I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 171

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ein bißchen theatralisches Arrange¬
zu sein, was er gerade sein will.
ment drangewendet. Scheint so die
Bei seinem Mangel an seelischem
spätere Zukunftperspektive beein¬
Kern macht er ein paar unerquick¬
trächtigt, so wird „Der Reiter auf
liche Erfahrungen, da er zweckunbe¬
dem Regenbogen“ sich in der Gegen¬
wußt auf künstlerischen und anderen
wart wohl um so eher bewähren.
Hebieten dilettiert. So lernt er
Und es ist erfreulich, daß auch
unwillkürlich einige Bescheidenheit
erzählende Werke, die offenbar auf
und bringt sich noch knapp zur
breitere Wirkung ausgehen, heut¬
rechten Stunde in den Hafen der
zutage das Gemüt betonen und ent¬
Gutbürgerlichkeit, heiratet das ver¬
schieden nach Schlichtheit streben.
ständigste und reichste Mädchen der
„Die beiden Ritterhelm“ sind,
Vaterstadt und wird ein ansehn¬
rundheraus, das reifste, schönste
licher Bürger, Reserveoffizier, Gatte
Werk Rudolf Huchs, das ich
und endlich Erzeuger mehrerer ganz
kenne. Sein voriger Roman noch
unproblematischer Ritterhelme.
war selber ein Stück Entwicklungs¬
Den hohen Reiz des Buches macht
ringen, zähflüssig, als sei der Humor,
die gleichmäßige epische Gelassenheit
der aus Huchs Erstling („Tagebuch
und, mit ihr zusammenhängend, die
eines Höhlenmolches") gesprochen,
dem Stoff gemäße patrizische Natur
ihm mittlerweile über den öffent¬
des Erzählers. Das gibt dem
lichen Produktionen verloren ge¬
Ganzen eine ungewöhnliche, lücken¬
gangen. Hier erweist sich's nun,
lose Einheitlichkeit. Wir spüren
daß er ihn bewahrt und geläutert hat.
ein bildunggesättigtes Wesen, das
Das Buch folgt dem Lebensgang
der Bildungsprotzerei entgegengesetzt
eines ohne Romantik geschauten
ist, wir spüren einen tiefen Ernst
Patrizierjünglings unster Zeit. Da¬
der Lebensanschauung und zugleich
neben, in der ersten Hälfte, wird
eine humorig mildernde Überstrah¬
die Persönlichkeit des Vaters be¬
lung; weite Ausblicke werden in
lebt. Der ist das Urbild eines
verhaltener Darstellung angedeutet,
kulturedlen Bürgerlichen aus einer
und überall erfreut die unsüßliche
Familie von sinkendem Reichtum.
Anmut der sparsamsten Linie. So
Die Stärke im Geldverdienen, die
wird durchaus ohne Ton und Pose
sie emporbrachte, hat sich erschöpft;
der Klage, lächelnd und mitunter
der gegenwärtige Vater Ritterhelm
zu herzlichem Lachen verführend,
hat innerlich nicht das mindeste
gerade die allerschärfste Klage gegen
mehr mit der Kaufmannsart zu tun.
die seelische Kulturlosigkeit dieser
In seinem Sohn, der nach der
unsrer so herrlich kulturreichen Tage
derberen Mutterfamilie gerät, wird
erhoben. Und so entsteht neben¬
die großkaufmännische Begabung
bei ein Werk, das Anwartschaft
wieder wach, aber der ältere Nit¬
auf Bestand über besagte Tage hin¬
terhelm erlebt das nicht mehr.
aus hat.
Der jüngere greift von Kindes¬
Die Vielheit in Arthur Schnitz¬
beinen an dreist und ahnungslos
lers Buch „Der Weg ins Freie“
nach dem Leben, wo es am äußer¬
ist die Wiener Gesenschäft, insbe¬
lichsten ist. Doch wird er nicht un¬
sondere die Wiener jüdische Ge¬
sympathisch und geht nicht zugrunde;
sellschaft von heute. Mit unver¬
denn er hat Rasse. Die tiefe Kul¬
kennbarem Willen zur Objektivität,
tur des Vaters hat sich bei ihm
der aber natürlich ein gelegentliches
wenigstens in Mut und in die
Hervorflackern des persönlichen An¬
Fähigkeit umgesetzt, jeweils das ganzj teils am Schicksal der Stammes¬
Sieberbäk ee

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