23.
Der Ne
ins Freie
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UNSERE HOFFNUNG
„Weg ins Freie“ auf, wie er kann. Die richtige Auffassung aber haben
nur wenige Glückliche. Es ist auch gar nicht notwendig, dass alle den
objektiv wahren Weg finden; sie sind ja mit dem Wege, der ihnen passt,
auch zufrieden.“
Diese Lebensanschauung ist dem Wiener Leben sehr glücklich ab¬
gelauscht. Aus ihr heraus sind alle die Typen des Wiener Gesellschafts¬
lebens gebildet und von einem guten Beobachter geschildert: Der leicht¬
lebige Baron, der jüdische Bankier, der Dichter, der Kritiker, der christ¬
lichsoziale Kleinbürger, die sozialdemokratische Agitatorin, die Wiener
Frauen, sie alle mit ihren Vorzügen und Fehlern sind mit einer gewissen
gutmütigen Ironie vom Dichter gezeichnet.
In diesem Kreise, bei dessen Vertretern ich leider in diesen Zeilen
nicht länger weilen kann, spielen die Juden eine bedeutende Rolle; es
entspricht ja der Wirklichkeit, dass in der Wiener Gesellschaft das jüdi¬
sche Element in allen seinen Spielarten sehr stark vertreten ist, mit allen
den Formen, wie sie der Dichter uns vorführt, vom jüdischen Snob, der
alles Jüdische von sich wirft, bis zum Juden, der sein Judentum fühlt
und sich mit ihm in irgendwelcher Weise auseinander setzt. Schnitz¬
ler hat nun dies letztere Moment auf die gesamte jüdische Welt, die
sich uns da auftut, projiziert. Wir hören und sehen in dem ganzen
Buche nichts anderes, als wie jeder.Einzelne mit seinem schweren Bündel
Judentum herumläuft, unter dieser Last ächzt und stöhnt und jedem Be¬
kannten, mag er nun Interesse dafür haben oder nicht, den ganzen
Inhalt dieses schweren Packs auskramt.
Golowski, der Zionist des Romanes, und Bermann, der Jude, den
sein Judentum so quält, führen vor dem Christen Georg einen endlosen
Disput über ihre Auffassungen der Judenfrage und der arme Georg kann
sich dagegen nicht wehren.
Solche Situationen sind entschieden eine Schwäche des Werkes und
ich halte die Wiener Juden der Wirklichkeit nicht für so taktlos.
Schnitzler ist da etwas zu weit gegangen. Vielleicht dass er seinen
eigenen Empfindungen über Judentum Ausdruck verleihen und dadurch
andeuten wollt“, wie schwer die Judenfrage auf den heutigen gebildeten
Juden lastet und wie vieler Mühe es bedarf, um da den „Weg ins Freie“
zu finden. Für uns ist das sehr interessant, schon als psychologische
Studie des Juden Schnitzler, aber wenn wir die Brille der uns
genehmen Tendenz abnehmen, so muss uns diese breite Auseinander¬
setzung des Kapitels „Die Juden“ als Fehler in der Komposition er¬
scheinen.
Die ganze Handlung des Roma s wird von dieser Abhandlung er¬
drückt: Georg und Anna hören lediglich Gespräche über das Judentum
an und gelegentlich — lieben sie einander. Allerdings die Idee, der Weg
ins Freie“, ist gerade in diesem jüdischen Teile deutlich zum Ausdruck
gebracht: die Einzelnen suchen ihn mit heissem Bemühen und finden den
Weg — den sie eben finden können. Cb nun Leo Golowski, „der Hellene
mit dem jüdischen Herzen“, den objektiv richtigen Weg fand, oder Ber¬
mann, der Ghettojude, (sowohl körperlich als geistig), oder der alte Ehren¬
berg, der fanatische Jude, oder alle die anderen, das ist jedem überlassen,
der ja auch den Weg gehen muss, der seinem Wesen entspricht und diese
Bahn für die richtige hält.
Die Ausführung dieser Idee und die Schilderung der einzelnen
Gesellschaftstypen im Judentum Wiens ist Schnitzler meisterhaft
gelungen, nur stört, wie gesagt, die zu starke Betonung des jüdischen
Elementes den künstlerischen Gesamteindruck, es wird nicht jene harmo¬
nische Einheit der Komposition erreicht, die die Einheitlichkeit des.
