käppchen trägt und Gott dankbar ist, daß er
hm bei den Spekulationen oder sonstigen Ge¬
schäften sichtlich begünstigte, und fürwahr es ver¬
lohnt sich schon, einem so guten, braven Got
treu zu bleiben.
Nicht immer wirken sie unsympathisch, diese
alten Ehrenbergs. .... Das schien auch Schnitz¬
ler zu empfinden; er schüdert zwar recht an¬
schaulich, mit welchen Augen die nächste Um¬
gebung den etwas selbstbewußten, kanderwelschen¬
den Salomon Ehrenberg ansieht, aber er ver
leiht ihm eine gewisse wehmutdurchsetzte Größe.
In der Zeichnung dieser Gestalt zeigt sich
die ganze reife Charakterisierungskunst Schnitz¬
lers. Ein kleiner Zug genügt ihm, um uns in
eine ganze Welt von Gefühlen und Auschau
ungen blicken zu lassen.
Als ein Gast, der Schriftsteller Nürnberger,
dem alten Ehrenberg eröffnet, daß er sich nie
als Jude gefühlt habe, ruft er ihm erregt zu:
„Wenn man Ihnen einmal den Zylinder ein
schlägt auf der Ringstraße, weil Sie, mit Ver¬
laub, eine etwas jüdische Nase haben, werden
Sie sich schon als Jude getroffen fühlen, ver¬
lassen Sie sich darauf.“
Nach seiner Heimkehr aus Palästina wili
er zuerst nicht recht mit der Sprache heraus.
Endlich gesteht er seine Enttäuschung und Ver¬
stimmung ein.
Darauf bemerkt derselbe Nürnberger: „Also,
wir haben begründete Hoffnung, Sie hier zu
beha
en, selbst für den Fall, daß der Juden¬
staat im Laufe der nächsten Zeit gegründei wer¬
Unwirsch erwidert Ehrenberg
den sollte?“
„Hab' ich Ihnen je gesagt, daß ich die Ab¬
icht habe, auszuwandern? Ich bin zu alt dazu
„Ach so,“ sagt Nürnberger, „ich wußte nicht,
daß Sie sich die Gegend drüben nur Ihren
Kindern zuliebe angesehen haben.“ Jetzt findet
der alte Mann die beste Abfuhr für den kon¬
fessionslosen Plauderer: „Lieber Herr Nürnber¬
ger, ich werd' mich da nicht mit Ihnen strei¬
ten: der Zionismus ist auch wahrhaftig zu gut
für ein Tischgespräch!“ Wieviele Bankjuden
in Wien mögen so groß und so richtig vom
Zionismus denken?
S. Ehrenberg ist, wie gesagt, eine Aus
nahme. Was würde es aber dem Judentum
nützen, wenn alle Bankiers so vären wie er?
Krankt er doch an dem unheilvollen Fehler, sei¬
nen Kindern gegenüber hilflos, ja lächerlich, da¬
zustehen. Nichts Jüdisches vermochte er ihnen
beizubringen, weder Verständnis für die Ueber¬
lieferung des Volkes, noch Liebe zu diesem selbst.
So kommt es, daß über seinen Sohn Oskar
ein Freund sagen kann: „Was übrigens Oskar
anbelangt, so möchte er gewiß lieber katholisch
sein. Aber das Vergnügen, beichten gehen zu
dürfen, käme ihm vorläufig noch zu teuer zu
stehen. Es wird wohl auch im Testament vor¬
gesehen sein, daß er nicht überhüpft.“
Dieses Söhnchen verputzt das Geld mit di
versen Dämchen, ist aber sonst ein fescher Kerl,
Reserveoffizier bei den Dragonern sogar, nur ist
ihm der Vater im Innern recht zuwider, wie das
ganze Judentum. Er geht sogar so weit, daß
er vor der Kirche den Hut lüftet, vielleicht, um
sich vor den vorübergehenden Aristokraten als
Katholik auszugeben. Dabei wird er von seinem
Vater überrascht, der von einer fassungslosen Wut
ergriffen, ausholt und ihn auf offener Straße
ohrfeigt. Ein zu knallgrelles Erziehungsmittel und
zu spät angewendet.
Oskat, der Reserveleutnant, darf diese
Schmach nicht überleben. Er greift zum Revol¬
ver, trifft sich aber schlecht. Nachdem er wieder¬
Deutsches Reich.
