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23. Der
Die jüdische Seele kommt auch im eigensten Bezirk nicht zur Ruhe;
ich so weit von der Rasse, um nicht noch an diesem nationalen
Schamgefühl teilzunehmen. Sie sind eben wie Gefangene, die alle
dieselbe Kette drückt, die einander nicht helfen können, weil in der
Intimität der Gefangenschaft die Distanz und damit die Möglichkeit
des Respekts aufhört. Kein Jude hat Respekt vor dem andern.
Gemeinsam kann das Judentum nichts unternehmen, um den „Weg
ins Freie“ zu finden, und es wird nicht einmal dem Einzelnen er¬
lauben, ihn für sich zu suchen. Das ist, ohne Rücksicht auf alle
feineren Nuancen, die Summe der Meinungen, die Schnitzler von
den verschiedenen Repräsentanten des Judentums „zusammentragen
läßt. Es kann nicht gesunden, besonders nicht in einem so un¬
gesunden Lande wie Österreich, dessen öffentliches Leben von Un¬
aufrichtigkeit beherrscht wird. Nicht einmal der Haß ist da echt,
von dem die Parteien leben, nur die Mißgunst und die kleinliche
Auflehnung gegen das Talent, gegen alle Tüchtigkeit und Unab¬
hängigkeit. Schnitzlers eigenes Talent hat die spezifisch österreichische
Sinnlichkeit, die etwas quietistische Wiener Urbanität mit jüdisch
analytischem Geiste aufs glücklichste amalgamiert. Um so merk¬
würdiger dieses Bekenntnis der Hoffnungslosigkeit, der Zerriebenheit,
diese doppelte nationale Trauer, die dem Buche die Seele gegeben
hat, eine Seele, die sich nun allerdings den entsprechenden Körper
nicht bauen konnte.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie ein Zola oder
Maupassant, beide auf verschiedene Art unerschrockene Hand¬
werker, die mit der schweren Maschinerie des Romans um¬
zugehen wußten
, das innere Erlebnis auf eine äußere
Aktion gebracht hätten. Man konnte einen überzeugten Juden
nehmen,
der auf alle typischen Hindernisse der widerstehenden
Welt stößt, oder einen erfolgreichen Renegaten, der doch mit den
letzten inneren Widerständen in sich selbst nicht fertig wird. Schnitzler
hat nicht die Faust, um eine aus tausend Widersprüchen gebildete
Materie zu einer primitiven Wucht zusammenzufassen, auch als
Dramatiker hat er dieses dramatische Ungestüm nicht bewiesen, das
über das unendliche Spiel der Nuance von sich selbst fortgerissen
in glücklicher Blindheit hinwegstürmen müßte. Zu ihm sprachen
zu viel Stimmen, von denen keine ungehört bleiben wollte,
und so hat seine Gerechtigkeit oder sein Steptizismus die Form
der Debatte gewählt, die nun wieder nicht für sich allein
existieren kann, weil er das Thema mit den Privaterlebnissen
des Barons Georg in einen recht äußerlichen und häufig verstörenden
Zusammenhang gebracht hat. Wenn Schnitzler nicht nur aus Ohn¬
macht, sondern viel gewisser aus der Delikatheit seines Geschmacks
der traditionellen Banalität einer geradlinig konstruierten Aktion
auswich, so kann man sich andererseits eine reinere Form der bloß
gedanklichen Auseinandersetzung, der bedeutenden Plauderei vorstellen,
die Männer wie Anatole France und Theodor Fontane diesem Thema
gegenüber wohl gefunden hätten. Zu dieser modernsten, bequemsten, vom
Stoff am wenigsten belasteten Technik berechtigt vielleicht nur die Weis¬
heit des Alters, wie der greise Nestor in Homers Schätzung mit Reden
statt mit Taten vollgültig zahlen darf. Zu dieser Freiheit fehlt es
n
Schnitzler höchstens an Jahren, ganz gewiß nicht an der produk¬
tiven Kraft des Esprits. Man könnte sich eher über ein Zuviel
beklagen. Nicht als ob Schnitzler seinem Dialog Gedankensplitter
