23. Der Neg ins Freie
„
as einst so verabscheute dritte Kaiserreich rückt
allmählich in historische Beleuchtung, und so ge¬
winnen auch seine pittoresken Seiten wieder einigen
Reiz. Daraus erklärt sich das Erscheinen eines
Buches wie das von Adolphe Darvant: „Les
Contidences de Souricette“ (Fasquelle), wo ein
möglichst glänzendes, amüsantes Bild von dem Hof¬
eben jener Zeit gezeichnet wird. Die Heldin dieses
Romans, eine Gräfin Ines de Garcia=Gonzales,
ist zwar eine frei erfundene Figur, aber die be¬
rühmten Persönlichkeiten der Zeit, mit denen sie
in Berührung kommt, werden mit Namen genannt
und alles, was die „Chronique scandaleuse“ über
sie zu berichten weiß, wird aufgetischt.
Der Chef¬
—
redakteur des täglich erscheinenden Theaterblattes
Comoedia“, Georges de Pawlowski, scheint im
Grunde ein großer Liebhaber des Naturlebens
zu
ein, gerade weil er sich als Journalist nur mit
dem Bühnenleben zu befassen hat. Er vereinigt in
einem Bande „Polochon“ (Fasquelle) worin ein
ausgeführte ausgezeichnete Kasernenhumoreske mit
kleinen Skizzen, die er „Paysages Animés
ind
Paysages Chimériques“ nennt. Er beschäftigt
da namentlich mit den bescheidensten Kleinbürgern,
wobei er freilich sehr viel stilistische Feinheit ent¬
wickelt.
Michel Corday liebt die gewagten, halb medi¬
zinischen Romanstoffe. In „Les Révélées“ (Fas¬
quelle) spinnt er die Verse Alfred de Vignys aus:
C’est le plaisir qu’elle aime, — L’homme est
ude et le prend, sans savoir le donner.“ Eine
junge Ehefrau, die im übrigen alles hat, um glück¬
lich zu sein, gerät aus diesem Grunde auf Abwege,
gelangt aber auf den geraden Weg zurück, nachdem
hre Schwester, eine kundige Arztin, ihrem Manne,
einem wenig erfahrenen Gelehrten, die nötigen In¬
struktionen gegeben hat, die Corday ziemlich genau
wiedergibt, aber mit soviel stilistischer Kunst aus¬
feilt, daß sie nicht verletzen können.
—
Ungefähr
den gleichen Stoff behandelt rein psychologisch
Etienne Bricon in „Les Anxiétés de Thérèse
Lesieure“ (Plon). Es ist ein Roman in Briefen
zwischen der unglücklich verheirateten Frau eines
Offiziers, die einen anderen Offizier, der ebenso
langweilig ist, zum Liebhaber hat, und einem Schrift¬
steller, der durch eine anspruchsvolle Maitresse aus¬
gebeutet wird. Die beiden „edlen Seelen“ befreien
sich gegenseitig, ohne sich zu finden. Thérese kehrt
zu ihrem Manne zurück, und der Schriftsteller reist
allein nach Agypten. Der Stil dieses Briefromanes
ist gewählt, aber stellenweise geziert.
— „La folle
passion“ von Marie Anne de Bovet (Lemerre)
ist zugleich eine Nachahmung von Bourgets „Emigré“
und ein Protest gegen diese Verherrlichung eines
leichtsinnigen alten Aristokraten. Der alte Herr
dieses Romanes treibt den Leichtsinn so weit, sich
in seine eigene Schwiegertochter zu verlieben und
sie in so gemeiner Weise zu verfolgen, daß eine
ergebene Freundin der jungen Frau das alte Scheusal
auf der Jagd tötet und dies Verbrechen nicht be¬
straft wird. Die Bilder aus dem Gutsbesitzerleben
der Creuse sind kräftig und offenbar naturgetreu
gezeichnet.
— Henry Duvernois, der Verfasser
der beliebten „Crapotte“ vereint in seinem Bande
„Les Marchandes d’oubli“ (Albin Michel) eine
große Menge reizender kleiner Skizzen aus dem
Leben der pariser Hetären, für die er das hübsche
Wort „Vergessenheitshändlerinnen“ gefunden hat.
