I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 191

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23. Der Neg ins Freie
— ##s —te ac bagtian
sonst kein Wort sagte; er hatte nämlich ebenfals in Göt¬
Wir entfernten uns schnell und gingen ohne Marko
tingen studiert. Wenn ich das Geld bekommen hatte, schrieb
auf die Weenderstraße. In emsiger Tätigkeit gingen dort
ich dankend an meinen guten Vater, betonte lebhaft den
die strebsamen Studenten auf und ab, besahen die früh¬
guten Verbrauch des Geldes, meine Strebsamkeit und die
lingsmäßig gekleideten Mädchen und die alten Häuser, an
Aussicht auf ein baldiges gutes Examen. Zum Glück hat
deren jederi mindestens eine Tafel besestigt ist — meistens
sind es# oder drei — mit dem Namen irgend eines an¬
er's wirklich noch erlebt.
So kam ein jeder von uns dreien zu seinem Rechte;
geblich Frühmten Mannes, der dort gewohnt hat.
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mein Verfahren bewährte sich vollkommen, und ich hatte
bedauekte schon damals, daß ich nicht auf der Weender¬
keinen Grund, davon abzugehen. Ich kann es jedem rich¬
straße wohnte. Jetzt ist es leider zu spät.
(Schluß folgt.)
tigen Studenten warm empfehlen.
Während ich so eisrig schrieb und meiner lieben Mutter
in den glühendsten Farben meine Lage schilderte, auch
Ctierarische Bundschau.
durchblicken ließ, daß man als Student ohne Geld in
Göttingen ganz gut den Hungertod oder den noch qual¬
Aus der Erzählungsliteratur.
volleren Dursttod sterben könne, rasselte Marko unausgesetzt
Stietz=Kandidat. Roman aus grauer Vergangen¬
mit seiner Ochsenkette.
heit des Oberlehrerlebens, von Wilhelm Arminius,
Berlin, Gebr. Pätel. 1908. 2 Bände, 252 u. 243 S.
Nach Beendigung meines Briefes wollte ich mich von
Roman von Eva
Kinder einer Familie.
der ungewohnten Arbeit des Schreibens auf dem hundert¬
Gräfin Baudissin. Dresden, Max Seyfert. 1908.
jährigen Kanapee verdientermaßen erholen, sah aber zu
266 S.
meinem unfrohen Erstaunen den schwarßen, abgeschabten
Die Sünde aber der Elkern ... Roman von
Henning von Sydow, Berlin, Concordia, Deutsche
Rips verdeckt von Markos massiger Gestalt. Fürwahr, das
Verlagsanstalt. O. J. 451 S.
alte Scheusal lag auf meiner Ruhestätt und ich wußte
Der Weg ins Frei—Roman von Arthug
nicht, wie es dahin gekommen war.
Schnitzser. S. Fischer, Verlag. Berlin 1908. 491 S
Er hatte sich selbst von seiner Kette gelöst; er 'onnte
Henriette Jacoby. Romon von Georg Her
mann. Egon Fleischel, Berlin. 370 S.
das mit Leichtigkeit, wie ich später noch oft genug er¬
Theobald Hüglin. Roman aus Schwaben von
leben mußte. Marko konnte überhaupt alles.
Otto Frommel. Berein, Gebr. Pätel. 1908. 282 S.
Ich ärgerte mich, wurde frech und gab ihm einen Stoß
Die Söhne des Herrn Budiwoj. Eine
mit der Hand.
Dichtung von August Sperl. Volksausgabe in einem
Band. C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung. München 1908.
Ich habe das nie, nie wieder getan.
586 S. Preis geb. 6 M.
Wie ein Höllenhund knurrte er und wie ein Drache
Die Hochzeitsfahrt. Lachende Geschichten von
schnappte er nach mir; drohend erhob er sich, daß das ulte
Emil Hügli Schkeuditz, W. Schäfer. 1908. 224 S.
Sofa in allen Fugen knackte und einige mürbe Sprung¬
f a
Die Brüder Mörk. Roman von Gusta
Geijerstam. S. Fischer, Verlag. Bersin 1908. 285 S.
federn klingend ihre alte Drahtseele aushauchten.
