box 3/2
23. Der Nec ins Freie
ARRRRRR RRRRARRARRRRRASAAAsssSsssssaAsasee
von starkem Vertrauen und tieferer Anhänglichkeit führt
7
ihn zu der stillen, vornehmen Anna, die ihrer bürgerlichen Faneilic
7
zu einem höheren Fluge entwichen wäre, wenn sie nicht ihre Stimme
Vor
verloren hätte. So hat sich eine berufene Künstlerin in die be¬
nitler der eigentlich
scheidene Existenz einer Musiklehrerin gehüllt, eine von den selb¬
die Benfelkung gekenn¬
ständigen, selbstdenkenden, beherrschten Frauen, die schamhaft stolz
it diesem Mangel, den
verschlossen nichts verlangen, als was ihnen freiwillig gegeben wird,
e sich auch der Roman
und die wieder durch ihre klare Offenheit aus jeder Sitnation ihre
ehnten Jahrhunderts zu
Würde retten. Das Verhältnis bleibt nicht ohne Folgen, aber die
auch in Europa kaum
vor allem zur Mutter Bestimmte bringt ein totes Kind zur Welt.
ng des Verstandes und
Es ist der Reiz und der Wert dieser Liebesgeschichte, daß sie mit
delikateste Kenner der
feinster Umsicht ganz ohne Schwärmerei und ohne Empfindsamkeit durch¬
uch Blatt für Blatt
geführt wird. Sie stammt von einem subtilen Kenner, der sich durchaus
muhelos zufließenden
zwischen Stendhal und Flaubert behaupten kann. Schnitzler hat
#ide nicht, was er als
alles getan, um sich die Banalität einer bürgerlichen Tragödie vom
er Seite man es über¬
Leibe zu halten, um nicht das soziale Pathos eines Musikus Miller
#eeinwenden, daß es
gegen den adligen Verführer aufzurufen, und es scheint mir fast,
Anal auf die eigene an¬
daß er zu viel getan hat, um diese ehrbare Familie Rosner in Ruhe
Lutige Leben um keine
zu halten. Die Distanz zwischen einem Baron und einem unbe¬
öchte. Aber es handelt
chöltenen Bürgerhause ist denn schließlich doch nicht groß genug, um
von Frage= und Aus¬
solche Gefügigkeit und Passivität selbstverständlich zu machen. Anna
rd sich ohne willkürliche
liebt bedingungslos, während Georg seine Leidenschaft als eine
ren Iuterpunktion ent¬
amour à concession behandelt, die sich mit egoistischen Rücksichten,
m Zwiespalt der Orga¬
mit Bequemlichkeiten und Halbheiten aller Art vertragen
iptteile, die zusammen¬
muß.
Er ist kein Mann, um bedingungslos vorher Ja
oder Nein zu sagen. Wäre das Kind am Leben geblieben, wahr¬
besgeschichte des Barons
scheinlich hätte er es durch die Ehe legitimiert; so aber entgleitet
endet, und er setzt auf
er der Geliebten allmählich wieder, einfach weil er sich noch nicht
ren Überbau, der das
für immer binden kann, und Anna hält ihn nicht; denn sie weiß
ums im heutigen Öster¬
diese Ehrlichkeit des Egoismus höher zu schätzen als bloßes Mitleid
fehlt die gemeinsame
oder auferlegtes Pflichtgebot, das ihr einfacher Sinn durchschauen
obenhin dadurch her¬
und ihr Stolz nicht ertragen würde. Auf keinen Fall wird sie ihre
ise mit Juden verkehrt,
Halkung verlieren; vielleicht wird sie die Lieder dieses beinahe ge¬
en eigentlich verleiden
wissenheften Clavigo nicht mehr singen mögen, der nun als Kapell¬
aus Neigung oder
meister in eine kleine deutsche Residenz geht, um dort oder wo
Eigensinn, mit dem
anders gewiß als Intendaut zu enden. Aber er wird es
umer wieder auf das
ihr als die Frucht ihrer ehrlich fordernden und prüfen¬
den Klarheit danken,
Jedenfalls könnte
wenn der Dilettant seine ungedul¬
enhang mit allen diesen
digen und unbeständigen Fähigkeiten zusammenraffen lernt,
a bis ins Unendliche
um noch als schaffender Künstler mit Anstand zu gelten. Diese Ge¬
omag die Novelle, auf
schichte, die man sich auf feinste Schnitzlersche Art vorgetragen und
n ist, schnell vorweg¬
ausgelegt denken muß, ließe sich aus dem Roman herauslösen, um
Meister der „Liebelei“
für sich als eine Studie von hoher künstlerischer Besonnenheit zu
und härter geworden ist.
