I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 269

Der Neg ins Freie
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Ausguck. —
Wohnsitz von Wien nach Detmold
gedungenen (Dörders das Herz zer¬
fetzte. Da werden sie alle vor uns
verlegt, entfliebt man sich nicht.
Tiefgründig pflügt Schnitzlers Er¬
lebendig, der entbusiastische aber
zählungsart gerade nicht; wohl aber
schwache Drofessor Daumer, der er¬
bärmliche Schulmeister Quandt, der
ist sie anmutig, vornehm, einfach und
freche Schurke Leutnant Sickel, der
ein (Denschen¬
klar. Und wenn ihn
raffinierte Intrigant Lord Stanhope
schicksal packt, dann
chlägt er auch
und die (Dagistratsrätin Bebold, diese
ergreifende Töne an.
n meiner Jugend
geile Canaille. Wie grandios wirkt
hat mich trotz
Robinson und Leder
trumpf nichts so
dagegen die Gestalt des Gerichtsprä¬
identen Anselm von Feuerbach, dessen
wie das Schicksol
des rätselhaften
reines Rechtsgefühl und unbestechliche

Jünglings Caspar
Hauser. Es liefert
Wahrhaftigkeit auch vor Thronen
einen Beitrag zur
Geschichte der menschlichen Gemeinheit,
nicht haltmacht, und wie rübrend die
bolde Erscheinung der in selbstloser
wie man sie in so scheußlicher Ab¬
Aufopferung sich verzebrenden Frau
gründigkeit kaum für möglich halten
ollte. Aber was ist der (Denschheit
von Rannawurf. Daß Caspar Hauser
die von ihr gebotene Retterband
nicht zuzutrauen, die einen Sokrates
zurückwies, läßt sich nur dadurch er¬
vergiftet und einen Jesus ans Rreuz
geschlagen! Welche Untat brächte die
klären, daß man durch die Erziebung
seinen Geist planmäßig verwiert und
fanatische Dummbeit, dieses größte
seine Energie im Reime erstickt hatte.
aller Lafter, nicht fertig, zumal wenn
Das ist ja stets das Ergebnis jener
egoistische Interessen mitspielen. Als
Historiker viele Jahre mich mit den
ekelhaft pedantischen Schulmeisterei,
die kein böberes Siel kennt, als aus
Raspar Hauser=Fragen beschäftigend,
dem Sögling ein Seelenpräparat des
kam ich auch zu der Überzeugung,
Erziebers zu. machen. Drachtvoll hat
daß der Bedauernswerte ein durch
Wassermann diesen gefährlichsten seind
Verbrechen seinen Eitern geraubter
der (Denschheit in dem Cehrer Quandt
Fürstensohn sei. Von dieser Voraus¬
gezeichnet. Wassermann leistet über¬
setzung gebt Jakob Wassermann
haupt Außerordentliches in der (Den¬
in seinem Roman „Caspar Hauser
oder die Trägheit des Her¬
schendarstellung, und zwar mit den
zens“*) gleichfalls aus. Tief ergriffen
einfachsten (Ditteln. Die wirkt er af¬
fektiert oder patbetisch oder gar sen¬
legte ich das Buch aus der Band.
timental. Die Schilderung der Umwelt
Statt das Dunschglas bei lärmender
Silvesterfeier zu schwingen, habe ich
des Caspar Hauser=Dramas, der beiden
Städte Türnberg und Ansbach in den
dieses Buch in meinem einsamen Land¬
hause gelesen, in welches um (Ditter¬
dreißiger Jahren des vorigen Jahr¬
nacht nur das Brausen des Winter¬
hunderts, der landschaftlichen Hinter¬
gründe und der damaligen Seitstim¬
turmes aus dem weißen Bergwald
mung ist ebenso vortrefflich gelungen.
bineinklang. Wenn man einer solchen
Und das ganze Gebeimnis dieser
(Delodie lauscht, glaubt man auch die
(Deisterschaft des Stils ist: Vollkom¬
Töne zu versteben, die aus den von
menheit der inneren Anschauung Da
diesem Buche erschlossenen Tiefen
erübrigt sich alles affektierte Bemüben
eines furchtbaren Geschickes erklingen.
und alle künsteinde Deutönerei.
Erschüttert stöhnt man auf: Wie ist es
Heidenberg.
möglich, daß (Denschen so gemein sein
Die neue Grabbe-Resgahe
ie
können! Unter der Bezeichnung „Träg¬
von Otto Rieten besorgt bei Wäx
heit des Herzens“ umfaßt Wassermann
Besse erschienen ist (Chr. D. Grabbe,
all die Rleinlichkeiten, Dedanterien,

Sämtl. Werke, brosch. 3 (DR.
Bosheiten und fanatischen Dumm¬
In
2 Enbde (Dk. 4—, Seine Ausg. (Dk. 6
beiten, mit denen seine Beschützer und
—.
Luxusausg. (DR. 8—,), erfüllt in sofern
Erzieber Caspar Hauser seelisch zu¬
ein Bedürfnis, als nach der teuren
grunde richteten und körperlich krank
Griesebachischen Gesamtausgabe die
machten, bevor ihm der Dolchstich des
Unvollkommenbeit der billigen von
Gottschall besorgten bei Reclam so
*) Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt.
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