Der Ne
ins Freie
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UNSERE HOFFNUNG
„Weg ins Freie“ auf, wie er kann. Die richtige Auffassung aber haben
nur wenige Glückliche. Es ist auch gar nicht notwendig, dass alle den
objektiv wahren Weg finden; sie sind ja mit dem Wege, der ihnen passt,
auch zufrieden.“
Diese Lebensanschauung ist dem Wiener Leben sehr glücklich ab¬
gelauscht. Aus ihr heraus sind alle die Typen des Wiener Gesellschafts¬
lebens gebildet und von einem guten Beobachter geschildert: Der leicht¬
lebige Baron, der jüdische Bankier, der Dichter, der Kritiker, der christ¬
lichsoziale Kleinbürger, die sozialdemokratische Agitatorin, die Wiener
Frauen, sie alle mit ihren Vorzügen und Fehlern sind mit einer gewissen
gutmütigen Ironie vom Dichter gezeichnet.
In diesem Kreise, bei dessen Vertretern ich leider in diesen Zeilen
nicht länger weilen kann, spielen die Juden eine bedeutende Rolle; es
entspricht ja der Wirklichkeit, dass in der Wiener Gesellschaft das jüdi¬
sche Element in allen seinen Spielarten sehr stark vertreten ist, mit allen
den Formen, wie sie der Dichter uns vorführt, vom jüdischen Snob, der
alles Jüdische von sich wirft, bis zum Juden, der sein Judentum fühlt
und sich mit ihm in irgendwelcher Weise auseinander setzt. Schnitz¬
ler hat nun dies letztere Moment auf die gesamte jüdische Welt, die
sich uns da auftut, projiziert. Wir hören und sehen in dem ganzen
Buche nichts anderes, als wie jeder.Einzelne mit seinem schweren Bündel
Judentum herumläuft, unter dieser Last ächzt und stöhnt und jedem Be¬
kannten, mag er nun Interesse dafür haben oder nicht, den ganzen
Inhalt dieses schweren Packs auskramt.
Golowski, der Zionist des Romanes, und Bermann, der Jude, den
sein Judentum so quält, führen vor dem Christen Georg einen endlosen
Disput über ihre Auffassungen der Judenfrage und der arme Georg kann
sich dagegen nicht wehren.
Solche Situationen sind entschieden eine Schwäche des Werkes und
ich halte die Wiener Juden der Wirklichkeit nicht für so taktlos.
Schnitzler ist da etwas zu weit gegangen. Vielleicht dass er seinen
eigenen Empfindungen über Judentum Ausdruck verleihen und dadurch
andeuten wollt“, wie schwer die Judenfrage auf den heutigen gebildeten
Juden lastet und wie vieler Mühe es bedarf, um da den „Weg ins Freie“
zu finden. Für uns ist das sehr interessant, schon als psychologische
Studie des Juden Schnitzler, aber wenn wir die Brille der uns
genehmen Tendenz abnehmen, so muss uns diese breite Auseinander¬
setzung des Kapitels „Die Juden“ als Fehler in der Komposition er¬
scheinen.
Die ganze Handlung des Roma s wird von dieser Abhandlung er¬
drückt: Georg und Anna hören lediglich Gespräche über das Judentum
an und gelegentlich — lieben sie einander. Allerdings die Idee, der Weg
ins Freie“, ist gerade in diesem jüdischen Teile deutlich zum Ausdruck
gebracht: die Einzelnen suchen ihn mit heissem Bemühen und finden den
Weg — den sie eben finden können. Cb nun Leo Golowski, „der Hellene
mit dem jüdischen Herzen“, den objektiv richtigen Weg fand, oder Ber¬
mann, der Ghettojude, (sowohl körperlich als geistig), oder der alte Ehren¬
berg, der fanatische Jude, oder alle die anderen, das ist jedem überlassen,
der ja auch den Weg gehen muss, der seinem Wesen entspricht und diese
Bahn für die richtige hält.
Die Ausführung dieser Idee und die Schilderung der einzelnen
Gesellschaftstypen im Judentum Wiens ist Schnitzler meisterhaft
gelungen, nur stört, wie gesagt, die zu starke Betonung des jüdischen
Elementes den künstlerischen Gesamteindruck, es wird nicht jene harmo¬
nische Einheit der Komposition erreicht, die die Einheitlichkeit des.