I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 121

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Natürlich müssen die hier Erzogenen nach ihrem
Wegzug gleich ihren Kindern auch weiterhin unter
kirchlichen und religiösen Einflüssen bleiben, wie
andere Leute auch; aber die grundlegende Arbeit
sollte geschehen auf Missionsfarmen.
Ostwärts von Bloemfontein führt eine eingleisige
Bahn in vielstündiger langsamer Fahrt über Water¬
works — so haben die Engländer das durch De Wets
kühnen überfall berühmte Sannaspost offiziell um¬
getauft — über den von Kaffernhäusern wimmelnden
Thabamhu, in die Kornkammer des Freistaates. In
den „Kornspeicher“ könnte man sagen — so
hoch liegt das Bergland da droben. Über Ladybrand,
Ficksburg und Bethlehem wird heute wohl die
Eisenbahnlinie fertig ausgebaut sein bis nach Kroonstad.
Zu meiner Zeit ging sie nur bis Modderpoort. Von
da brachten mich des Burenfeldpredigers Kestells
Pferde über die Berge nach Ficksburg. Der wunder¬
bare Fernblick in die Gebirgswelt des Basutolandes
lohnt allein schon die Kletterpartie. In einem
elenden Karren, gegen die fürchterliche Nacht¬
kälte nur durch ein zerrissenes Stück Segel¬
geschützt, kam ich mittels Karriolpost
tuch
in zehnstündiger beschwerlicher Nachtfahrt nach
Bethlehem. Die Strecke Bethlehem—Lindley—Kroon¬
stad war gerade eben eröffnet worden;
so hatte ich doch wieder Eisenbahn, und
in Kroonstad erreichte ich wieder die Hauptlinie.
Halbwegs zwischen Kroonstad und der Transvaal¬
grenze liegi die Farm Christian De Wets. Sieht
man in Bethanien, was Eingeborenenarbeit unter
tüchtiger Leitung vermag, so zeigt uns Roodepoort,
was weiße Hände leisten können. Beide Farmen
sind etwa gleich groß, und beide müssen auch eine
etwa gleichgroße Bevölkerung ernähren. Hat
Bethanien ein natürliches Sammelbecken für kleine
Wasserzuflüsse, so hat. Roodepoort den Renosterrivier,
dessen Wasserüberfluß De Wet in einem Riesendamm
sammelt und über seine Felder leitet. Außerdem
besitzt De Wet die Gabe der Wasserfindung mit Hilfe
der Wünschelrute. Beide Güter liegen auch ganz
nahe an der Hauptbahnlinie. Daß er alle Chancen
verwertet; dafür ist General De Wet aus Krieg und
Frieden bekannt. Die vielen arbeitslosen Landsleute
haben ihm den Damm bauen helfen und dabei ein
schönes Stück Geld verdient, aber seine Farm zu
einer Goldgrube gemacht. 700 Hektar Land ver¬
mag er aus dem Damm zu bewässern, und zu der
Zeit, da man Existenzmöglichkeiten suchte für Land¬
wirte mit einem kleinen Kapital, war De Wet
Verkäufer von kleinen „Zaaiblokken“. Und Land,
riefen die Glücklichen, Land! Für je zwei Hektar
zahlen sie 2000 M. in Monatsraten von 40 M., für
Bauplatz halb soviel, das Weideland haben sie frei.
Immerhin muß ein Mann, um mit Aussicht auf
Erfolg beginnen zu können, ein paar Tausend Mark
Kapital besitzen. Verschenken tut De Wet nichts
Es ist ihm aber gelungen, was der englischen Ver
waltung mit all den Mitteln des Mutterlandes
großer Stiftungen und der Kronkolonie weder in
Freistaat noch in Transvaal gelungen ist, nämlich
lebensfähige Kkeinsiedlungen zu schaffen
Darum wax,=De Wet auch nun, da man keinetz
Kriegsminisker braucht, der gewiesene Mann für det
Posten des Ackerbauministers. Für Südwestafriks
ließe „sich manches von dem klugen Burenführet
lernen.
Literarische Rundschau.
Neue Romane.
00
K
Von Willy Rath=München.
Fünf Romane und fünf einsame junge Männer.
Also eine große Einigkeit; lauter sogenannte Bildungs¬
romane, Bücher vom entscheidenden Aufnehmen der
Umwelt, vom Werden des modernen jungen Mannes.
Und doch ist jedes vom andern durchaus verschieden:
die Mannigfalktigkeit der Möglichkeiten, die wir
unter dem Titel Roman zusammenfassen, zeigt sich
schon bei dieser geringen Anzahl recht deutlich.
ebere
wieder aus. Er kommt aus dem Ungewissen und
geht ins Ungewisse, ungewandelt und ohne Ent¬
schlüsse. Das einzige Ergebnis ist eine Bemerkung,
die dem Helden kurz vormi Schluß (S. 383) in den
Mund gelegt wird. Danach hatte das Unglück eines
verkommenden Bekannten für ihn den Vorteil, ihn
selbst zu beruhigen, daß er „dem kommenden Leben
tief und sorglos und warm ins Auge blicken“ kann.
