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Der leg ins Freie
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wäre, wollte in Berlin den Direktor spielen und hatte weder Per¬
sönlichkeit noch Programm. Dafür ist er nun, als Direktor, tot.
Die Lücke, die Herr Halm nicht gelassen hat, möchte Herr Adolf
Lantz ausfüllen, dem selbst dazu die Fähigkeiten fehlen. Co ent¬
schieden nach einer ersten Vorstellung abzuurteilen, wäre übertrieben
hart, wenn diese Vorstellung wirklich die erste, und wenn sie bloß an
und für sich jämmerlich gewesen wäre. Aber Herr Lantz hat bereits
durch die Inszenierung von Strindbergs „Scheiterhaufen' bewiesen,
daß er nichts kann; und er hat die Vorbereitungen zu seinem Unter¬
nehmen dermaßen aufreizend betrieben, hat sich mit diesem Unter¬
nehmen seit Monaten dermaßen taktlos aufgedrängt, daß er den An¬
spruch jedes Anfängers auf eine gelinde Behandlung verwirkt hat. Wie
die Dinge stehen, führt der Weg des Deutschen Schauspielhauses ent¬
weder zu einem schäbigen Reißer oder zu einer saftigen Pleite; und
da ich Herrn Lantz weder auf diesem längern noch auf jenem kürzern
Wege zu begleiten gedenke, so will ich gleich gründliche Arbeit tun.
Aber ist denn Herr Lantz allein verantwortlich? „Egmont. Von
Goethe. In Szene gesetzt von Hermann Rotier. Regie: Adolf Lantz.
Bisher war es die Aufgabe des Regisseurs, ein Stück in Szene zu setzen.
Hier ist man in kummervollem Zweifel, ob Rotter den Lantz oder Lantz
den Rotter gehindert hal, von „Egmont eine Anschauung zu vermitteln,
die in Tarnopol angenehm befremdet hätte. Sicher ist nur, daß beide
Herrn Alfred Roller lahmgelegt haben. Hätte der Zettel verschwiegen,
daß das Trauerspiel von ihm „dekorativ und kostümlich (kostümlich!)
ausgestaltet“ worden sei, so wäre kein Zuschauer darauf gekommen, daß
die beiden Dilettanten das nicht allein fertig gekriegt haben sollten:
eine Freiluftszene wie das Armbrustschießen in ein enges, dunkles
Zelt zu pressen; das Zimmer der Regentin mit einem genueser Samt
von unerträglich augenbeizendem Rot zu versehen; „Straße in Brüssel
und „Platz in Brüssel zu einem öden Bild ohne ein Stück Himmel,
aber auch ohne historische und künstlerische Physiognomie zu ver¬
schmelzen. Wem nicht durch die Versuche Prahms und andrer phan¬
tasieloser Theaterleute längst klar geworden war, daß selbst Talente
wie Roller ohne Genies wie Mahler und Reinhardt ohnmächtig sind:
der hatte die Strafe verdient, eine so einfache Wissenschaft mit der
Eröffnungsvorstellung des Deutschen Schauspielhauses und sechs und
einer halben Mark zu erkaufen.
Für diese Summe erhielt er Volksszenen, die das Theater von
Tarnopol gegen Naturalien liefert, und die sich an der Weidendammer
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wäre, wollte in Berlin den Direktor spielen und hatte weder Per¬
sönlichkeit noch Programm. Dafür ist er nun, als Direktor, tot.
Die Lücke, die Herr Halm nicht gelassen hat, möchte Herr Adolf
Lantz ausfüllen, dem selbst dazu die Fähigkeiten fehlen. Co ent¬
schieden nach einer ersten Vorstellung abzuurteilen, wäre übertrieben
hart, wenn diese Vorstellung wirklich die erste, und wenn sie bloß an
und für sich jämmerlich gewesen wäre. Aber Herr Lantz hat bereits
durch die Inszenierung von Strindbergs „Scheiterhaufen' bewiesen,
daß er nichts kann; und er hat die Vorbereitungen zu seinem Unter¬
nehmen dermaßen aufreizend betrieben, hat sich mit diesem Unter¬
nehmen seit Monaten dermaßen taktlos aufgedrängt, daß er den An¬
spruch jedes Anfängers auf eine gelinde Behandlung verwirkt hat. Wie
die Dinge stehen, führt der Weg des Deutschen Schauspielhauses ent¬
weder zu einem schäbigen Reißer oder zu einer saftigen Pleite; und
da ich Herrn Lantz weder auf diesem längern noch auf jenem kürzern
Wege zu begleiten gedenke, so will ich gleich gründliche Arbeit tun.
Aber ist denn Herr Lantz allein verantwortlich? „Egmont. Von
Goethe. In Szene gesetzt von Hermann Rotier. Regie: Adolf Lantz.
Bisher war es die Aufgabe des Regisseurs, ein Stück in Szene zu setzen.
Hier ist man in kummervollem Zweifel, ob Rotter den Lantz oder Lantz
den Rotter gehindert hal, von „Egmont eine Anschauung zu vermitteln,
die in Tarnopol angenehm befremdet hätte. Sicher ist nur, daß beide
Herrn Alfred Roller lahmgelegt haben. Hätte der Zettel verschwiegen,
daß das Trauerspiel von ihm „dekorativ und kostümlich (kostümlich!)
ausgestaltet“ worden sei, so wäre kein Zuschauer darauf gekommen, daß
die beiden Dilettanten das nicht allein fertig gekriegt haben sollten:
eine Freiluftszene wie das Armbrustschießen in ein enges, dunkles
Zelt zu pressen; das Zimmer der Regentin mit einem genueser Samt
von unerträglich augenbeizendem Rot zu versehen; „Straße in Brüssel
und „Platz in Brüssel zu einem öden Bild ohne ein Stück Himmel,
aber auch ohne historische und künstlerische Physiognomie zu ver¬
schmelzen. Wem nicht durch die Versuche Prahms und andrer phan¬
tasieloser Theaterleute längst klar geworden war, daß selbst Talente
wie Roller ohne Genies wie Mahler und Reinhardt ohnmächtig sind:
der hatte die Strafe verdient, eine so einfache Wissenschaft mit der
Eröffnungsvorstellung des Deutschen Schauspielhauses und sechs und
einer halben Mark zu erkaufen.
Für diese Summe erhielt er Volksszenen, die das Theater von
Tarnopol gegen Naturalien liefert, und die sich an der Weidendammer
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