Der geborene Amerikaner Stuart Merrill gehört
zu den geschätztesten symbolistischen Dichtern Frank
reichs, obschon „Une voix dans la foule“ (Mercure
de France) erst sein dritter Gedichtband ist. Wie seine
meisten Genossen, so verläßt auch er allmählich den
Grundsatz der Kunst für die Kunst und wird in
box 3/5
dem größten, letzten Gedichte der Sammlung „Le
Vagabond“ beinahe zum Prediger eines sozialistischen
Evangeliums, ohne sich jedoch in Prosaismen zu
verlieren.
Der regnerische Sommer war bisher nicht günstig
für die verschiedenen Naturbühnen, die sich in der
Umgegend von Paris aufgetan haben. Am meisten
Lebenskraft beweist verhältnismäßig das Théätre
antique de Champigny-La-Bataille, das Darmont
seit mehreren Jahren leitet. Als Neuheit wurde
da zuerst „Le festin du Koi“ von Charles Mer¬
und Henry Fescourt gegeben, worin die Heimkehr
des Odysseus recht wirks# n dramatisiert war. Es
olgte ein „Hercule“ von Achille Richard, der, wie
Jules Bois in seiner unglücklichen „Jurie“, von
dem „rasenden Herakles“ des Euripides ausgegangen
ist. Richard hat sich nicht, wie sein Vorgänger, in
dunkle Theosophie und Hypnose verloren, aber den
Kindermord des Herakles auch nicht besser motiviert.
Bei ihm wird der Held von der rachedurstigen
Geliebten des Usurpators Lykos verfolgt, den
Herakles mit vollem Recht getötet hat. Die vor¬
züglichen Kräfte, die Darmont zusammengeführt,
brachten immerhin einen gewissen Erfolg zustande.
Paris
Felir Vogt
WFTT
Die großen Coten haben an sich eine solche
Auferstehungskraft, daß sie sich irgendwo immer
wieder melden, als seien sie dem fortschreiten¬
den menschlichen Geist ein unentbehrliches Be¬
dürfnis und eine nie versiegende Quelle.
Montaigne.
*
K
Am Sommerhaideweg
Von Franz Servaes
*Den Lesern von Schnitzlers vielberedetem
Roman „Der Weg ins Freiebird diese Ueber¬
chrift gleich einer traulichen Erinnerung durch
die Seele gehen. Ueber den Sommerhaideweg
jahen sie des öfteren Herrn Georg von Wergenthin
chreiten, allein oder in Begleitung seines literari¬
schen Freundes Heinrich Bermann. Gedankenvoll
träumend wandelte er einher und unten im Tal
lag ein kleines altangeschmücktes Gartenhaus, darin
harrte ein junges Weib seiner schweren Stunde.
Dies alles lebt auf, und so mancherlei Schick¬
salhaftes und Menschliches, wenn wir, jenes Ro¬
manes gedenkend, den Namen „Sommerhaideweg“
an unser Ohr klingen hören. Und oftmals bin ich
gefragt worden, ob es solch einen Weg in Wirklich.
keit gebe und ob er diesen stimmungsvoll schönen
Namen führe. Ja, es gibt diesen Weg und er
heißt auch so. Doch selbst geborenen Wienern bin
ich begegnet, die ihn nicht kannten und für eine
portische Erfindung hielten.
Es ist, kein kleines Lob für ein gelesenes Buch,
wenn eine darin geschilderte Oertlichkeit derart
suggestiv unseren inneren Sinnen sich einprägt,
daß sie uns gleichsam geweiht erscheint durch erleb¬
es menschliches Schicksal und durch das Verweilen
liebgewordener Menschen. Und obwohl man dem
Schnitzlerschen Buch als Kunstrichter und Philo¬
soph gar mancherlei vorwerfen kann und muß,
dieses bleibt doch bestehen: es erweckt einen
Nachklang in uns. Wer Wien kennt, der
fühlt die Wiener Luft, sieht den Wiener Men¬
chenschlag sich regen und bewegen. Und wer den
Namen Sommerhaideweg hört, der fühlt sich
lockend angeregt zu einem empfindsamen Spazier¬
gang in jenem Teil der Wiener Umgebung.
Es war am Spätnachmittag eines sonnenwar¬
men Augusttages, als ich mich einmal wieder in
diese Gegend verschlagen ließ. Wohl mehr als
ein halbes Dutzend Jahre lang war ich nicht mehr
dort. Bloß in meiner ersten Zeit, als ich Wien
„kennen lernen“ wollte, ohne doch den inneren
Zugang zu ihm schon zu besitzen, war ich pflicht¬
chuldigst dort umhergestreift. So sah ich alles jetzt
mit frischen, wie neuerwachten Augen. Und daß
mich auf Schritt und Tritt gleichsam Erinnerun¬
gen umflüsterten, stimmte mich doppelt empfäng¬
lich und dankbar.