Das heißt, sich die Sache ein bißchen gir bequem
machen. Zum Glück hat das Buch dennoch seine
Vorzüge. Es ist von jugendlicher Innigkeit der
Lebensandacht durchdrungen, die echte Schlichtheit
sein kann, die aber selbs dann schön bliebe, enn
sie durchs Medium des Literarischen gegangen und
nur mehr „Simplizität“ zu nennen wäre. Der
Charakter des Josef wird mit Liebe dargestellt,
wird auch ein wenig aus der Vergangenheit mit¬
beleuchtet und wirkt im ganzen organisch und fein¬
nervig Auch die übrigen Personen der Erzählung
haben leibhaftes Wesen. Walser weiß Nicht=Alltäg¬
liches zu sehen und liebt es, treffende Beobachtungen
allgemeingültiger Art einzuflechten.
Leider nur versteht er seine Gestalten nicht zu
bewegen. Die Geschichte rücit nicht vom Fleck, nicht
nur äußerlich, sondern namentlich auch innerlich.
Stillhaltende Ziele zu treffen, ist aber nicht so schwer
und nicht so interessant, wie bewegte zu treffen. Es
lebt da eine zu weit getriebene Passivität, die oft
irrigerweise für ein Erfordernis des Romans ge¬
halten wird, eine mehr als buddhistische Wehr= und
Reglosigkeit gegenüber dem Leben. Man möchte
solche epischen Arbeiten als verlängerte Lyrik,
icht als Epik einordnen.
Johannes Schlafs Wesen ist solcher Art
verwandt, hat vielleicht gerade seinerseits das Ver¬
wandte in solchen Jüngeren fördern helfen. In
seinem neuen Roman „Der Prinz“ (Verlag
Georg Müller, München und Leipzig) kehrt denn
auch das Beschauliche, das Lyrische wieder, aber
gegen Walser erscheint Schlaf doch geradezu als
kompliziert, sein Held Jürg verhältnismäßig als
Willensrecke, obwohl er das an sich gar nicht sein
soll und auch nicht ist.
Dieser „Prinz“, ein ungewöhnlich begabter Wind¬
müllerssohn aus dem Thüringischen, entflieht als
Halbwüchsiger aus dem Elternhaus, weil der Vater
sich hartnäckig seiner geistigen Ausbildung widersetzt.
1
Bei einem Onkel in Halle findet er unterkunft; der
Besuch des Gymnasiums wird ermöglicht und mit
außerordentlichem Glück durchgeführt. Eine Jugendliebe
geleitet ihn in dieser Jünglingszeit, entschwindet ihm
dann für etliche Jahre und findet ihn danach (ein
wenig enttäuschend unvermittelt, sang= und klanglos)
im rechten Augenblick, bei einer Krise seines Lebens,
wieder.
Jürg hat inzwischen mit glänzendem Erfolg in
Berlin naturwissenschaftichen und biologischen Studien
obgelegen. Sein Glück konnte ihn nicht verblenden:
eine dunkle Kraft in ihm treibt ihn vorwärts, so
daß er fast wie ein fremder Zuschauer und ge¬
eigene* Erfolge
legentlich mit Mißtrauen die
Ein Jugendfreund, einer von den
beobachtet.
unfruchtbaren Gescheiten, ein Ehrgeiziger ohne
Mannheit, bringt dem „Prinzen“ eine Glückeswende.
Der Neidhart erklügelt sich eine Theorie, die ihn
berechtigen soll, den Glückspilz denkerisch auszu¬
beuten. Er zieht in der Tat aus ihm eine bedeu¬
tungsvolle Rassenlehre hervor und gibt diese vor
der Offentlichkeit als sein eignes Erzeugnis aus.
Jürg kommt mit seiner Originalarbeit zu spät
und gerät selber in den Verdacht des Plagiats.
Sein Freundschaftsglaube ist grausam zerstört, seine
Zukunft (dies zwar wird nicht völlig glaubhaft)
scheint verloren. Jürg erleidet eine geistige Störung,
von der er jedoch bald genest. Die Vereinigung mit
der Jugendfreundin trägt nun dazu bei, den sonst so
Hintreibenden zum Handeln aufzuwecken. Er nimmt
den Kampf mit dem ruchlosen Kameraden um seine
wissenschaftliche Ehre rücksichtslos und mit der Gewi߬
heit des Sieges auf.
Dieser zweibändige Roman leidet an einer argen
Ungleichmäßigkeit. Der zweite Band wird größten¬
teils von ungeheuer ausführlicher und gar nicht