I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 232

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ang des Werkes ganz von selbst eine Triumphpforte von Neugierde,
von Vermutung und Erwartung.
Das soll nur gleich gesagt werden: Eine leichte, aber nicht zu
verbergende Enttäuschung hat sich beim ersten Anblick eingestellt.
Der Dichter selbst trägt vielleicht weniger Schuld daran, als das
Publikum; die Erwartungen waren zu groß, zu unbescheiden. Aber
es will manchem scheinen, daß „der Weg ins Freie“ nicht der große
Wiener Roman ist, den wir alle meinten. Gewiß, er spielt im
heutigen Wien, im heutigen Oesterreich und bringt eine Ueberfülle
von frappierenden Beobachtungen und Zügen aus unserem gesell¬
schaftlichen und öffentlichen Leben. Es sind darin sogar eine Reihe
von politischen und literarischen Episoden, Typen und geflügelten
Worten verwertet, die jedem einigermaßen Eingeweihten und zum
Teil jedem Zeitungsleser bekannt sind. Und dennoch, es ist nicht
das, was wir meinten und hofften, eine künstlerische Konzentration
des nach Einheit strebenden Durcheinanders, das man Oesterreich
nennt. Kein ruhiges übersichtliches Bild des zwischen gestern und
morgen pendelnden Wien — im Gegenteil, der Fremde, der diesen
Wiener Roman liest, wird uns am Ende für noch wirrer und un¬
ruhiger halten, als wir wirklich sind.
Es ist wohl ein charakteristischer Umstand, daß man die eigent¬
liche Fabel, den eigentlichen Helden dieses Romans gar nicht als das
Wichtigste empfindet, daß einem das Drum und Dran, die Einzel¬
heiten aus den politischen, literarischen und jüdischen Kreisen viel
merkwürdiger und wesentlicher erscheinen. Trotzdem ist dieser Held,
Georg Freiherr von Wergenthin, eine sehr feine und sympathische
Figur. Ein spielerisch und träumerisch veranlagter Stimmungs¬
mensch, raffiniert, paradox und auch ziemlich egoistisch und vor allem
sehr vornehm und kultiviert. Von Beruf ist er Lebenskünstler und
dilettierender Komponist, der sich seiner Absichten und Ziele noch gar
nicht klar bewußt ist. Den Inhalt des Romans bildet es nun, wie
aus diesem Schauenden und Genießenden ein ernster Arbeitender, ein
strenger Künstler wird, und zwar auf dem bittersüßen Umweg der
Liebe zu einem sanften weiblichen Wesen, der Klavierlehrerin Anna
Rosner. Das Verhältnis zwischen diesen zwei feinen Menschen
schildert der Dichter mit einer wunderbar schlichten und lauteren
Innigkeit. Wie ein lindes und süßes Volkslied tönt diese Liebe durch
den sonst so überaus polyphonen Roman. Dann, wenn die beiden
sich dem Kinde entgegensehnen, das schließlich tot zur Welt kommt, wo¬
durch in Georg alle zärtlichen und bürgerlichen Regungen erlöschen,
da gewinnt diese Liebesgeschichte unversehens eine ergreifende Größe.
Jetzt fühlt sich Georg von Wergenthin reif zu einem ernsten Beruf,
er geht als Hofkapellmeister nach Detmold und vielleicht wird er ein¬
mal noch ein großer Künstler die ersten Weihen, die der Ent¬
* * *
täuschung und des Schmerzes## er bereits empfangen.
Das ist die schlichte Fabel dieses Romans, der in den meisten
anderen Teilen fast wie ein Roman des spezifisch-jüdischen Wiens
anmutet. Dieser „Blick in die Tragikomödie des heutigen Juden¬
tums“ fördert manches Charakteristische und Bedeutsame zu Tage.
Alle Spielarten und Typen vom Jargonjuden alten Stils, bis zum
völlig vergeistigten skeptischen Gehirnmenschen ziehen vorüber. Aber
trotz der oft verblüffenden Schilderung und manches kostbaren weisen
Wortes bleibt das Ganze doch nur Fragment und Episode, und dazu
ist das Problem schließlich zu ernst. Zu einem selbständigen „Juden¬
roman“ scheint der Dichter nicht den Mut gefunden zu haben, und
*] Roman von Artur Schnitzler, Verlag von S. Fischer,
Berlin 1908.
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Cagesneuigkeiten.
Weihnachtsgeschenke 1908.
Es gibt Geschenke, die man immer und immer gerne macht. Zum
Beispiel Ort der Handkung: Der vornehmste Juwelierladen auf dem
Kohlmarkt. Eine kleine junge Dame, deren Verlobung in den Morgen¬
blättern stand, tritt begleitet von ihrem Papa ein. Sie werden vom
Juwelier, der alle Leute kennt und alle Morgenblätter liest, geradezu
herzlich begrüßt und beglückwünscht. Dann fragt er nur: „Wie soll
ER sein?“ „ER“ ist in diesem Fall der Ring für den Bräutigam.
„Klein und herzig,“ beeilt sich der Papa zu deklarieren. „Nein, groß
und imposant, demonstriert die Tochter. Und sie wird Recht behalten.
Der Ring ihres Bräutigams wird groß, imposant und aus Platin sein,
denn er gehört eben zu jenen Geschenken, die jeder Vater mit Freuden
rsteht, und die sich immer gleich bleiben. Nur daß die Verlobungs¬
ringe seit ein paar Jahren nicht mehr aus Gold, sondern aus Platin
sind, dessen ruhigere Färbung vorgezogen wird, ebenso wie auf den
übrigen Schmuckgegenständen jetzt die Perle dominiert. Sie bildet
auch das hauptsächliche Material zu den verschiedenen Neuheiten für
den heurigen Weihnachtstisch. Die Perlenkette allerdings mußte hinter
dem Perlenband zurückstehen. Es wird aus sich enge aneinanderschmie¬
genden Perlen gebildet, zwischen denen Brillanten eingereiht sind. In
derselben Art werden auch Armbänder hergestellt, die Perlenreihen
werden verschieden durcheinandergeflochten, wodurch merkwürdige Zeich¬
nungen entstehen, wie denn das aparte aber doch infolge des verwendeten
Materials stets diskret bleibende Aussehen der Hauptreiz dieser Schmuck¬
stücke ist. Die Dame, die etwa das bekannte in der Hand zu tragende
Täschchen noch nicht ihr Eigen nennt, wird sich natürlich zu Weihnachten
eines wünschen. Es gibt da etwas ganz Eigenes, Erzeugnisse einer Haus¬
industrie im Elsaß. Diese Täschchen sind aus feinstem Gold= oder
Platingeflecht. Durch Kombination von Platin, Gelbgold und Rotgold
werden auch Dessins erzielt, die in der Tonung an alte Gobelins er¬
innern. Eine Frau wird schon wunderschön und sein und schlank sein
müssen, um würdig zu erscheinen, eines dieser Täschchen in Händen
zu tragen. Nicht zu vergessen, sie muß auch tiefdunkelblond sein. Mit
einer Schwarzen würden diese zarten metallischen Nuancen zu stark
kontrastieren, und die Farben einer Hellblonden würden sie verschwinden
lassen. Aber es ist auch für alle anderen gesorgt. Da sind Samtbänder
mit einem Brillantendekor, die um den Hals getragen werden, natürlich
hauptsächlich zu dekolletierten Toiletten. Das Wechselspiel, dunkler
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