Berlin. Die Generalversammlung der
Gesellschaft zur Förderung der Wissen¬
chaft des Indentums
welche am 28. Dezember abends 8 Uhr in der Aula
er Knabenschule der jüdischen Gemeinde, Große Ham¬
burgerstraße 27, abgehalten wird, hat folgende
Lagesordnung: 1. Bericht; 2. Decharge; 3. Antrag
des Ausschusses betr. Ergänzung der Satzungen. § 3c
erhält folgenden Zusatz: Der Vorstand ist berechtigt,
Lehrern an Elementar= und Religionsschulen auf
ihren Antrag den Jahresbeitrag auf 4,50 ¾
zu
ermäßigen; 4. Wahlen; 5. Vortrag des Professors
an der Universität zu Berlin, Dr. Nikolaus Müller:
Ueber den ältesten jüdischen Friedhof im Abendland,
ie Katakombe vor der Porta Portese in Rom, auf
Grund seiner Ausgrabungen und Forschungen.
Karlsruhe i. B. Der durch seine Agitation in
der Gebeibuchfrage in der gesamten badischen Juden¬
heit populär gewordene
Verein zur Wahrung der Interessen des
gesetzestreuen Judentums in Baden
beruft auf den 10. Januar 3½ Uhr in das hiesige
Hotel Lion seine Generalversammlung ein
Auf der Tagesordnung steht u. a. ein Vortrag
des Herrn Moritz A. Loeb=Frankfurt.
Breslau. Die verstorbene Witwe des Bankiers
Hille hat
für eine Altersversorgungsstiftung
vermacht, deren Insassen mindestens zur Hälfte Juden
ein müssen.
Oesterreich=Ungarn.
Wien. Allwöchentlich treten hier durchschnittlich
12
Jnden zum Christentum über. In der
jüngsten Austrittsliste aus dem
Judentume
inden wir neben Dienstmädchen, Arbeitern, Schüler
olgende Namen: Landesgerichtsrat Samuel Waller¬
tein, Arzt Dr. Eugen Marconici, Advokaturskan¬
ges Ritter
idat Dr. Marcell Soial, Victor Por
von Portheim, Arzi Rudolf Blum, Kapellmeister
Julius Katay, Pauline von Suppé, k. k. Hofschau¬
pieler Alexander Epstein (Elmhorst).
Trotz des fortgesetzten großen Abfalls bekommen
die sogenannten jüdischen Führer keine Einsicht.
Wien. Während ihm die 480 000 Protestanten
700000 Kronen jährlich kosten, hat
der Staat für die Kultusbedürfnisse
der Juden,
die 1¼ Million Seelen zählen, nicht mehr als
—
nämlich 10000 Kr. für
12000 Kronen übrig,
die „Israel.=theolog. Lehranstalt“ in Wien und 2000
kronen für die „Privatanstalt zur Heranbildung
der Lehrer für den mosaischen Religionsunterricht
in Lemberg.
Wien. Die zion. Abgeordneten Dr. Straucher
und Genossen haben an die Regierung eine
Interpellation
vegen der „Judenpässe“
die den nach Rußland reisenden Juden auf¬
gezivungen werden. gerichtet. In dieser Interpella
„Judenpässen“ erfolgt an der Grenze erst nach der
Abfertigung aller übrigen Reisenden. In einzelnen
Städten, so in Kiew und Moskau, dürfen die Juden
die besseren Hotels nicht bewohnen. Laut verläß
licher Mitteilungen von solchen Reisenden werden die
Inhaber sogenannter „Judenpässe“ allerhand Schi¬
anen ausgesetzt, denen zumeist erst durch erhebliche
Opfer abgeholfen werden kann.
Dieses vertragswidrige und feindselige Vorgehen
russischer Behörden und Amtsorgane gegenüber öster¬
reichischen Staatsangehörigen mosaischer Konfession,
die nach Rußland reisen, wird von den russischen
Konsulaten anderer Staaten, so England, Frank¬
reich, Deutschland, Amerika nicht geübt sondern
eben nur von den russischen Konsulaten Oesterreichs
gegenüber Juden der Bukowina und Galiziens.
Großbritannien.
London. In unserem Lande ist es Sitte,
zu
Gunsten wohltätiger Institutionen große Diners
zu
eranstalten, zu denen die angesehensten und wohl¬
habenden Juden der Gegend eingeladen werden und
die gewöhnlich auch erscheinen. Das Couvert wird
natürlich gut bezahlt, und außerdem bietet sich dabei
noch manche Gelegenheit, von den Teilnehmern für
den guten Zweck kleinere und größere Beträge zu er¬
halten. Ein solches Diner das vor einigen Tagen
zu Gunsten des Jüdischen Hospitals in
London stattfand, ergab für dieses Hospital die
Summe von
12000 Pfund Sterling
die in
einer der letzten Sitzungen eingebrac
vurde, war der Bauern=Abgeordnete Andre
chuk aus dem Gouvernement Wolhynien.
ich über die Stimmung der Duma zu vergewisser
ieß er einen Aufruf zirkulieren, in welchem
ausführt, die Interpellation sei nicht aus natie
ialem Haß zustandegekommen, sondern habe rein öl
nomische Ursachen. Andrejtschuk kam nun mit seine
Aufruf auch zu einem andren Bauern=Abgeordnete
namens Kropotow aus dem Gouverneme
Wjatka (Nordost=Rußland). Zwischen den beide
entspann sich folgendes Gespräch:
„Um was handelt es sich bei der Inter
ellation?“ fragte Kropotow.
