I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 273

23. Der Nec ins Freie
box 3/3
##nmnnummmnmnununmmmmmmmmmmummunnun.
Ahnung von dieses Volkes geheimnisvollem Los dämmerte in
man hinsieht, begegnet
ihm auf“ (137). Doch will er sich nicht taufen lassen, „selbst wenn
den, die sich schämten,
es möglich wäre . .. durch solch einen Trug antisemitischer Be¬
die darauf stolz waren
chränktheit und Schurkerei für alle Zeit zu entrinnnen“ (139).
,sie schämten sich.“ Ueber
Interessant ist, daß dem katholischen Religionsunterricht die
der Autor einen Grafen
Lektüre Nietzsches und Ibsens als Gegensatz zur Seite gestellt
ürften Stücke von Juden
vird (151). Ein Jude kehrt aus Palästina enttäuscht zurück,
lschaft aufgeführt werden“
da er von den jüdischen Ansiedlungen, die sicherem Vernehmen
liche Seelen hineinschauen
nach im Entstehen waren, so gut wie nichts gesehen
en, Adeligen und Deut¬
hatte (165). — „Sie kennen doch die Geschichte von dem
rade das für unsereinen
polnischen Juden, der mit einem Unbekannten im Eisenbahn¬
chsein soll“ (59). Der¬
coupé sitzt, sehr manierlich — bis er durch irgend eine Be¬
el dazu, um die Selbst¬
merkung des andern darauf kommt, daß der auch ein Jude ist,
ns schlummert; und wenn
worauf er sofort mit einem erlösten „ä soi die Beine auf den
einen Tropf und keinen
Sitz gegenüber ausstreckt. Tief, tief, wie so viele jüdische
rlich gegen uns selbst ver¬
Anekdoten. Sie schließt einen Blick auf in die Tragi¬
gt, er habe bisher erst
komödie des heutigen Judentums. Sie drückt
en gelernt, und das sei
die ewige Wahrheit aus, daß ein Jude vor dem andern nie
Ein Jude freut sich, daß
wirklichen Respekt hat. Nie ... Von Jugend auf werden wir
ize, ihm persönlich so ver¬
darauf hingehetzt, gerade jüdische Eigenheiten als besonders
eise überlistet und zum
lächerlich oder widerwärtig zu empfinden ... Wenn sich ein
Jude in meiner Gegenwart ungezogen oder lächerlich benimmt,
e (98): „Wer hat die
befällt mich manchmal ein so peinliches Gefühl, daß ich ver¬
hhaffen? Die Juden. Von
gehen möchte, in die Erde versinken“ (186 f.)
klassen worden? Von den
Ein alter Jude, eine Art Nathan der Weise, sagt treffend:
ale Bewegung in Oester¬
„Es gibt auch heutzutage, selbst unter den jungen Leuten, die
wem sind die Juden im
bei Nietzsche und Ibsen aufgewachsen sind, gerade so viel
bespuckt worden wie die
Philister, als es vor dreißig Jahren gegeben hat; sie geben
geradeso wirds ihnen jetzt
Rommunismus.“ Ein Wort
Kragen, zum Beispiel, wenn ... ihre Frau Gemahlin ihnen
: „Wissenschaft ist das,
plötzlich mit der Idee kommt, sie will sich ausleben ...
Es
gibt überhaupt keine neue Ideen. Neue Gedankenintensitäten
en Freunde (132): „In
das ja ... Alle ethischen Ideen sind immer da gewesen“ (215 f.).
n feindselig gesinnt, gleich
Ein anderer Zug (265): „Gestern zur Mittagszeit geht
hm vorbeispazierten.“ Diese
Oskar (ein junger Jude) an der Michaelerkirche vorüber und
an und die Juden als die
lüftet den Hut. Sie wissen, daß es zurzeit kaum eine Eigen¬
ht zugeben, daher erscheint
schaft gibt, die für eleganter gilt als die Frömmigkeit. Und so
Heimsuchung, die jemals
bedarf es vielleicht nicht einmal einer weiteren Erklärung, wie
(135). Die Idee einer Er¬
und nationaler Grundlage
zum Beispiel die, daß eben ein paar junge Aristokraten aus
der Kirche gekommen sein mögen, vor denen sich Oskar katholisch
flehnung gegen den Geist
gebärden wollte.“ Sein Vater kommt aber dazu und gibt ihm
). Die Bezeichnung Jude
eine Ohrfeige.
n Beleuchtung auf. „Eine
Mit Recht wird dem Juden gesagt: „Es ist eine Manie
von Ihnen. Man hat wirklich manchmal den Eindruck, daß Sie
überhaupt nicht mehr imstande sind, etwas anderes in der Welt
zu sehen, als immer und überall die Judenfrage. Wenn
ich so unhöflich wäre, als es Ihnen zuweilen zu sein passiert,
so würde ich Sie ... verfolgungswahnsinnig nennen“ (299).
Der Jude meint dagegen, die Juden litten eher an einem
Wahn des Geborgenseins, des Inruhegelassenwerdens, an einem
„Sicherheitswahn, der vielleicht eine minder auffallende, aber
für den Befallenen viel gefährlichere Krankheitsform vorstellt“ (300).
„Für unsere Zeit gibt es keine Lösung“ der Judenfrage (301). Der Arier
vieder sieht eine Schuld bei den Juden: „Sie machten einen wirklich
manchmal nervös, diese jüdisch=überklugen schonungslos=menschen¬
kennerischen Leute ... Daß man sich nur ja von nichts über¬
aschen ließ, das blieb ihnen die Hauptsache. Güte, die war
s, die ihnen fehlte . .. Nur ja nicht die Dümmern sein!“ (318).
Und der ältere Jude? Er ist „ein wenig berauscht von der
eigenen Güte, Weisheit und Tüchtigkeit. Das war auch eine
Sorte Juden, die er nicht leiden mochte: die mit sich einver¬
tandenen“ (335).
Tief aus seiner Seele heraus sagt der Jude (447): „In
Wirklichkeit hab ich nämlich gar keine Lust gerecht zu sein. Ich
stell mir's sogar wunderschön vor, ungerecht zu sein. Ich
glaube, es wäre die allergesündeste Seelengymnastik, die man
nur treiben könnte. Es mus so wohl tun, die Menschen, deren
Ansichten man bekämpft, auch wirklich hassen zu können.. Ich stehe
auch nicht über den Parteien, sondern ich bin gewissermaßen bei allen
oder gegen alle. Ich hab' nicht die göttliche Gerechtigkeit,
sondern die dialektische.“ Dieser Jude bekennt schließlich (490):
„Glauben Sie mir, es gibt Momente, in denen ich die Menschen
mit der sogenannten Weltanschauung beneide.“
Wehmut und Mitleid erfaßt den Leser vor dieser Tragödie
des Judentums. Es ist das Eingeständnis, sich auf einem gan¬
falschen Geleise zu befinden, politisch, sozial, kulturell, literarisch
Demgegenüber wirkt es komisch, wenn man dies Buch ges
wissermaßen als den Wiener Roman, als Heimatkunst in
vollendetsten Sinn erklärt hat. Es ist ein wichtiges kuttu
geschichtliches Dokument, für dessen Aufrichtigkeit wir den
jüdischen Autor zu Dank verpflichtet sind. Er ist antisemitischer,
als es jemals ein Katholik sein könnte. Denn das, was jenem
unlösbar erscheint, ist auf unserem Standpunkte lösbar, zum
Nutzen aller. Davon ein andermal.