I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 312


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23. Der Neg

Freie
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„Und er soll ja auch in einem sehr ernsten Verhältnis stecken“, sagte
Frau Ehrenberg.
„Du meinst . .. mit dieser Schauspieler in, Mama?“
Frau Ehrenberg sah auf. „Ha#er dir soas von ihr erzählt?“
„Erzählt ...2 So direkt nicht. Aber wenn wir miteinander spa¬
zieren gegangen sind, im Park, oder abenids am See, da hat er beinahe
nur von ihr gesprochen. Natürlich ohne ihren Namen zu nennen ...
Und je besser ich ihm gefallen habe, die Männer sind ja ein so komisches
Volk, um so eifersüchtiger war er immer auf die andre. ... Übrigens
wenn es nur das wäre! Welcher junge Mann steckt nicht in einem
ernsten Verhältnis? Glaubst du vielleicht, Mama, der Georg Wergen¬
thin nicht?“
„In einem ernsten? ... Nein. Dem wird das nie passieren. Dazu
ist er zu kühl, zu überlegen . .. zu temperamentlos.“
„Gerade darum“, erklärte Else menschenkennerisch. „Er wird in irgend¬
was hineingleiten und es wird über ihm zusammenschlagen, ohne daß er
nur was davon bemerkt hat. Und eines schönen Tages wird er ver¬
heiratet sein . .. aus lauter Indolenz . ... mit irgendeiner Person, die
ihm wahrscheinlich ganz gleichgültig sein wird.“
„Du mußt einen bestimmten Verdacht haben“, sagte Frau Ehrenberg.
„Den hab ich auch.“
„Marianne?“
„Marianne! Aber das ist ja längst aus, Mama. Und besonders ernst
war
das doch nie.“
„Also wer denn soll es sein?“
„Na, was glaubst du, Mama!“
„Ich hab keine Ahnung.“
„Anna ist es“, sagte Else kurz.
„Welche Anna?“
„Anna Rosner, selbstverständlich.“
„Aber!“
„Du kannst lang zabera sagen — es ist doch so.“
„Else, du glaubst doch nicht im Ernst, daß Anna, die eine so zurück¬
haltende Natur ist, sich so weit vergessen könnte ...!“
„So weit pergessen ...! Nein Mama, du hast manchmal noch Aus¬
drücke! — übrigens find ich, dazu muß man gar nicht so vergeßlich sein.“
Frau Ehrenberg lächelte, nicht ohne einen gewissen Stolz.
Die Klingel draußen ertönte. „Am Ende ist er's doch“, sagte Else.
„Es könnte auch Demeter Stanzides sein“, bemerkte Frau Ehrenberg.
„Stanzides sollt uns einmal den Prinzen mitbringen“, meinte Else
beiläufig.
„Glaubst du, daß das ginge?“ fragte Frau Ehrenberg und ließ die
Stickerei in den Schoß sinken.
„Warum sollt's denn nicht gehen?“ sagte Else, „sie sind ja so intim.“
Die Tür tat sich auf, doch keiner von den Erwarteten, sondern Edmund
Nürnberger trat ein. Er war wie stets mit der größten Sorgfalt, wenn
auch nicht nach der letzten Mode gekleidet. Sein Gehrock war etwas zu
kurz, und in der bauschigen, dunklen Atlaskrawatte steckte eine Smaragd¬
nadel. An der Türe schon verbeugte er sich, nicht ohne zugleic in
seinen Mienen einen gewissen Spott über die eigene Höflichkeit an
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Kunstwart XXII, 20