einsetzt, die man zu beliebiger Verwendung wieder herausnehmen
könnte, wie es sich eines Oscar Wilde industriöse Unverfrorenheit
tatsächlich erlaubt hat. Aber da es sich hier um ein Milieu von
Schriftstellern und verwandten Naturen handelt, so wird die Debatte
ast
durchgängig von Leuten bestritten, deren Beruf
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st, Geist zu haben. Wenn schon der Jude von Natur die
Neigung besitzt, sich selbst mit großer Bewußtheit entgegenzutreten
und sein Ich ironisch zu spalten, wenn der Schriftsteller von Berufs
wegen diese Fertigkeit der Beobachtung und Selbstanalyse ausüben
muß, so kann man sich vorstellen, bis zu welchem Grade von Durch¬
ichtigkeit Schnitzler selbst, als der Klügste von allen, seine Figuren
durchleuchtet hat, eben bis zu dem Grade, daß ste eine warme
physische Existenz zu verlieren scheinen. Gewiß hat der Dichter
olche Wirkung der Unruhe hervorbringen wollen, um die krankhafte
Nervosität der immer mit sich selbst beschäftigten jüdischen Seele zu
kennzeichnen; erweckt er doch die Vorstellung von Leuten, die sich mit
erhobenen Spiegeln gegenübertreten, um statt des Wirklichen nur ihre
Bilder in unendlicher Vervielfältigung zu sehen. Und alle diese Zeute be¬
urteilen sich und ihr Gegenüber bis in die allertiefsten Grade des
Bewußtseins mit einer Schonungslosigkeit, die kein Geheimnis an¬
erkennt, mit einer Beharrlichkeit des Blickes, der vor lauter An¬
treugung wieder blind wird, nur um neue feinere Selbsttäuschungen
hervorzubringen.
Aber es fragt sich, ob im Namen des Themas, das ein¬
mal zur Verhandlung gestellt, seine Rechte hat, nur diese
Wirkung erreicht werden durfte. Die Idee des Buches ist nicht zu
ihrem Recht gekommen, weil seine Konzeption trotz aller Breite im
Einzelnen sich als nicht weit, nicht aufnahmefähig genug erwies.
Auf der schmalen Reibungsfläche, die Schnitzler gewählt hat, spielen
sich durchaus nicht die bedeutendsten Konflikte zwischen dem
Judentum und seinen Gegnern ab. Es ist eben nur die bekannte
Schnitzlersche Welt, um deren Besitz oder um deren Anerkennung
Satisfaktionsfähigkeit, der artistischen Träumerei und des ästhetischen
Komforts. Diese noch dazu fingierte Welt, die ohne Beziehungen
zu dem wirklich aristokratischen und unveränderlichen Altwien allein
durch seine graziöse Kunst existiert, hat durchaus nicht die Macht,
über einige gesellige Beziehungen hinaus eine Entscheidung zu treffen.
An ihr kann nichts gemessen werden, am wenigsten eine Gemeinschaft,
die von unten bis oben mit größerer oder geringerer Dichtigkeit an
vom Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Eitelkeit und im Verhältnis
zum Kavalierstum betrachten, so ist es allerdings kein Wunder,
daß sie während des Buches zu keinem Ruhpunkte kommen und es
mit einer quälenden Nervosität erfüllen. Sie hätten sich eben der
Schnitzlerschen Welt fernhalten sollen, um nicht von Kreaturen ab¬
zuhängen, die sie im Grunde gemacht haben. Gelegentliche Aus¬
flüge in die Welt, in der man arbeitet, hätten gewiß dazu gedient,
die Stetigkeit des seelischen Gleichgewichts wenigstens an einigen
Punkten zu
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Die jüdische Seele kommt auch im eigensten Bezirk nicht zur Ruhe;
ich so weit von der Rasse, um nicht noch an diesem nationalen
Schamgefühl teilzunehmen. Sie sind eben wie Gefangene, die alle
dieselbe Kette drückt, die einander nicht helfen können, weil in der
Intimität der Gefangenschaft die Distanz und damit die Möglichkeit
des Respekts aufhört. Kein Jude hat Respekt vor dem andern.
