I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 366

23. Der Ne
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Brücke künftig gegen einen Bon von achtzig Pfennigen abwickeln
werden. Man begehrte nimmer und nimmer zu schauen, was die
Tradition der Komischen Oper bedeckte mit Nacht und Grauen. Leider
lichtete sich die Finsternis manchmal bis zur Dä umerung, und dann
sah man ein Häuflein Statisten, die schon viel früher ratlos und
verschüchtert waren, als sie bei Goethe dazu verpflichtet sind. Wenn
unter diese Menge Egmont tritt, so kommt er „wie ein Engel des
Himmels“. Hier war er auf einmal unter ihr, hob sich kaum von
ihr ab und ließ sie schläfrig zurück. In den Zimmern schoben sich
kleinere Ansammlungen ängstlich durch Vorhänge und traten einander
auf die Hacken, gediehen aber zu voller Komik doch nur, wofern sie
zu sprechen hatten. Silva und Gomez wirkten wie Nußknacker, und
Richard und Machiavell. . .. Nun, vielleicht hat Herr Lantz das Glück,
daß auch sein Theater abbrennt.
Das wäre besonders den paar guten Schauspielern zu wünschen,
die ihr Unstern für Tage, Wochen oder Monate ins Deutsche
Schauspielhaus gesprengt hat. Die Bildung eines neuen Ensembles
nämlich hat sich diese Witzblattdirektion so gedacht, daß man überall¬
her möglichst unzusammengehörige Darsteller engagiert oder pumpt
und jedem von ihnen die ungeeignetste Rolle zuweist. Halbwegs ge¬
staltet wurden nur Ruysum und Jetter. Margarete war — Frau
Fehdmer, der man überdies, um ihren Typus auch in sich zu ver¬
fälschen, eine schwarze Perücke aufgestülpt hatte. Herr Abel, der ein
Vansen, und Herr Ekert, der ein Brackenburg wäre, hatten die Rollen
getauscht und erreichten damit, daß man sie beide kaum bemerkte.
Keine bloße Wiederholung dieses Fehlers, sondern eine groteske
Steigerung war es, daß Herr Hartau, der ein Alba, und Herr Nissen,
der ein Oranien wäre, ebenfalls auf den verkehrten Platz gestellt waren.
Herr Hartau versagte ganz, und Herr Nissen, wie auserlesen für den
„hohläugigen Toledaner mit dem tiefen Feuerblick“, sah aus, wie
ein Hermann Bahr, der sich die Nase des Großen Kurfürsten geklebt
hat, und spielte wie ein talentlos gewordener Molenar. Kayßler
wäre Oranien, Alba, Ferdinand, Brackenburg, sogar Vansen — alles,
nur nicht Egmont. Daram mußte er hier den Egmont „machen“
dieser spröde Schweiger, dieser karge, grüblerische, bewölkte Asket
Goethes „wohlwollendes, offenes, sinnliches, fröhliches Weltkind“.
Und Clärchen, „auch im höchsten Adel ihrer Unschuld noch das gemeine
Bürgermädchen und ein niederländisches Mädchen“, kam durch Fräulein
Somary um ihre unvergleichlichen Lieder und zu Ton und Wesen einer
affektierten kleinen wiener Jüdin unsres Jahres 1912. Als das arme
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