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13. Exzentrik
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Geuf, Lohdon, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt, aus:
3- Ataue Freie Presse, Wien
vom:
(Wohltätigkeitssolree. In Gunsten der ver¬
#urteilten Frau Konnara v. Hervay
sie führt diesen
Namen, bis die Leobener Entscheidung, die ihre letzte Ehe
für lngiliig erklärte, in Wirksamkeit erwuchs
— fand heute
abends im Bösendorfer=Saale eine Wohltätigkeitssoiree statt.
Eröffnet wurde sie durch eine Wiener Humoreske „Die Er¬
hebungen über Barbara Liebhard“ von Felix Salten, von
diesem vorgetragen. Hier wird lustig erzählt, wie eine
von
einem Magistratsbeamten geplante Huldigungsfeier
für eine
114jährige Greisin deshalb von dem Bürgermeister verweigert
wird, weil die Jubilarin zur Zeit der Schlacht von Aspern
einen Fehltritt beging. Fräulein Adele Sandrock
trug
sodann ein Liliencronsches und ein Kellersches Gedicht
und
die Thomasche Straßenburleske „Der Kohlenwagen“ vor.
Hofrat Burckhard erheiterte durch die Wiedergabe einiger
Szenen „Aus einer österreichischen Beamtensatire". Die Art,
wie der vorsichtige Sektionschef den neuernannten ahnen¬
reichen durch den nur verdienstvollen Bezirkshauptmann ver¬
schieden behandelt und verabschiedet, wird in dieser Novelle
munter geschildert. Hermann Bahr beschloß die Soiree,
indem er das Liliencronsche Gedicht „Der Schädel“ und die
Schnitzlerlche Greleske „Exzentrik“ wirksam vorlas. Das
Publikum, das sich ziemlich spärlich eingefunden hatte, nahm
die Borträge berfällig auf.
amkburehen
Wien, I., Coordiaplatz 4
Vertungen
in Berlin, Budapest, Chics Genf, London, New-Tork,
Paris, Rom, Mailand, Stocklm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangasohne Gewähr.)
Ausschnitt ausgerdenblatt, Wien
-3FEBO
vom:
(Wohltätigkeitsvorlesing.) Zunächst erschien gestern — Schau¬
flatz: Bösendorfer=Saal — Hen Felix Salten am Vorlesetisch. Er las
eine Erzählung, betitelt: „Die Erhebungen über Barbara Liebhardt“.
Man konnte nach diesem Titel auf Interessantes gefaßt sein, auf eine
Sensation. Denn Herr Felix Salten ist Fachmann in gewissen Erhebungen.
Er hat sich in seiner journalistischen Praxis als fixer Reporter von
durchaus unkritischer, ja geradezu unerschrockener Nase gezeigt, die auch
vor intimen Dingen nicht zurückschreckt. Wir glaubten denn auch, Herr Felix
Salten habe nicht ohne Grund und mit berechtigtem Stolz den Titel
seiner Erzählung „Die Erhebungen 2c.“ der knappen Reportersprache ent¬
nommen und waren auf Enthüllungen gespannt. Aber wir hörten nur eine
Wiener Erzählung — zu zahm für eine Satire, und zu wenig naiv, um
durch reine Heiterkeit zu wirken. Im übrigen scheint uns eine 114 Jahre
alte Wundergreisin zu wenig pikant für Herrn Felix Saltens Feder. Und
zu lange ist die Geschichte auch im Verhältnis zur kurzen Pointe. Gewiß
wären Herrn Saltens gestrige „Erhebungen“ interessanter geworden, wenn
er sie telegraphiert hätte... Wirklichen Humor, der aus sich selbst wirkt,
gesund und drastisch, strahlen die Schilderungen Dr. Max Burckhards
aus dem heimischen Beamtentum aus. Und wie der Verfasser liest! Man
könnte vielleicht sagen, der ehemalige Burgtheaterdirektor hätte es leicht
gehabt, bei vornehmen Metstern zu lernen. Aber Burckhard liest nicht, wie
man's lernen kann, er liest, wie man's kann, wenn man das Talent dazu
hat und den Humor und die Beobachtung und die Persöulichkeit. Und so hatte
Dr. Burckhard gestern nicht nur einen literarischen, sondern auch einen dar¬
stellerischen Erfolg. Das Programm brachte noch Vorträge Adele Sandrocks,
die auch am Vorlesetische die herrlichen Tugenden der Tragödin bewährte,
und Hermann Bahr's, längst als Meister des Vortrages geschätzt, auch
wenn er nicht eigene Sachen liest. Im Gegenteil, da ist er noch besser.