existieren, die ihre psychologischen Projektionen über diesen Fall von
enheit als Schnitzlers
einem starken und einem schwachen Herzen weit hinaust irft. Das
htsinn noch, ein wenig
Kind hat einen Augenblick gelebt und in diesem Augerblick stand
jedenfalls ein Mann,
Georg zwischen zwei Generationen, das empfangene Leben weiter¬
e Zügel ganz zu ver¬
gebend und seinem großen einfachen Willen dienend, der nur die
de versetzt, er flirtet
Gattung kennt und unser bißchen Individualität so erhebend zu
aber eine Neigung
demütigen weiß. Das große Normale hat er vorwegnehmend durch¬
lebt, und wieder aus Reih' und Glied geworfen, ist er auf den
früheren Zustand des Irregulären egoistisch zurückgewichen, nur daß
er seine kleinen Abenteuer nicht mehr als große führen wird, mit
geringerem Einsatz und verdoppelter Sparsamkeit des Gefühls.
Schnitzler hat sich durchaus gehütet, auf den Scheitel seines Helden
besondere Ehrenqualitäten zu häufen; seine beste Eigenschaft ist die
Zurückhaltung; er treibt weder seine Vorzüge noch seine Mängel ins
Glänzende, und es ist gerade seine Vorurteilslosigkeit, seine Duld¬
samkeit, verbunden mit guten Manieren, die ihn zwischen lauter
eckigeren und rücksichtsloser bewegten Figuren in einer gewissen
Passivität verlöschen läßt. Seine wohlwollende Neutralität wird nur
in Anspruch genommen, um die fast aufreibende Debatte über das
Jndentum zu ertragen, die den weitaus größeren Teil des Buches aus¬
füllt. Dem Künstler und Kunstliebhaber in diesem Buron kann der Ver¬
kehr mit seinen Standesgenossen nicht genügen, und so zieht es ihn in einen
von den jüdischen Salons, die bei allem Snobismus in einer literarischen
Sphäre liegen, und in denen man sich nur mit Witz, mit Geistes¬
gegenwart, mit irgend einem Schein von Überlegenheit behaupten
kann. Diese Ehrenbergs mögen für Wien und nicht nur für Wien
typisch sein. Die Frauen bleiben immer anziehend, von einer Viel¬
eitigkeit, die sich mit Nam' und Art von übere l anschmiegsam verträgt
und trotz ihrer dauernd erregten, nach keiner Seite verschlossenen Ein¬
drucksfähigkeit ermüden sie nicht weil sie unter dieser plauschenden
Frivolität doch an irgend eine Tiefe von Treu und Glauben, von einer
Anhänglichkeit, einer Verzagnis oder Seelennot glauben machen. Ihre
gepflegte Lustigkeit haucht vielleicht in Augenblicken mit der Kühle
der Einsamkeit an, die wir in besonders geselligen Naturen nicht
grundlos vermuten. Es ist, als ob solche geübten Fragestellerinnen
mit einer letzten großen Frage zurückhielten, die ausgesprochen, sie
verstummen müßte. In diesem Hause stellen auch Vater und Sohn
einen Typus des Extrems dar. Der Alte, ein recht unsentimentaler
Geschäftsmann, möchte doch nicht sterben, ohne Jerusalem gesehen
zu haben, und der Junge hat sich als Reservelentnant seinem Um¬
gang schon so ausgezeichnet akklimatisiert, daß er an keinem Kirchen¬
portal vorübergehen kann, ohne es zu
grüßen.
Um sie
720
herum lernt nun Baron Georg alle Spielarten des Juden¬
tums kennen, von dem begeisterten Zionisten bis zu dem
Kavalier, der jedem versichert, daß er Jude ist, weil man es sonst
nicht glauben würde, und der die Hand stets an der geladenen
Pistole hat für den Fall, daß irgend jemand diese Eröffnung auch
nur mit dem unwillkürlichsten Zucken eines despektierlichen Lächelns
beantworten sollte. Alle diese Leute, meint Schnitzler oder der
Baron, kommen nie zu einer rechten Ruhe, weil sie ihr Indentum
zu ausdrücklich betonen oder verschweigen und man läßt sie auch
nicht zur Ruhe kommen, weil kein Christ sich rein mit ihrer Per¬
sönlichkeit ohne irgend einen stillen Vorbehalt gegen die Rasse be¬
schäftigen kaan.
Die Juden mögen ihr neues Vaterland aoch so leidenschaftlich
lieben, sie werden immer wieder daran erinnert, daß sie Fremde sind,
daß es Gefühle, Instinkte gibt, auf die sie kein Recht haben, und
so geht aus dieser Unsicherheit, aus dieser dauernden Gereiztheit
eine Nervositär hervor, die auch den bestmeinenden ungeduldig
macht, nicht zuletzt übrigens gegen die Seiten dieses Buches, die
eine der unfruchtbarsten Diskussionen immer wieder aufnehmen.
