I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 289

an.
Müller.
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sehrt. Gerettet, geborgen, kam er zur Heimat zurück. Und
hier! Hier aus weiter Ferne ergriff ihn die Krallenhand
der Seuche. So rächte sich an ihm die Pest, die der Arzt
gefesselt, in versiegelten Baktevien, übers Meer getragen,
gegen die er die wissenschaftlichen Waffen zu schmieden be¬
gonnen hatte.
Hermann Müller starb in den Sielen. Denn bis zum
letzten Flackern des Bewußtseins war er an seinem eigenen,
von Fieberstürmen geschüttelten Körper ein standhafter
Forsche“ Er hinterließ der Wissenschaft das Tagebuch eines
pestkranken Arztes, dessen kundiges Auge, schon brechend, in
die apokalyptischen Geheimnisse tauchte.
Ich habe ihn gut gekannt, den jungen Helden. Er saß
in Graz — neben mir auf der Schulbank bis zum Abiturium.
Blond, schlank, ernst und verschlossen und doch kindlich war
er. Einer, dem's nicht gegeben schien, sich in den Frohsinn
der Leute zu mischen, und der doch gerne gelacht hätte.
Ich habe ihn gekannt — und fand ihn, der längst vermodert
ist, nun nach vielen Jahren wieder; mit jedem Zug seines
Wesens. Otto Schmitt heißt er in dem Wiener Roman
„Das heilige Feuer“ von Hans Hart. (Leipzig, Velig
von L. Staackmann, 1909.)
So wäre ich denn für das Buch bestochen. Es liegt schon
Kritik in dem Eingeständnis, daß es mich mit der dichterischen
Wiederbelebung einer mir vertrauten Persönlichkeit bestechen
konnte. Dei Verfasser hatte bei dem Jugendfreund Müller¬
Schmitts eine Erschwerung, nicht eine Erleichterung voraus.
Unter den Lesern wird es übrigens viele geben, die persön¬
liche Beziehungen zu den zahllosen Figuren des Romans
entdecken werden. Das Werk wurde ein Wiener Roman
genannt. Doch nur mit wesentlicher Einengung stimmt die
Bezeichnung. Die epikureische Schönheii, die Heimlichkeit,
die alte Kultur Wiens und vor allem das sentimentale und
schwelgerische Herz bekennen sich in der Dichtung. Und auch
die saloppe Art, das Zerfließende, Unstraffe der kompositori¬
chen Technik ist wienerisch. Den Unterschied von Schüler und
Meister vorausgesetzt, drängen sich Ahnlichkeiten mit Artur
Schnitzler auf: das Verweilen und wehmütige Genießen. ...
Von Se,nitzlers „Weg ins Freie“ ist Harts Ruman überdies
in einer seiner wesentlichsten Außerungen angeregt: auch
„Das heilige Feuer“ ist eine psychologische Studie zur Juden¬
frage. Der sogenannte „Held“ des Buches, der mit dem
Dichter die lose verbundenen Menschenkreise des Romans
durchwandert, ist nicht der sterbende Otto Schmitt; ist ein
anderer jungen Pestarzt, Raphael Siezheim, der Sohn eines
Ghetto=Trödlers. Im Gegensatze zu Schnitzler, der den
Weg ins Freie nicht findet, öffnei der jugendliche Hart
schnellfertig das Tor: Sein tapferer Inde eingt sich innerlich
kommener Freiheil durch und erringt in leidgeprüfter
Liebe die stolze Tochter eines starrsinnigen Staatsmannes
und Aristokraten. Der Traum von einer höchsten Schönheits¬
und Geisteskultur, die aus der Mischung deutschen und
jüdischen Edelwesens stummen soll, schimmert hinter dem
persönlichen Schicksal.
Die vordringliche Wichtigkeit der Judenfrage und der
ungeheure Druck des Klerikalismus, der auch die freie
Wissenschaft und Lehre bedroht, geben dem Roman einen
politischen österreichischen Charakter. Doch nicht Österreich,
nicht Wien ist der Schauplatz. Die Wiener Universität, das
Professorentum ist's. Einen „Hochschulroman“ nennt Hart
sein Buch. Und es hat nicht unbedenkliche Ahnlichkeit mit
einem Schlüsselroman. ... Gerade die Anlehnung an be¬
stimmte Personen und Vorgänge der Wirklichkeit macht es
nicht bloß den herausgeforderten Gegnern des jugendlichen
Dichters leicht, zu beweisen, daß die Fähigkeit, zu beob¬
achten, von seinem Mut id seinem feurigen Willen gar
sehr erschüttert wird. Dieser Hochschulroman ist ein Non
plus ultra der Anklage=Literatur. Das Professorenkollegium
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Ausschnitt aus:
Seein
Kelißter
Der Weg ins Freie
Roman — sein einziges größeres eplsches##rr
hat sich mit seinem Titel allein tausend begeistertee An¬
hänger erobert. Nichts natürlicher als das. Jeder
Ringende sucht den Weg ins Freie, den Weg zu Wohl¬
stand, Sorgenlosigkeit und einem sicheren Glück am Herd.