Gestern erschien er sozusagen als Vorleser=Protektor. Und in der Tat
— wir wüßten nicht sobald einen Berufskünstler, der die Gewagtheiten
der Schnitzlerschen „Excentrics“ so liebenswürdig vorbringen könnte,
wie Hermann Bahr. Es erröteten die wenigsten Leute
84.—
—lockhölm
SE
(Quelliangabe ohne Gewan .
Ausschnitt ausistapf. Vollts Zaitung. Wien
.—
vom:
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Eine Woyltatigeitssoiree. In Wien gibt
es bekanntlich zahllose Fralen, die trotz ehrlichen Be¬
mühens nicht imstande snd, sich und ihren Kindern
Brot zu schaffen. Diese Frauen darben, sehen ihre
Kinder dahinsiechen, verzweifelt, hoffnungslos, und
gehen selbst zugrunde. Allerdings: Sie sind weder
Heldinnen eines Sensationsprozesses noch interessant,
sie sind nicht ein bißchen interessant, bloß arm und
elend. Und das ist zu wenig! Eine gewisse Sorte
moderner Wohltätigkeit wird offenbar nur geweckt, wenn
die Not „interessant“ ist, wenn sie etwa im kokett
drapierten Witwenkleide, in sechs oder acht Posen das Schau¬
fenster eines Photographen füllend, die Erinnerung an
dastragische Ende eines unglücklichen Mannes wachruft und
auch sonst geschickt genug ist, von sich reden zu machen.
Dies und ähnliches mußte man gestern im Bösendorfer¬
Saale denken, wo eine Künstlerin und drei Schrift¬
steller eine Wohltätigkeitsvorlesung veranstalteten, deren
Erträgnis Frau Hermine v. Hervay gewidmet war.
Die veröffentlichten Notizen gaben den Zweck des Abends
ausdrücklich bekannt. Als erster kam Herr Felix Salten:
„Erhebungen über Barbara Liebhardt“. Eine humorvolle
Novelle, die dem Leser sicherlich ein behagliches Schmunzeln
entlockt; in der selbstgefälligen Art des Vortragendenserviert,
verfehlte die Skizze ihre Wirkung. Bot Herr Salten
als Vortragender gar zu wenig, so gab Fräulein Adele
Sandrock, die ihn ablöste, zu viel. Jeder Zoll Heroine,
jedes Wort für ein großes Theater, nicht für den kleinen
Bösendorfer=Saal bestimmt! Dann folgten Max Burck¬
hard und Hermann Bahr, beide seit der Zeit der
Wiener Autorenabende als Vorleser nach Verdienst ge¬
schätzt. Burckhard hat das Naturburschenhafte, das
ihm so gut zu Gesichte steht, beibehalten. Man ist ernst,
wenn er einen Augenblick ernst ist und lacht herzlich,
venn er eine köstliche Satire aus dem Beamtenleben
der „oberen Rangsklassen“ entwirft und in Stimme und
Gebärde eine leibhaftige Erzellenz, einen aristokratischen und
inen bürgerlichen Bezirkshauptmannsotrefflich zeichnet, daß
nan die Herren zu sehen glaubt. Die Damen aber denken, den
rischen, rotwangigen Herrn Hofrat betrachtend: Ein
istiger, lieber Mensch! Hermann Bahr schießlich las
Excentrie“ von Artur Schnitzler, amüsant, wie es P9
ch gehört, jede Nuance abwägend, Ton und Geste völlig ?
eherrschend, ein Vortragsmeister, der die Mehrheit der
örer führt, wie er will. Es waren ihrer übrigens im
anzen nicht viele, der Saal war kaum zur Hälfte be¬
etzt. Das Publikum hat eben gesundes Empfinden genug,
im Wohltätigkeitssoireen wie dieser, sei das Programm
loch so anziehend, keinen Geschmack abzugewinnen!