23. Der Nec ins Freie
ARRRRRR RRRRARRARRRRRASAAAsssSsssssaAsasee
von starkem Vertrauen und tieferer Anhänglichkeit führt
7
ihn zu der stillen, vornehmen Anna, die ihrer bürgerlichen Faneilic
7
zu einem höheren Fluge entwichen wäre, wenn sie nicht ihre Stimme
Vor
verloren hätte. So hat sich eine berufene Künstlerin in die be¬
nitler der eigentlich
scheidene Existenz einer Musiklehrerin gehüllt, eine von den selb¬
die Benfelkung gekenn¬
ständigen, selbstdenkenden, beherrschten Frauen, die schamhaft stolz
it diesem Mangel, den
verschlossen nichts verlangen, als was ihnen freiwillig gegeben wird,
e sich auch der Roman
und die wieder durch ihre klare Offenheit aus jeder Sitnation ihre
ehnten Jahrhunderts zu
Würde retten. Das Verhältnis bleibt nicht ohne Folgen, aber die
auch in Europa kaum
vor allem zur Mutter Bestimmte bringt ein totes Kind zur Welt.
ng des Verstandes und
Es ist der Reiz und der Wert dieser Liebesgeschichte, daß sie mit
delikateste Kenner der
feinster Umsicht ganz ohne Schwärmerei und ohne Empfindsamkeit durch¬
uch Blatt für Blatt
geführt wird. Sie stammt von einem subtilen Kenner, der sich durchaus
muhelos zufließenden
zwischen Stendhal und Flaubert behaupten kann. Schnitzler hat
#ide nicht, was er als
alles getan, um sich die Banalität einer bürgerlichen Tragödie vom
er Seite man es über¬
Leibe zu halten, um nicht das soziale Pathos eines Musikus Miller
#eeinwenden, daß es
gegen den adligen Verführer aufzurufen, und es scheint mir fast,
Anal auf die eigene an¬
daß er zu viel getan hat, um diese ehrbare Familie Rosner in Ruhe
Lutige Leben um keine
zu halten. Die Distanz zwischen einem Baron und einem unbe¬
öchte. Aber es handelt
chöltenen Bürgerhause ist denn schließlich doch nicht groß genug, um
von Frage= und Aus¬
solche Gefügigkeit und Passivität selbstverständlich zu machen. Anna
rd sich ohne willkürliche
liebt bedingungslos, während Georg seine Leidenschaft als eine
ren Iuterpunktion ent¬
amour à concession behandelt, die sich mit egoistischen Rücksichten,
m Zwiespalt der Orga¬
mit Bequemlichkeiten und Halbheiten aller Art vertragen
iptteile, die zusammen¬
muß.
Er ist kein Mann, um bedingungslos vorher Ja
oder Nein zu sagen. Wäre das Kind am Leben geblieben, wahr¬
besgeschichte des Barons
scheinlich hätte er es durch die Ehe legitimiert; so aber entgleitet
endet, und er setzt auf
er der Geliebten allmählich wieder, einfach weil er sich noch nicht
ren Überbau, der das
für immer binden kann, und Anna hält ihn nicht; denn sie weiß
ums im heutigen Öster¬
diese Ehrlichkeit des Egoismus höher zu schätzen als bloßes Mitleid
fehlt die gemeinsame
oder auferlegtes Pflichtgebot, das ihr einfacher Sinn durchschauen
obenhin dadurch her¬
und ihr Stolz nicht ertragen würde. Auf keinen Fall wird sie ihre
ise mit Juden verkehrt,
Halkung verlieren; vielleicht wird sie die Lieder dieses beinahe ge¬
en eigentlich verleiden
wissenheften Clavigo nicht mehr singen mögen, der nun als Kapell¬
aus Neigung oder
meister in eine kleine deutsche Residenz geht, um dort oder wo
Eigensinn, mit dem
anders gewiß als Intendaut zu enden. Aber er wird es
umer wieder auf das
ihr als die Frucht ihrer ehrlich fordernden und prüfen¬
den Klarheit danken,
Jedenfalls könnte
wenn der Dilettant seine ungedul¬
enhang mit allen diesen
digen und unbeständigen Fähigkeiten zusammenraffen lernt,
a bis ins Unendliche
um noch als schaffender Künstler mit Anstand zu gelten. Diese Ge¬
omag die Novelle, auf
schichte, die man sich auf feinste Schnitzlersche Art vorgetragen und
n ist, schnell vorweg¬
ausgelegt denken muß, ließe sich aus dem Roman herauslösen, um
Meister der „Liebelei“
für sich als eine Studie von hoher künstlerischer Besonnenheit zu
und härter geworden ist.
