intellektuellen, denen die moderne Art zu denken und zu
Romanen
fühlen ins Blut übergegangen, die Enthüllung des Innenlebens,
schicksalen und
auf das die Probleme unserer Zeit die Reflexe werfen, die Erfassung
beantwi
der Individualitäten, in deren Lebensstrom sich die Lichtstrahlen
der at
wirklicher oder vermeintlicher Erkenntnisse jüngsten Datums brechen,
wartsb
gelingt keinem Zweiten in dem Maße, wie diesem sinnenden Wiener Be¬
kunftst
obachter, der in den Schein eines kühlen lebemännischen Wesens die
Mit k
stärkste künstlerische Objektivität einschließt, mit der Ruhe des
Antine
Bildners das Rhetorische und Doktrinäre von sich fern hält und mit
einer Leichtigkeit und Sicherheit, hinter der die Meisterschaft des
geben
Keine
Stiles steckt, Charakteristisches, Tiefes und Ergreifendes gestaltet.
ruhige
Schnitzler hat in seiner nun schon reichen Zahl von Dichtungen
Verhältt
meines Wissens nur zweimal die Motive aus fernen Zeiten geholt:
alles stri
in der dramatischen Farbenskizze „Der grüne Kakadu“ und im Re¬
naissancedrama „Der Schleier der Beatrice". Aber durch das vorrevo¬
bedeutet,
keine zwin
lutionäre Paris jener Szenenfolge blicken Typen moderner
Wer sich ar
Aristokraten und Komödianten, und aus dem altitalienischen
„Schleier“ leuchten Gluten, von denen die Jungen und die unbefriedigt
das einen di
Jüngsten versengt werden. Sonst tritt die Gegenwart in
seinen Novellen nd Dramen unverhüllt hervor, in nicht zu
Der R
weit gespannten Verhältnissen, in einer gewissen Enge der Motive,
daß Roman
wie ich schon einmal in einer Skizze seines Entwickelungsganges an
keine starke
dieser Stelle nachzuweisen suchte, aber in Tiefen aufgewühlt, in die
über die „Li
nur ein ungewöhnlicher Scharfblick, eine wundersame Feinhörigkeit
Der Mann, d
und die Mitempfindung des Mannes, der selbst am Leben gelitten
kömmlichen
hat, hinabdringt. Auf den ersten großen Roman eines derartigen
Georg Werge
dichterischen Naturells, das sich mit allem Wissen und Können im
dilettant, we
Heute festankert, durfte man begierig sein; denn der Roman ist uns
keit und S
zur Form des breitentfalteten Nebeneinander geworden, in dem alle
älteren Mor
individuellen Konflikte mit den Fäden, die sie verbinden, an die
hermeichlicht,
Grundbedingungen der Zeit und der Kultur anknüpfen. Man durfte
also Weite und Tiefe, große Horizonte über den scharfgesehenen
Gestalten erwarten.
S. Fischer, Bei
Ka, Aie Germee Ai
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