So strebte ich denn jenem Hügelgelände zu, das
dem Kahlengebirge vorgelagert ist und das seine
welligen Rücken wie zögernd in sanften Hebungen
aus dem Stadtgewühl herauszieht, liebreich ver¬
folgt von Hunderten von Villen kleiner Rentiers,
die sich dort angebaut haben. Natürlich gab es
schon vorher dörfliche Ansiedelungen daselbst, und
die lagen ehemals eine gute Stunde weit von der
Stadt entfernt. Sie geben auch heute noch
für
ene Gegenden den baulichen Grundcharakter an.
Man trifft meistens dort — und wie wohltuend
und anheimelnd berührt das! — längliche niedere
Häuser, denen das hohe schirmende Dach gleich
auf das Erdgeschoß gesetzt ist, und allenfalls ließ
man in der Mitte Raum für eine durchbrechende
mäßiggroße Giebelstube. Ein einfaches Staket,
hinter dem es grünt und blüht und oft wohl auch
bunte Glaskugeln altmodisch sich spreizen, schließt
diese Anwesen gegen die Straße ab. Steht ein
alter Baum dabei, so legt er väterlich schirmend
die Breite seiner Aeste auf das Dach. Und vorn
dürfen die Blumen, beispielsweise Sonnenblumen
oder Malven, lustig in die Höhe schießen, so hoch
wie sie wollen, und sei es bis über den Dach¬
ansatz hinaus. Hinter ihnen liegen dann verstoh¬
len die Fenster wie Augen eines Tieres, das aus
sicherem Versteck freundlich herüberblinzelt.
Das ist das Bild, wie es etwa in Pötzleinsdorf,
Salmannsdorf, Neustift am Walde und Sievering
sich darbietet. Was für köstlich gemütvolle bieder¬
meierliche Namen! Und einstweilen entspricht
ihnen immer noch das äußere Gehabe. Nur hie
und da fängt etwas Eleganz an sich einzumischen,
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as einst so verabscheute dritte Kaiserreich rückt
allmählich in historische Beleuchtung, und so ge¬
winnen auch seine pittoresken Seiten wieder einigen
Reiz. Daraus erklärt sich das Erscheinen eines
Buches wie das von Adolphe Darvant: „Les
Contidences de Souricette“ (Fasquelle), wo ein
möglichst glänzendes, amüsantes Bild von dem Hof¬
eben jener Zeit gezeichnet wird. Die Heldin dieses
Romans, eine Gräfin Ines de Garcia=Gonzales,
ist zwar eine frei erfundene Figur, aber die be¬
rühmten Persönlichkeiten der Zeit, mit denen sie
in Berührung kommt, werden mit Namen genannt
und alles, was die „Chronique scandaleuse“ über
sie zu berichten weiß, wird aufgetischt.
Der Chef¬
—
redakteur des täglich erscheinenden Theaterblattes
Comoedia“, Georges de Pawlowski, scheint im
Grunde ein großer Liebhaber des Naturlebens
zu
ein, gerade weil er sich als Journalist nur mit
dem Bühnenleben zu befassen hat. Er vereinigt in
einem Bande „Polochon“ (Fasquelle) worin ein
ausgeführte ausgezeichnete Kasernenhumoreske mit
kleinen Skizzen, die er „Paysages Animés
ind
Paysages Chimériques“ nennt. Er beschäftigt
da namentlich mit den bescheidensten Kleinbürgern,
wobei er freilich sehr viel stilistische Feinheit ent¬
wickelt.
Michel Corday liebt die gewagten, halb medi¬
zinischen Romanstoffe. In „Les Révélées“ (Fas¬
quelle) spinnt er die Verse Alfred de Vignys aus:
C’est le plaisir qu’elle aime, — L’homme est
ude et le prend, sans savoir le donner.“ Eine
junge Ehefrau, die im übrigen alles hat, um glück¬
lich zu sein, gerät aus diesem Grunde auf Abwege,
gelangt aber auf den geraden Weg zurück, nachdem
hre Schwester, eine kundige Arztin, ihrem Manne,
einem wenig erfahrenen Gelehrten, die nötigen In¬
struktionen gegeben hat, die Corday ziemlich genau
wiedergibt, aber mit soviel stilistischer Kunst aus¬
feilt, daß sie nicht verletzen können.