existieren, die ihre psychologischen Projektionen über diesen Fall von
enheit als Schnitzlers
einem starken und einem schwachen Herzen weit hinaust irft. Das
htsinn noch, ein wenig
Kind hat einen Augenblick gelebt und in diesem Augerblick stand
jedenfalls ein Mann,
Georg zwischen zwei Generationen, das empfangene Leben weiter¬
e Zügel ganz zu ver¬
gebend und seinem großen einfachen Willen dienend, der nur die
de versetzt, er flirtet
Gattung kennt und unser bißchen Individualität so erhebend zu
aber eine Neigung
demütigen weiß. Das große Normale hat er vorwegnehmend durch¬
lebt, und wieder aus Reih' und Glied geworfen, ist er auf den
früheren Zustand des Irregulären egoistisch zurückgewichen, nur daß
er seine kleinen Abenteuer nicht mehr als große führen wird, mit
geringerem Einsatz und verdoppelter Sparsamkeit des Gefühls.
Schnitzler hat sich durchaus gehütet, auf den Scheitel seines Helden
besondere Ehrenqualitäten zu häufen; seine beste Eigenschaft ist die
Zurückhaltung; er treibt weder seine Vorzüge noch seine Mängel ins
Glänzende, und es ist gerade seine Vorurteilslosigkeit, seine Duld¬
samkeit, verbunden mit guten Manieren, die ihn zwischen lauter
eckigeren und rücksichtsloser bewegten Figuren in einer gewissen
Passivität verlöschen läßt. Seine wohlwollende Neutralität wird nur
in Anspruch genommen, um die fast aufreibende Debatte über das
Jndentum zu ertragen, die den weitaus größeren Teil des Buches aus¬
füllt. Dem Künstler und Kunstliebhaber in diesem Buron kann der Ver¬
kehr mit seinen Standesgenossen nicht genügen, und so zieht es ihn in einen
von den jüdischen Salons, die bei allem Snobismus in einer literarischen
Sphäre liegen, und in denen man sich nur mit Witz, mit Geistes¬
gegenwart, mit irgend einem Schein von Überlegenheit behaupten
kann. Diese Ehrenbergs mögen für Wien und nicht nur für Wien
typisch sein. Die Frauen bleiben immer anziehend, von einer Viel¬
eitigkeit, die sich mit Nam' und Art von übere l anschmiegsam verträgt
und trotz ihrer dauernd erregten, nach keiner Seite verschlossenen Ein¬
drucksfähigkeit ermüden sie nicht weil sie unter dieser plauschenden
Frivolität doch an irgend eine Tiefe von Treu und Glauben, von einer
Anhänglichkeit, einer Verzagnis oder Seelennot glauben machen. Ihre
gepflegte Lustigkeit haucht vielleicht in Augenblicken mit der Kühle
der Einsamkeit an, die wir in besonders geselligen Naturen nicht
grundlos vermuten. Es ist, als ob solche geübten Fragestellerinnen
mit einer letzten großen Frage zurückhielten, die ausgesprochen, sie
verstummen müßte. In diesem Hause stellen auch Vater und Sohn
einen Typus des Extrems dar. Der Alte, ein recht unsentimentaler
Geschäftsmann, möchte doch nicht sterben, ohne Jerusalem gesehen
zu haben, und der Junge hat sich als Reservelentnant seinem Um¬
gang schon so ausgezeichnet akklimatisiert, daß er an keinem Kirchen¬
portal vorübergehen kann, ohne es zu
grüßen.
Um sie
720
herum lernt nun Baron Georg alle Spielarten des Juden¬
tums kennen, von dem begeisterten Zionisten bis zu dem
Kavalier, der jedem versichert, daß er Jude ist, weil man es sonst
nicht glauben würde, und der die Hand stets an der geladenen
Pistole hat für den Fall, daß irgend jemand diese Eröffnung auch
nur mit dem unwillkürlichsten Zucken eines despektierlichen Lächelns
beantworten sollte. Alle diese Leute, meint Schnitzler oder der
Baron, kommen nie zu einer rechten Ruhe, weil sie ihr Indentum
zu ausdrücklich betonen oder verschweigen und man läßt sie auch
nicht zur Ruhe kommen, weil kein Christ sich rein mit ihrer Per¬
sönlichkeit ohne irgend einen stillen Vorbehalt gegen die Rasse be¬
schäftigen kaan.
Die Juden mögen ihr neues Vaterland aoch so leidenschaftlich
lieben, sie werden immer wieder daran erinnert, daß sie Fremde sind,
daß es Gefühle, Instinkte gibt, auf die sie kein Recht haben, und
so geht aus dieser Unsicherheit, aus dieser dauernden Gereiztheit
eine Nervositär hervor, die auch den bestmeinenden ungeduldig
macht, nicht zuletzt übrigens gegen die Seiten dieses Buches, die
eine der unfruchtbarsten Diskussionen immer wieder aufnehmen.