Straßenauf und straßenab wälzt sich das Leben in
vielfacher Gestalt, wie brandende Wogen; ein ewiges
Kampfgerümmel, in dem der Sieg des einen notgedrun¬
gen die Niederlage des anderen zur Folge hat. Wer
siegt? Wer wird unterliegen? Das ist die Frage, die
geden einzelnen bedrängt und bedrückt. Da gilt es, sich
mit scharfen, blanken Waffen zu versehen, die der
Krutalität der Alltagskämpfe standhalten. Da gilt es
ich einen Beruf zu wählen, der zukunftsschwanger ist.
Akerkanntermaßen gibt es nur einen Beruf, der eine
glänzende Zukunft hat, den Beruf der praktischen
Menschen, den Kaufmannsstand.
Die Ehrfurcht vor Amerika und Amerikanksmug
ist uns Europäern des 20. Jahrhunders in Fleisch un
Blut übergegangen. Der Amerikaner ist der Kaufmann
par exzellance. „Busineß“ ist das Zauberwort, mit
dem Amerika die alte Welt geschlagen hat, mit dem es
sich seinen überragenden Platz in der heutigen Kultur¬
übrig, als es unseren Brüdern überm großen Teich
nachzumachen. Es mangelte uns nicht an Geschäftsgeist,
es fehlte nur an Schulung. Man darf nicht glauben,
daß der moderne Kaufmann weniger Bildung als
irgend ein anderer Angehöriger eines Standes, der auf
dem Intellekt beruht, haben muß. Der moderne Kauf¬
mann muß die gediegensten Fachkenntnisse haben, wenn
er bestehen will, er muß aber auch jene allgemeine
Bildung besitzen, die es ihm ermöglicht, dem schnellen
Schritt der Zeit nachzukommen. Wohl dem jungen
Kaufmann, dem diese Schulung nicht mangelt. Er tritt
mit blanken und treffsicheren Waffen auf den Kampf¬
platz des Lebens.
Bielitz ist so glücklich, eine Schule für angehende
Angehörige des Kaufmannsstandes zu besitzen, die in
ihrer Art mustergiltig ist: die Handelsschule Karl
Borger. Seit der große Apostel der modernen Päda¬
gogik, Prof. Ludwig Gurlitt, die individuelle Unter¬
richtsmethode gepredigt hat, sind in den meisten Lehr¬
anstalten Versuche in dieser Richtung gemacht worden,
allerdings nicht immer mit Erfolg. In der Handels¬
schule Borger haben wir einen großen Erfolg der
Gurlitischen Unterrichtsmethode konstatieren können, was
umso höher anzuschlagen ist, als es sich hier um ein
Fachstudium handelt. Man unterrichtet in dieser An¬
stalt vollkommen individuell. Das heißt, unter Berück¬
sichtigung der individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen
Schülers. Daß diese Methode erfolgreich war, hat
die Praxis gelehrt. Sämtliche Schüler und Schülerinnen
der Anstalt konnten nach vier Monaten, mit allen Fach¬
kenninissen ausgerüstet, in den Handelsstand treten, sämtliche
Schüler haben sich bewährt. Einen ebensolchen Erfolg
hat der Vorbereitungskurs für das Einjährig Freiwilligen¬
recht der Handelsschule Borger asfzuweisen, indem sich
der seltene Fall ereignete, das, nur einer der Kandi¬
daten bei der Intelligenzprüfung durchfiel. Freilich
muß man bedenken, daß in dieser Anstalt nur erst¬
klassige Lehrkräfte dozieren und daß die Lehrmittel von
außerordentlicher Güte und Vollkommenheit sind; nichts¬
destoweniger muß der große Erfolg dieses Instituts der
ndividnellen Lehrmethode in erster Linie zugeschrieben
werden. Die Anstalt, in der auch französisch und
englisch unterrichtet wird, ist weder vom Staat noch
vom Land subventioniert.
Die Schulen haben ihre Pforten geschlossen, an
hunderte junge Männer und Mädchen tritt die Not¬
wendigkeit heran, sich für einen Beruf zu entscheidet..
Wer weise ist, wird Kaufmann. Daß er ein tüchtiger
und brauchbarer wird, ist in einer Stadt, die eine
solche Handelslehranstalt besitzt, außer Zweifel.