—
Ungefähr
den gleichen Stoff behandelt rein psychologisch
Etienne Bricon in „Les Anxiétés de Thérèse
Lesieure“ (Plon). Es ist ein Roman in Briefen
zwischen der unglücklich verheirateten Frau eines
Offiziers, die einen anderen Offizier, der ebenso
langweilig ist, zum Liebhaber hat, und einem Schrift¬
steller, der durch eine anspruchsvolle Maitresse aus¬
gebeutet wird. Die beiden „edlen Seelen“ befreien
sich gegenseitig, ohne sich zu finden. Thérese kehrt
zu ihrem Manne zurück, und der Schriftsteller reist
allein nach Agypten. Der Stil dieses Briefromanes
ist gewählt, aber stellenweise geziert.
— „La folle
passion“ von Marie Anne de Bovet (Lemerre)
ist zugleich eine Nachahmung von Bourgets „Emigré“
und ein Protest gegen diese Verherrlichung eines
leichtsinnigen alten Aristokraten. Der alte Herr
dieses Romanes treibt den Leichtsinn so weit, sich
in seine eigene Schwiegertochter zu verlieben und
sie in so gemeiner Weise zu verfolgen, daß eine
ergebene Freundin der jungen Frau das alte Scheusal
auf der Jagd tötet und dies Verbrechen nicht be¬
straft wird. Die Bilder aus dem Gutsbesitzerleben
der Creuse sind kräftig und offenbar naturgetreu
gezeichnet.
— Henry Duvernois, der Verfasser
der beliebten „Crapotte“ vereint in seinem Bande
„Les Marchandes d’oubli“ (Albin Michel) eine
große Menge reizender kleiner Skizzen aus dem
Leben der pariser Hetären, für die er das hübsche
Wort „Vergessenheitshändlerinnen“ gefunden hat.
Der geborene Amerikaner Stuart Merrill gehört
zu den geschätztesten symbolistischen Dichtern Frank
reichs, obschon „Une voix dans la foule“ (Mercure
de France) erst sein dritter Gedichtband ist. Wie seine
meisten Genossen, so verläßt auch er allmählich den
Grundsatz der Kunst für die Kunst und wird in
box 3/5
dem größten, letzten Gedichte der Sammlung „Le
Vagabond“ beinahe zum Prediger eines sozialistischen
Evangeliums, ohne sich jedoch in Prosaismen zu
verlieren.
Der regnerische Sommer war bisher nicht günstig
für die verschiedenen Naturbühnen, die sich in der
Umgegend von Paris aufgetan haben. Am meisten
Lebenskraft beweist verhältnismäßig das Théätre
antique de Champigny-La-Bataille, das Darmont
seit mehreren Jahren leitet. Als Neuheit wurde
da zuerst „Le festin du Koi“ von Charles Mer¬
und Henry Fescourt gegeben, worin die Heimkehr
des Odysseus recht wirks# n dramatisiert war. Es
olgte ein „Hercule“ von Achille Richard, der, wie
Jules Bois in seiner unglücklichen „Jurie“, von
dem „rasenden Herakles“ des Euripides ausgegangen
ist. Richard hat sich nicht, wie sein Vorgänger, in
dunkle Theosophie und Hypnose verloren, aber den
Kindermord des Herakles auch nicht besser motiviert.
Bei ihm wird der Held von der rachedurstigen
Geliebten des Usurpators Lykos verfolgt, den
Herakles mit vollem Recht getötet hat. Die vor¬
züglichen Kräfte, die Darmont zusammengeführt,
brachten immerhin einen gewissen Erfolg zustande.
Paris
Felir Vogt
WFTT
Die großen Coten haben an sich eine solche
Auferstehungskraft, daß sie sich irgendwo immer
wieder melden, als seien sie dem fortschreiten¬
den menschlichen Geist ein unentbehrliches Be¬
dürfnis und eine nie versiegende Quelle.
Montaigne.
*
K
Am Sommerhaideweg
Von Franz Servaes
*Den Lesern von Schnitzlers vielberedetem
Roman „Der Weg ins Freiebird diese Ueber¬
chrift gleich einer traulichen Erinnerung durch
die Seele gehen. Ueber den Sommerhaideweg
jahen sie des öfteren Herrn Georg von Wergenthin
chreiten, allein oder in Begleitung seines literari¬
schen Freundes Heinrich Bermann. Gedankenvoll
träumend wandelte er einher und unten im Tal
lag ein kleines altangeschmücktes Gartenhaus, darin
harrte ein junges Weib seiner schweren Stunde.