13. Exzentrik
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Geuf, Lohdon, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt, aus:
3- Ataue Freie Presse, Wien
vom:
(Wohltätigkeitssolree. In Gunsten der ver¬
#urteilten Frau Konnara v. Hervay
sie führt diesen
Namen, bis die Leobener Entscheidung, die ihre letzte Ehe
für lngiliig erklärte, in Wirksamkeit erwuchs
— fand heute
abends im Bösendorfer=Saale eine Wohltätigkeitssoiree statt.
Eröffnet wurde sie durch eine Wiener Humoreske „Die Er¬
hebungen über Barbara Liebhard“ von Felix Salten, von
diesem vorgetragen. Hier wird lustig erzählt, wie eine
von
einem Magistratsbeamten geplante Huldigungsfeier
für eine
114jährige Greisin deshalb von dem Bürgermeister verweigert
wird, weil die Jubilarin zur Zeit der Schlacht von Aspern
einen Fehltritt beging. Fräulein Adele Sandrock
trug
sodann ein Liliencronsches und ein Kellersches Gedicht
und
die Thomasche Straßenburleske „Der Kohlenwagen“ vor.
Hofrat Burckhard erheiterte durch die Wiedergabe einiger
Szenen „Aus einer österreichischen Beamtensatire". Die Art,
wie der vorsichtige Sektionschef den neuernannten ahnen¬
reichen durch den nur verdienstvollen Bezirkshauptmann ver¬
schieden behandelt und verabschiedet, wird in dieser Novelle
munter geschildert. Hermann Bahr beschloß die Soiree,
indem er das Liliencronsche Gedicht „Der Schädel“ und die
Schnitzlerlche Greleske „Exzentrik“ wirksam vorlas. Das
Publikum, das sich ziemlich spärlich eingefunden hatte, nahm
die Borträge berfällig auf.
amkburehen
Wien, I., Coordiaplatz 4
Vertungen
in Berlin, Budapest, Chics Genf, London, New-Tork,
Paris, Rom, Mailand, Stocklm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangasohne Gewähr.)
Ausschnitt ausgerdenblatt, Wien
-3FEBO
vom:
(Wohltätigkeitsvorlesing.) Zunächst erschien gestern — Schau¬
flatz: Bösendorfer=Saal — Hen Felix Salten am Vorlesetisch. Er las
eine Erzählung, betitelt: „Die Erhebungen über Barbara Liebhardt“.
Man konnte nach diesem Titel auf Interessantes gefaßt sein, auf eine
Sensation. Denn Herr Felix Salten ist Fachmann in gewissen Erhebungen.
Er hat sich in seiner journalistischen Praxis als fixer Reporter von
durchaus unkritischer, ja geradezu unerschrockener Nase gezeigt, die auch
vor intimen Dingen nicht zurückschreckt. Wir glaubten denn auch, Herr Felix
Salten habe nicht ohne Grund und mit berechtigtem Stolz den Titel
seiner Erzählung „Die Erhebungen 2c.“ der knappen Reportersprache ent¬
nommen und waren auf Enthüllungen gespannt. Aber wir hörten nur eine
Wiener Erzählung — zu zahm für eine Satire, und zu wenig naiv, um
durch reine Heiterkeit zu wirken. Im übrigen scheint uns eine 114 Jahre
alte Wundergreisin zu wenig pikant für Herrn Felix Saltens Feder. Und
zu lange ist die Geschichte auch im Verhältnis zur kurzen Pointe. Gewiß
wären Herrn Saltens gestrige „Erhebungen“ interessanter geworden, wenn
er sie telegraphiert hätte... Wirklichen Humor, der aus sich selbst wirkt,
gesund und drastisch, strahlen die Schilderungen Dr. Max Burckhards
aus dem heimischen Beamtentum aus. Und wie der Verfasser liest! Man
könnte vielleicht sagen, der ehemalige Burgtheaterdirektor hätte es leicht
gehabt, bei vornehmen Metstern zu lernen. Aber Burckhard liest nicht, wie
man's lernen kann, er liest, wie man's kann, wenn man das Talent dazu
hat und den Humor und die Beobachtung und die Persöulichkeit. Und so hatte
Dr. Burckhard gestern nicht nur einen literarischen, sondern auch einen dar¬
stellerischen Erfolg. Das Programm brachte noch Vorträge Adele Sandrocks,
die auch am Vorlesetische die herrlichen Tugenden der Tragödin bewährte,
und Hermann Bahr's, längst als Meister des Vortrages geschätzt, auch
wenn er nicht eigene Sachen liest. Im Gegenteil, da ist er noch besser.