Gemeinsam kann das Judentum nichts unternehmen, um den „Weg
ins Freie“ zu finden, und es wird nicht einmal dem Einzelnen er¬
lauben, ihn für sich zu suchen. Das ist, ohne Rücksicht auf alle
feineren Nuancen, die Summe der Meinungen, die Schnitzler von
den verschiedenen Repräsentanten des Judentums „zusammentragen
läßt. Es kann nicht gesunden, besonders nicht in einem so un¬
gesunden Lande wie Österreich, dessen öffentliches Leben von Un¬
aufrichtigkeit beherrscht wird. Nicht einmal der Haß ist da echt,
von dem die Parteien leben, nur die Mißgunst und die kleinliche
Auflehnung gegen das Talent, gegen alle Tüchtigkeit und Unab¬
hängigkeit. Schnitzlers eigenes Talent hat die spezifisch österreichische
Sinnlichkeit, die etwas quietistische Wiener Urbanität mit jüdisch
analytischem Geiste aufs glücklichste amalgamiert. Um so merk¬
würdiger dieses Bekenntnis der Hoffnungslosigkeit, der Zerriebenheit,
diese doppelte nationale Trauer, die dem Buche die Seele gegeben
hat, eine Seele, die sich nun allerdings den entsprechenden Körper
nicht bauen konnte.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie ein Zola oder
Maupassant, beide auf verschiedene Art unerschrockene Hand¬
werker, die mit der schweren Maschinerie des Romans um¬
zugehen wußten
, das innere Erlebnis auf eine äußere
Aktion gebracht hätten. Man konnte einen überzeugten Juden
nehmen,
der auf alle typischen Hindernisse der widerstehenden
Welt stößt, oder einen erfolgreichen Renegaten, der doch mit den
letzten inneren Widerständen in sich selbst nicht fertig wird. Schnitzler
hat nicht die Faust, um eine aus tausend Widersprüchen gebildete
Materie zu einer primitiven Wucht zusammenzufassen, auch als
Dramatiker hat er dieses dramatische Ungestüm nicht bewiesen, das
über das unendliche Spiel der Nuance von sich selbst fortgerissen
in glücklicher Blindheit hinwegstürmen müßte. Zu ihm sprachen
zu viel Stimmen, von denen keine ungehört bleiben wollte,
und so hat seine Gerechtigkeit oder sein Steptizismus die Form
der Debatte gewählt, die nun wieder nicht für sich allein
existieren kann, weil er das Thema mit den Privaterlebnissen
des Barons Georg in einen recht äußerlichen und häufig verstörenden
Zusammenhang gebracht hat. Wenn Schnitzler nicht nur aus Ohn¬
macht, sondern viel gewisser aus der Delikatheit seines Geschmacks
der traditionellen Banalität einer geradlinig konstruierten Aktion
auswich, so kann man sich andererseits eine reinere Form der bloß
gedanklichen Auseinandersetzung, der bedeutenden Plauderei vorstellen,
die Männer wie Anatole France und Theodor Fontane diesem Thema
gegenüber wohl gefunden hätten. Zu dieser modernsten, bequemsten, vom
Stoff am wenigsten belasteten Technik berechtigt vielleicht nur die Weis¬
heit des Alters, wie der greise Nestor in Homers Schätzung mit Reden
statt mit Taten vollgültig zahlen darf. Zu dieser Freiheit fehlt es
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Schnitzler höchstens an Jahren, ganz gewiß nicht an der produk¬
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beklagen. Nicht als ob Schnitzler seinem Dialog Gedankensplitter
einsetzt, die man zu beliebiger Verwendung wieder herausnehmen
könnte, wie es sich eines Oscar Wilde industriöse Unverfrorenheit
tatsächlich erlaubt hat. Aber da es sich hier um ein Milieu von
Schriftstellern und verwandten Naturen handelt, so wird die Debatte
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und sein Ich ironisch zu spalten, wenn der Schriftsteller von Berufs
wegen diese Fertigkeit der Beobachtung und Selbstanalyse ausüben
muß, so kann man sich vorstellen, bis zu welchem Grade von Durch¬
ichtigkeit Schnitzler selbst, als der Klügste von allen, seine Figuren
durchleuchtet hat, eben bis zu dem Grade, daß ste eine warme
physische Existenz zu verlieren scheinen. Gewiß hat der Dichter
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Nervosität der immer mit sich selbst beschäftigten jüdischen Seele zu
kennzeichnen; erweckt er doch die Vorstellung von Leuten, die sich mit
erhobenen Spiegeln gegenübertreten, um statt des Wirklichen nur ihre
Bilder in unendlicher Vervielfältigung zu sehen. Und alle diese Zeute be¬
urteilen sich und ihr Gegenüber bis in die allertiefsten Grade des
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treugung wieder blind wird, nur um neue feinere Selbsttäuschungen
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Aber es fragt sich, ob im Namen des Themas, das ein¬
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