I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 372

23. Der Neg ins Freie
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seyr leidenschaftlich, namentlich in der Bekämpfung
Die erste mütterliche Freundin von Balzac,
des Christentums, aber in der Tat immer un¬
Madame de Berny, per er den Übernamen Dilecta
persönlich, und das sei der Grund des Mißverständ¬
gegeben, wird in der „Revue hebdomadaire“ (3. bis
nisses gewesen.
24 Juli) zum Gegenstand einer ausführlichen Studie
Die von Pièrre Blanchon veröffentlichten und
gemacht. Frau Geneviève Ruxton weist da nach
mit einer tüchtigen Studie eingeleiteten Jugendbriefe
daß nicht nur die „Lilie im Tal“ die Züge dieser
von Eugene Fromentin (Plon) veranlassen Ed¬
hervorragenden Frau trägt, sondern daß sie für
mond Faral zu einer Besprechung in der „Revue
alle Heldinnen Balzacs als Modell gedient hat,
in Mois“ (10. Juli). Die eigentümliche Doppel
bis dieser das Verhältnis mit seiner späteren Gattin,
natur Fromentins als Maler und Schriftsteller
der Gräfin Hanska, anknüpfte.
erklärt sich etwas besser, wenn mun diese Briefe
Thomas Mann wird immer mehr zum be¬
liest. Faral faßt seine Meinung in den Satz zu¬
sonderen Günstling der französischen Kritiker, die
sammen: „Der Reisende erklärt den Kritiker, der
ich mit deutscher Literatur beschäftigen. Nach Albert
Kritiker macht den Maler verständlich, und der
und Muret widmet ihm nun auch Andre Tibal
Maler den Schriftsteller. Man kann die Ordnung
einen längeren Aufsatz in der „Revue“ (15. Juli).
dieser Sätze umsteilen, und das kommt schließlich
Außer den „Buddenbrooks“ analysiert Tibal auch
darauf heraus, daß der Charakter des Menschen
alle übrigen Werke des jungen Schriftstellers und
alles erklärt. Fromentin war ein Mann feinster
gelangt zu dem Schlusse, daß es Thomas Mann
Organisierung, unendlich edelmütig und intelligent,
gelungen sei, in seinen Werken zugleich persönlich
und nicht nur die Literatut und die Malerei hat
und unpersönlich zu sein, und daß man ihn in dieser
er mit Meisterwerken bereichert, sondern auch sein
Beziehung unter den Franzosen nur mit Flaubert
Leben war ein solches.“
vergleichen könne. — George Pellissier sagt in einer
In der „Revue Germanique“ (Juli—August) be¬
Besprechung des neuesten Romans von Marcel
endigt P. Bordier seine große Arbeit über Seals¬
Prévost „Pierre et Thérèse“ (Lemerre), das
field (Postl) und sein „Kajütenbuch“. Er kommt
moralische Problem, das sich der Verfasser vor¬
hier auf die Quellen des österreichisch=amerikanischen
gelegt, habe er eigentlich nur gestreift, denn die
Schriftstellers zu sprechen und weist die auffallendsten
Liebesgeschichte bleibe ihm überall die Hauptsache.
Analogien zwischen dem Terte Sealsfields und
Prévost habe vielleicht feinere und nuancenreichere
ranzösischen und englischen Reiseberichten nach, die
Sachen geschrieben, aber niemals etwas Kräftigeres
rüher erschienen. Für die blühende Prairie hat
zustande gebracht als den vorliegenden Roman.
Chateaubriand in seiner „Amerikanischen Reise“ als
Die Biographen von Sainte=Beuve streiten sich
Muster gedient. Noch fleißiger hat Sealsfield die
darüber, ob er wirklich eheliche Absichten hatte,
Werke des Franzosen Beltrami über die Quellen
als er sich um Ondine Valmore, die Tochter der
des Mississippi und über Mexiko benutzt. Alle diese
Dichterin Marceline Desbordes=Valmore, bemühte.
reien Bearbeitungen fremder Quellen gab übrigens
In der „Revue“ (1. August) bringt Edmond Blan¬
Sealsfield als eigene Beobachtungen aus, ohne
guernon einen bisher unbekannten Brief bei, den
seine Vorgänger zu erwähnen.