Gestern erschien er sozusagen als Vorleser=Protektor. Und in der Tat
— wir wüßten nicht sobald einen Berufskünstler, der die Gewagtheiten
der Schnitzlerschen „Excentrics“ so liebenswürdig vorbringen könnte,
wie Hermann Bahr. Es erröteten die wenigsten Leute
84.—
—lockhölm
SE
(Quelliangabe ohne Gewan .
Ausschnitt ausistapf. Vollts Zaitung. Wien
.—
vom:
3
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Eine Woyltatigeitssoiree. In Wien gibt
es bekanntlich zahllose Fralen, die trotz ehrlichen Be¬
mühens nicht imstande snd, sich und ihren Kindern
Brot zu schaffen. Diese Frauen darben, sehen ihre
Kinder dahinsiechen, verzweifelt, hoffnungslos, und
gehen selbst zugrunde. Allerdings: Sie sind weder
Heldinnen eines Sensationsprozesses noch interessant,
sie sind nicht ein bißchen interessant, bloß arm und
elend. Und das ist zu wenig! Eine gewisse Sorte
moderner Wohltätigkeit wird offenbar nur geweckt, wenn
die Not „interessant“ ist, wenn sie etwa im kokett
drapierten Witwenkleide, in sechs oder acht Posen das Schau¬
fenster eines Photographen füllend, die Erinnerung an
dastragische Ende eines unglücklichen Mannes wachruft und
auch sonst geschickt genug ist, von sich reden zu machen.
Dies und ähnliches mußte man gestern im Bösendorfer¬
Saale denken, wo eine Künstlerin und drei Schrift¬
steller eine Wohltätigkeitsvorlesung veranstalteten, deren
Erträgnis Frau Hermine v. Hervay gewidmet war.
Die veröffentlichten Notizen gaben den Zweck des Abends
ausdrücklich bekannt. Als erster kam Herr Felix Salten:
„Erhebungen über Barbara Liebhardt“. Eine humorvolle
Novelle, die dem Leser sicherlich ein behagliches Schmunzeln
entlockt; in der selbstgefälligen Art des Vortragendenserviert,
verfehlte die Skizze ihre Wirkung. Bot Herr Salten
als Vortragender gar zu wenig, so gab Fräulein Adele
Sandrock, die ihn ablöste, zu viel. Jeder Zoll Heroine,
jedes Wort für ein großes Theater, nicht für den kleinen
Bösendorfer=Saal bestimmt! Dann folgten Max Burck¬
hard und Hermann Bahr, beide seit der Zeit der
Wiener Autorenabende als Vorleser nach Verdienst ge¬
schätzt. Burckhard hat das Naturburschenhafte, das
ihm so gut zu Gesichte steht, beibehalten. Man ist ernst,
wenn er einen Augenblick ernst ist und lacht herzlich,
venn er eine köstliche Satire aus dem Beamtenleben
der „oberen Rangsklassen“ entwirft und in Stimme und
Gebärde eine leibhaftige Erzellenz, einen aristokratischen und
inen bürgerlichen Bezirkshauptmannsotrefflich zeichnet, daß
nan die Herren zu sehen glaubt. Die Damen aber denken, den
rischen, rotwangigen Herrn Hofrat betrachtend: Ein
istiger, lieber Mensch! Hermann Bahr schießlich las
Excentrie“ von Artur Schnitzler, amüsant, wie es P9
ch gehört, jede Nuance abwägend, Ton und Geste völlig ?
eherrschend, ein Vortragsmeister, der die Mehrheit der
örer führt, wie er will. Es waren ihrer übrigens im
anzen nicht viele, der Saal war kaum zur Hälfte be¬
etzt. Das Publikum hat eben gesundes Empfinden genug,
im Wohltätigkeitssoireen wie dieser, sei das Programm
loch so anziehend, keinen Geschmack abzugewinnen!