Ein Schulroman aus nicht allzu grauer Vorzeit,
Marko blieb liegen; ich aber setzte mich wehmütig und
ist Wilhelm Arminius
trotz dem Untertitel,
bescheiden auf einen durchlöcherten Rohrstuhl, der auf
„Stietz=Kandidat“. Der Roman erzählt das Probe¬
wurmstichigen Beinen ein wackeliges Dasein fristete. Ueber
jahr des Kandidaten Ernst Malten am Gynmnasium einer
die Verteilung der Plätze ist zwischen Marko und mir nie¬
kleinen Stadt. Nicht alles, was dieser Kandidat hier
mals wieder Streit entstanden.
erlebt, ist wahrscheinlich, einiges erscheint mindestens leicht
Gegen Mittag kam mein Leibbursch, um mich zu dem
larikiert; der Verfasser hat offenbar allerlei Kandidaten¬
üblichen Bummel auf der Weenderstraße und zu dem dar¬
geschick, namentlich aber Ungeschick über dem Haupt eines
auf folgenden Frühschoppen abzuholen. Er sah die dunkle,
einzelnen gesammelt und ihm unterlegt, was da und dorb
übelriechende Masse auf dem Sofa liegen und fragte harm¬
in der guten alten Zeit und vielleicht jetzt noch einem
Probekandidaten passiert. Erzählt ist das Ganze äußerst
los=höhnisch:
behaglich und humoristisch; doch läßt sich der Verfasser
„Was hast Du denn da liegen, Leibfuchs?“
manchmal in seiner Behaglichkeit allzu sehr gehen und
„Dumme Frage.“
teigert sich in den humoristischen Ton förmlich hinein.
Er wurde böse.
Anfangs scheint der Roman dem Leser nur aus einer
„Höre mal, Leibsuchs, diesen Ton muß ich mir ver¬
Aueinanderreihung von Schul=, Lehrer= und Familien¬
bitten. Du mußt doch wissen, wen Du vor Dir hast. Du
verhältnissen zu bestehen, bald aber merkt er, daß ein ge¬
bist doch nicht mehr auf der Penne! Du denkst wohl, Du
wandter Romantechtliker hier an der Arbeit ist, der die
hast Deinen Klassenlehrer vor Dir? Mit dem konntst Du
vielerlei Fäden fest in der Hand hat und sicher verwirrd
und entwirrt. Eine breite Fülle von Lehrern und ihren
Dir vielleicht so etwas erlauben, mit mir aber, nicht!“
Familien entfaltet der Verfasser vor uns, und nicht alle
Ich sah ein, daß er recht hatte; Leibburschen haben
sind uns sympathisch. Es sei aber ausdrücklich betont, daß
nämlich immer recht. Ich entschuldigte mich. Da wurde
Arminius nicht etwa Schule und Lehrer heruntersetzen
er gleich wieder heiter und sagte:
will, sondern sie zu begreifen und zu verstehen sucht. Der
„Sieh, das ist ja Marko, das gute, gute Tier.“
Stil des Buches, mir an Arminius neu, erinnert an
Er weinte beinahe vor rührender Zuneigung und fuhr
Heinrich Steinhausen in seinen humoristischen Werken, teil¬
fort:
weise auch an Wilhelm Raabe. Einzelne Szenen sind in
„Ich dachte erst, Du hättest schon ein Paket von zu
ihrem behaglichen Humor entzückend, so gleich das Auftreten
des Kandidaten, der Besuch seiner Mutter oder die Szen¬
Hause gekriegt. Er sieht nämlich so ähnlich aus. Darum
mit seiner nachmaligen Schwägerin Lore und viele anderen
fragte ich. Es war nur Teilnahme.“
Außerdem ist noch der Roman ein scharf geschautes und
„Ich danke. Das gute, gute Tier! Jawohl. Paket
gut wiedergegebenes Bild einer Kleinstadt etwa in den
##n zu Hause, Schönes Paket. Teilnahme?! Diese
iebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die drei
Bestie!“
ymbolischen Kneifer des Kandidaten hätten wir dem Ver¬
Friedrich Mohr drehte sich um und besah scheinbar
fasser allerdings geschenkt. Das Buch wird seinen Leser¬
meine Bücher. Es kam mir aber so vor, als ob er sein
kreis insbesondere unter der Lehrerschaft der höheren
Lachen verbergen wolle, und ich glaubte auch Bemerkungen
Schulen und bei den Schülern dieser Anstalten finden; es
wird aber auch andere Kreise fesseln und überall jene be¬
zu hören, etwa derart: „Wieder einen Dummen gesunden,
hagliche Stimmung erzeugen, die eine ach so seltene Be¬
dem sie das alte Greuel aufgehängt haben.“
gleiterscheinung unserer heutigen Romanliteratur ist.
Ich konnte das aber unmöglich auf nich beziehen.
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