Sainte=Beuve am 25. März 1838 an Marceline
Die Korrespondenz zwischen Viktor Hugo und
richtete, aber auch hier spricht sich der berühmte
Paul Meurice ist mit einer Vorrede von Jules
Kritiker nur der Mutter gegenüber mit tiefem
Claretie in einem starken Bande erschienen (Fas¬
Gefühl aus. Für Fräulein Ondine fügt er bloß
juelle). Sie reicht von der Flucht Hugos nach dem
seine „respektvolle Huldigung“ bei. Von seinen Vor¬
Staatsstreich von 1851 bis zu seiner bleibenden
trägen an der Akademie in Lausanne sagt er: „Ich
Niederlassung in Paris im Jahre 1878. Meurice
hatte bisher nur geplaudert und muß nun perorieren.
zeigt sich da von seiner besten Seite, denn für den
Das ist mein Schmerz; ich werde mich nicht mehr
großen Verbannten ist ihm keine Mühe zu groß.
dafür einfangen lassen.“ Zehn Jahre später hat
Er vertritt Hugos Interessen in Paris nicht nur
übrigens Sainte=Beuve, der ein mäßiger Redner
mit Hingebung, sondern auch mit Geschick. Um sich
war, den lausanner Versuch trotzdem in Lüttich
erkenntlich zu zeigen, ergeht sich Hugo in Lob¬
wiederholt.
prüchen über die Bühnenbearbeitungen und die
Die Witwe von Alphonse Daudet, geborene
Zeitungsartikel Meurices. Einen großen Raum
Julia Allard, war in allen großen Werken die
nehmen in dieser Korrespondenz die Prozesse ein,
Mitarbeiterin ihres Gatten, der vor seiner Ver¬
die Victor Hugo gegen die Opernaufführungen
heiratung im Jahre 1867 nur den einen Roman
einer von Verdi mißhandelten Dramen führte
„Le petit chose“ verfaßt hatte. Daneben war sie
Die Zensur des dritten Kaiserreichs war boshaft
auch selbständig schriftstellerisch tätig und begann
zu
genug, zugleich die Aufführung der Dramen
ihre Laufbahn als Kritikerin im „Journal officiel“
verhindern oder zu erschweren und die der Opern
unter dem deutschen Pfeudonym Karl Stern. Später
Verdis, „Ernani“ und „Rigoletto“ zu begünstigen
veröffentlichte sie unter eigenem Namen Dichtungen
Die tragikomische Geschichte eines Prügel¬
und Prosaskizzen, und daher widmet ihr Ernest Tissot
pädagogen erzählt mit gutem Humor Louis Dumur
in der „Nouvelle Revue“ (1. Juli) eine längere
in „Les trois demoiselles du père Maire“ (Mercure
Studie, worin er ihr namentlich einen glücklichen
de France) Dumur hat diese Erinnerungen aus
Einfluß auf die stilistische Ausfeilung der berühm¬
einer genfer Jugenozeit schon vor Jahren im
testen Sittenromane Daudets zuschreibt.
Mercure“ erscheinen lassen, aber erst jetzt mit kühnen
Die „Revue des deux Mondes“ (15. Juli) bringt
Karikaturen von Gustave Wendt als Buch heraus¬
eine hinterlassene Studie des Akademikers Gaston
gegeben, weil man jüngst in Genf den dreihundert¬
Boissier über den berühmten und berüchtigten
ünfzigsten Jahrestag der Gründung des alten Col¬
Satiriker Chamfort. Er macht es sehr wahr¬
r Calvin gefeiert hat. Die
öge durch den Refort¬
cheinlich, daß Chamfort als Akademiker mit Mira¬
n Lehrers sind nicht etwa
„Drei Fräulein“ des
beau gegen die Akademie arbeitete und diesem das
orei Schlagwerkzeuge, mit
eine Töchter, sondere
Material lieferte, um ihre Aufhebung durchzusetzen.
denen er den Eifer seiner Zöglinge anzufeuern pflegte.
René Doumic bespricht die letzten Arbeiten von
Der alte Mann kann sich die Disziplin ohne Prügel
Vianey, Guinaudeau und Jean Dornis über Le¬
nicht denken und stirbt daher als Opfer einer neuen
conte de Lisle und hebt namentlich hervor, daß
Regierung, die von ihm verlangt hat, daß er sich
man dem großen Parnassier mit Unrecht Marmor¬
mit der moralischen Autorität begnügen müsse
kälte vorgeworfen habe. Seine Dichtung sei meist