ins Freie
23. Der Ne
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nen nennennen nun enenene en enete erte.
„Es kommt alles auf die Auffassung an“, sagte Heinrich. „Es ist
schließlich auch nichts andres als eine Einwendung gegen das Leben eines
Mitmenschen, wenn man ihm mit der Hacke den Schädel einschlägt, nur
eine ziemlich wirksame.“ Er deutete auf sein Manuskript und wandte
sich zu Georg. „Wissen Sie was das ist? Meine politische Tragi¬
komödie. Kranzspenden dankend verbeten.“
Nürnberger lachte. „Ich versichere Sie, Heinrich, aus dem Sujet wäre
noch immer was ganz Famoses zu machen. Sie könnten beinah die ganze
Szenenführung beibehalten und eine Anzahl von Figuren. Sie müßten
sich nur dazu entschließen, bei Wiederaufnahme Ihres Planes weniger
gerecht zu sein.“
„Das ist aber doch eigentlich schön,“ sagte Georg, „daß er gerecht ist.“
Nürnberger schüttelte den Kopf. „Überall mag man es sein — nur
nicht im Drama.“ Und sich wieder an Heinrich wendend: „In solch
einem Stück, das eine Zeitfragt behandelt, oder gar mehrere, wie es Ihre
Absicht war, werden Sie mit der Objektivität nie was erreichen. Das
Publikum im Theater verlangt, daß die Themen, die der Dichter an¬
schlägt, auch erledigt werden, oder daß wenigstens eine Täuschung dieser
Art erweckt werde. Denn natürlich gibt's nie und nimmer eine wirkliche
Erledigung. Und scheinbar erledigen kann eben nur einer, der den Mut
oder die Einfalt oder das Temperament hat, Partei zu ergreifen, Sie
werden schon darauf kommen, lieber Heinrich, daß es mit der Gerechtig¬
keit im Drama nicht geht.“
„Wissen Sie, Nürnberger,“ sagte Heinrich, „es ging vielleicht auch mit
der Gerechtigkeit. Ich glaub ich hab nur nicht die richtige. In Wirk¬
lichkeit hab ich nämlich gar keine Lust gerecht zu sein. Ich stell mir's
sogar wunderschön vor ungerecht zu sein. Ich glaube, es wäre die aller¬
gesündeste Seelengymnastik, die man nur treiben könnte. Es muß so
wohl tun, die Menschen, deren Ansichten man bekämpft, auch wirklich
hassen zu können. Es erspart einem gewiß so viel innere Kraft, die
man viel besser auf den Kampf selbst verwenden dürfte. Ja, wenn man
noch die Gerechtigkeit des Herzens hätte... Ich hab sie aber nur da“,
und er deutete auf seine Stirn. „Ich stehe auch nicht über den Parteien,
sondern ich bin gewissermaßen bei allen oder gegen alle. Ich hab nicht
die göttliche Gerechtigkeit, sondern die dialektische. Und darum ..., er
hielt sein Manuskript in die Höhe, „ist da auch so ein langweiliges und
unfruchtbares Geschwätz herausgekommen.“
„Weh dem Manne,“ sagte Nürnberger, „der sich erdreistete derartiges
„Na ja“, erwiderte Heinrich lächelnd. „Wenn's ein anderer sagt, kann
man nie den leisen Verdacht unterdrücken, daß er recht haben könnte. Aber
nun muß ich wirklich gehen. Grüß Sie Gott, Georg. Ich bedaure sehr, daß
Sie mich gestern verfehlt haben. Wann reisen Sie denn wieder ab?“
„Morgen.“
„Aber man sieht Sie doch noch vor Ihrer Abreise? Ich bin heute
den ganzen Nachmittag und Abend zu Hause, kommen Sie wann es
Ihnen paßt. Sie werden einen Menschen finden, der sich mit Ent¬
schlossenheit von den Zeitfragen ab und wieder den ewigen Problemen
zugewandt hat: Tod und Liebe ... Glauben Sie übrigens an den Tod,
Nürnberger? Hinsichtlich der Liebe frag ich schon gar nicht.“
Kunstwart K711. 20
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nen nennennen nun enenene en enete erte.