„Die Juden sollen sich nicht außerhalb de
Ansiedlungsrayons niederlassen dürfen.“
„Woher seit Ihr denn?
„Aus dem Gouvernement Wolhnnien.“
In Eurer Gegend dürfen doch aber je
chon die Juden wohnen?“
„Jawohl.“
„Nun also, warum beunruhigt Ihr Eucht
ragte Kropotow weiter. „Wenn die Juden vo
Euch weggehen und zu uns kommen, so müßtet Ih
doch Gott danken, wenn Ihr sie los werdet! Laß
ie also gehen und freut Euch! Ihr schrei
immerfort daß die Inden schlecht sind
und jetzt kommt Ihr zu uns und bitte
uns, man solle sie ja bei Euch lassen
Tragt Ihr viekleicht Sorge um unser Wohl? Dan
seid nur unbekümmert, denn wir haben unser
eigenen „orthodoxen“ Sorgen, die vielleicht vie
schlimmer sind als Eure „jüdischen“
Darauf blieb das Wolhynische Bäuerlein die
Antwort schuldig.
Helsingfors. Mitten im rauhen Winter sind jetz
30 arme jüdische Familien
aus Finnland ausgewiesen worden, ein Schick
al, das jeden Tag zahlreiche weitere jüdische Fami#
lien treffen kann. Darf doch gesetzlich ein Jnd
tur in den finnischen Städten Helsingfors, Ab
*
und Wiborg wohnen, aur auch dieses Wohnrech
ist mit unglaublich entwürdigenden Bestimmungen
verbunden. Obwohl die meisten Juden im Land
geboren sind, muß dessenungeachtet ein jeder vor
ihnen alle 6 Monate einen Aufenthaltsschein er
alten, in dem angegeben wird, daß er nur mi
Zigaretten, alten Kleidern und dergleichen handel
arf. Heiratet ein Jude, so soll er nach dem Gesetze
aus dem Lande gewiesen werden.
Personalien.
Berlin. Im Alter von 76 Jahren verschtel
Frau Geh. Kommerzienrat Alwine Lachmann
geb. Kalmus, Mutter des Justizrats E. Lachmnn
des Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Juden
und Schwiegermutter des Professors Dr. Felis, leber
mann.
Arzt des Marienkrankenhauses, erhielt das Kontur
kreuz des russischen Stanislaus=Or
dens mit dem Stern.
Mainz. Bei der Vorstandswahl de
israelit. Gemeinde wurde Herr S. Cahn
wviedergewählt, Herr Justizrat Dr. Loeb —
be¬
kannt durch seine Rede auf dem letzten deutschem
Judentag in Frankfurt a. M. — und Herr Loe¬
vensberg neu gewählt.
E. G.
Kalk bei Köln. Herm. Cahn, Vorstands
nitglied der israel. Gemeinde, wurde zum Stabt
verordneten gewählt.
Braunschweig. Dr Schäfer, seit 35 Jahren
Oberlehrer an der Jacobson=Schule in Seesen,
hielt den Titel Prosessor, Landtagsabgeordneter
Stadtrat Emil Glaser=Blankenburg das Rit¬
terkreuz 2. Klasse des Orden Heinrich
des Löwen.
Berwangen. Fanni Ries geb. Fröhlich
Witwe des Lehrers Samuel Ries, feierte in körper
licher und geistiger Rüstigkeit ihren 92. Geburts¬
tag.
Posen. Kgl Auktions=Kommissarius Ludwig
Mannheimer ist im Alter von 76 Jahren ver¬
chieden. Er gehörte seit 32 Jahren der Stadt¬
verordnetenversammlung an und war Vorsitzender
es Vereins zur Förderung des Handwerks unter den
Juden in Posen.
In Exin wurde Kaufmann Jakob Leiser
er Vorsteher der jüd. Gemeinde, zum Stadt
verordneten gewählt
Natibor. Am 19. d. Mts. verschied Herr Hei¬
mann Wachsner, seit einer Reihe von Jahren
Vorstandsmitglied der jüd. Gemeinde.