Dies alles lebt auf, und so mancherlei Schick¬
salhaftes und Menschliches, wenn wir, jenes Ro¬
manes gedenkend, den Namen „Sommerhaideweg“
an unser Ohr klingen hören. Und oftmals bin ich
gefragt worden, ob es solch einen Weg in Wirklich.
keit gebe und ob er diesen stimmungsvoll schönen
Namen führe. Ja, es gibt diesen Weg und er
heißt auch so. Doch selbst geborenen Wienern bin
ich begegnet, die ihn nicht kannten und für eine
portische Erfindung hielten.
Es ist, kein kleines Lob für ein gelesenes Buch,
wenn eine darin geschilderte Oertlichkeit derart
suggestiv unseren inneren Sinnen sich einprägt,
daß sie uns gleichsam geweiht erscheint durch erleb¬
es menschliches Schicksal und durch das Verweilen
liebgewordener Menschen. Und obwohl man dem
Schnitzlerschen Buch als Kunstrichter und Philo¬
soph gar mancherlei vorwerfen kann und muß,
dieses bleibt doch bestehen: es erweckt einen
Nachklang in uns. Wer Wien kennt, der
fühlt die Wiener Luft, sieht den Wiener Men¬
chenschlag sich regen und bewegen. Und wer den
Namen Sommerhaideweg hört, der fühlt sich
lockend angeregt zu einem empfindsamen Spazier¬
gang in jenem Teil der Wiener Umgebung.
Es war am Spätnachmittag eines sonnenwar¬
men Augusttages, als ich mich einmal wieder in
diese Gegend verschlagen ließ. Wohl mehr als
ein halbes Dutzend Jahre lang war ich nicht mehr
dort. Bloß in meiner ersten Zeit, als ich Wien
„kennen lernen“ wollte, ohne doch den inneren
Zugang zu ihm schon zu besitzen, war ich pflicht¬
chuldigst dort umhergestreift. So sah ich alles jetzt
mit frischen, wie neuerwachten Augen. Und daß
mich auf Schritt und Tritt gleichsam Erinnerun¬
gen umflüsterten, stimmte mich doppelt empfäng¬
lich und dankbar.
So strebte ich denn jenem Hügelgelände zu, das
dem Kahlengebirge vorgelagert ist und das seine
welligen Rücken wie zögernd in sanften Hebungen
aus dem Stadtgewühl herauszieht, liebreich ver¬
folgt von Hunderten von Villen kleiner Rentiers,
die sich dort angebaut haben. Natürlich gab es
schon vorher dörfliche Ansiedelungen daselbst, und
die lagen ehemals eine gute Stunde weit von der
Stadt entfernt. Sie geben auch heute noch
für
ene Gegenden den baulichen Grundcharakter an.
Man trifft meistens dort — und wie wohltuend
und anheimelnd berührt das! — längliche niedere
Häuser, denen das hohe schirmende Dach gleich
auf das Erdgeschoß gesetzt ist, und allenfalls ließ
man in der Mitte Raum für eine durchbrechende
mäßiggroße Giebelstube. Ein einfaches Staket,
hinter dem es grünt und blüht und oft wohl auch
bunte Glaskugeln altmodisch sich spreizen, schließt
diese Anwesen gegen die Straße ab. Steht ein
alter Baum dabei, so legt er väterlich schirmend
die Breite seiner Aeste auf das Dach. Und vorn
dürfen die Blumen, beispielsweise Sonnenblumen
oder Malven, lustig in die Höhe schießen, so hoch
wie sie wollen, und sei es bis über den Dach¬
ansatz hinaus. Hinter ihnen liegen dann verstoh¬
len die Fenster wie Augen eines Tieres, das aus
sicherem Versteck freundlich herüberblinzelt.
Das ist das Bild, wie es etwa in Pötzleinsdorf,
Salmannsdorf, Neustift am Walde und Sievering
sich darbietet. Was für köstlich gemütvolle bieder¬
meierliche Namen! Und einstweilen entspricht
ihnen immer noch das äußere Gehabe. Nur hie
und da fängt etwas Eleganz an sich einzumischen,
In
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Ville
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Ich
Zeit
zu.
orn
Seit
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