„Es kommt alles auf die Auffassung an“, sagte Heinrich. „Es ist
schließlich auch nichts andres als eine Einwendung gegen das Leben eines
Mitmenschen, wenn man ihm mit der Hacke den Schädel einschlägt, nur
eine ziemlich wirksame.“ Er deutete auf sein Manuskript und wandte
sich zu Georg. „Wissen Sie was das ist? Meine politische Tragi¬
komödie. Kranzspenden dankend verbeten.“
Nürnberger lachte. „Ich versichere Sie, Heinrich, aus dem Sujet wäre
noch immer was ganz Famoses zu machen. Sie könnten beinah die ganze
Szenenführung beibehalten und eine Anzahl von Figuren. Sie müßten
sich nur dazu entschließen, bei Wiederaufnahme Ihres Planes weniger
gerecht zu sein.“
„Das ist aber doch eigentlich schön,“ sagte Georg, „daß er gerecht ist.“
Nürnberger schüttelte den Kopf. „Überall mag man es sein — nur
nicht im Drama.“ Und sich wieder an Heinrich wendend: „In solch
einem Stück, das eine Zeitfragt behandelt, oder gar mehrere, wie es Ihre
Absicht war, werden Sie mit der Objektivität nie was erreichen. Das
Publikum im Theater verlangt, daß die Themen, die der Dichter an¬
schlägt, auch erledigt werden, oder daß wenigstens eine Täuschung dieser
Art erweckt werde. Denn natürlich gibt's nie und nimmer eine wirkliche
Erledigung. Und scheinbar erledigen kann eben nur einer, der den Mut
oder die Einfalt oder das Temperament hat, Partei zu ergreifen, Sie
werden schon darauf kommen, lieber Heinrich, daß es mit der Gerechtig¬
keit im Drama nicht geht.“
„Wissen Sie, Nürnberger,“ sagte Heinrich, „es ging vielleicht auch mit
der Gerechtigkeit. Ich glaub ich hab nur nicht die richtige. In Wirk¬
lichkeit hab ich nämlich gar keine Lust gerecht zu sein. Ich stell mir's
sogar wunderschön vor ungerecht zu sein. Ich glaube, es wäre die aller¬
gesündeste Seelengymnastik, die man nur treiben könnte. Es muß so
wohl tun, die Menschen, deren Ansichten man bekämpft, auch wirklich
hassen zu können. Es erspart einem gewiß so viel innere Kraft, die
man viel besser auf den Kampf selbst verwenden dürfte. Ja, wenn man
noch die Gerechtigkeit des Herzens hätte... Ich hab sie aber nur da“,
und er deutete auf seine Stirn. „Ich stehe auch nicht über den Parteien,
sondern ich bin gewissermaßen bei allen oder gegen alle. Ich hab nicht
die göttliche Gerechtigkeit, sondern die dialektische. Und darum ..., er
hielt sein Manuskript in die Höhe, „ist da auch so ein langweiliges und
unfruchtbares Geschwätz herausgekommen.“
„Weh dem Manne,“ sagte Nürnberger, „der sich erdreistete derartiges
„Na ja“, erwiderte Heinrich lächelnd. „Wenn's ein anderer sagt, kann
man nie den leisen Verdacht unterdrücken, daß er recht haben könnte. Aber
nun muß ich wirklich gehen. Grüß Sie Gott, Georg. Ich bedaure sehr, daß
Sie mich gestern verfehlt haben. Wann reisen Sie denn wieder ab?“
„Morgen.“
„Aber man sieht Sie doch noch vor Ihrer Abreise? Ich bin heute
den ganzen Nachmittag und Abend zu Hause, kommen Sie wann es
Ihnen paßt. Sie werden einen Menschen finden, der sich mit Ent¬
schlossenheit von den Zeitfragen ab und wieder den ewigen Problemen
zugewandt hat: Tod und Liebe ... Glauben Sie übrigens an den Tod,
Nürnberger? Hinsichtlich der Liebe frag ich schon gar nicht.“
Kunstwart K711. 20
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