I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 318

23. Der Neg ins Freie
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so großes Aufsehen gemacht hat? Das ist ja beinah eine Schand! Neu¬
lich haben wir ihn dem Hofrat Wilt geliehen. Ich sag Ihnen, der war
paff, wie in dem Buch eigentlich schon das ganze heutige Österreich vor¬
ausgeahnt ist.“
„So, so“, sagte Georg ohne Überzeugung.
„Sie können sich gar nicht vorstellen, fuhr Frau Ehrenberg fort,
„mit welchem Jubel Nürnberger damals begrüßt worden ist. Man
könnte sagen, alle Tore sind vor ihm aufgesprungen.“
„Vielleicht war ihm das genug“, bemerkte Else nachdenklich altklug.
Heinrich stand am Klavier im Gespräch mit Nürnberger und bemühte
sich, wie er es oftmals tat, ihn zu einer neuen Arbeit oder zu einer
Herausgabe älterer Schriften zu bestimmen.
Nürnberger wehrte ab. Der Gedanke, seinen Namen wieder in die
öffentlichkeit gezerrt zu sehen, im literarischen Wirbel der Zeit mitzu¬
treiben, der ihm widerlich und albern zugleich erschien, erfüllte ihn
geradezu mit Schaudern. Er hatte keine Lust da mit zu konkurrieren.
Wozu? Kliquenwirtschaft, die sich kein Mäntelchen mehr umnahm, war
überall am Werke. Gab es noch ein tüchtig, ehrlich strebendes Talent,
das nicht jeden Augenblick gefaßt sein mußte in den Kot gezogen zu
werden; war noch ein Flachkopf zu finden, der sich nicht ausweisen konnte,
in irgendeinem Blättchen zum Genie erklärt worden zu sein? Hatte
Ruhm in diesen Tagen noch das geringste mit Ehre zu tun? Und über¬
sehen, vergessen werden, war das auch nur ein Achselzucken des Bedauerns
wert? Und wer konnte am Ende wissen, welche Urteile sich in der Zu¬
kunft als die richtigen erweisen würden? Waren nicht die Tröpfe wirk¬
lich die Genies und die Genies die Tröpfe? Es war lächerlich, sich mit
dem Einsatz seiner Ruhe, ja seiner Selbstachtung, in ein Spiel einzu¬
lassen, in dem auch der höchstmögliche Gewinn keine Befriedigung ver¬
sprach.
„Gar keine?“ fragte Heinrich. „Ich will Ihnen ja allerlei preisgeben,
Ruhm, Reichtum, Wirkung in die Weite; — aber daß man, weil alle
soll, wie es die Augenblicke des innern Kraftgefühls sind ....
„Inneres Kraftgefühl! Warum sagen Sie nicht gleich Seligkeit des
Schaffens?
„Gibt's, Nürnberger!“
„Mag sein. Ich glaube mich sogar zu erinnern, vor sehr langer Zeit
gelegentlich selbst irgendwas derart empfunden zu haben... Nur ist
mir, Sie wissen es ja, die Fähigkeit mich selbst zu betrügen im Lauf
der Jahre völlig abhanden gekommen.“
„Das glauben Sie vielleicht nur“, erwiderte Heinrich. „Wer weiß, ob
es nicht gerade diese Fähigkeit des Sichselbstbetrügens ist, die Sie im
Laufe der Zeit am stärksten in sich ausgebildet haben!“
Nürnberger lachte. „Wissen Sie wie mir zumute ist, wenn ich Sie so
reden höre? Ungefähr wie einem Fechtmeister, der von seinem eigenen
Schüler einen Stich ins Herz bekommt.“
„Und nicht einmal von seinem besten“, sagte Heinrich.
Der Radfahrklub sauste über die nahe Straße, die umgehängten Nöcke
wehten, die Embleme leuchteten und ein rohes Lachen schallte über die Wiese.
Kunstwart XXII, 20
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